Wenn Sie diese Zeilen lesen, ist der Rheinland-Pfalz-Tag Vergangenheit und die Stadtkasse um mindestens eine Million Euro ärmer. In den vergangenen Monaten haben wir das Landesfest immer wieder kritisch beäugt und über die zu befürchtende finanzielle Schieflage berichtet. Prinzipiell halten wir die Entscheidung, das Landesfest in Worms zu feiern, durchaus für eine legitime Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu generieren. Die Frage ist nur: „Zu welchem Preis?“

Eine Woche vor dem Drei-Tage-Fest veröffentlichte die Stadt eine Stellungnahme zum Budget. Selbstverständlich war das nur eine Schätzung, da man die tatsächlichen Kosten erst im Anschluss an die Veranstaltung bestimmen kann. Die fiel allerdings schon recht saftig aus. Nach Abzug der Einnahmen (Vermietung, Sponsoring, Spenden) in Höhe von 561.000 Euro beträgt das Defizit immer noch satte 1.002.000 Euro, davon entfallen alleine 430.000 Euro auf des Thema Sicherheit. Stellt man die Öffnungszeiten des Festes in Relation zu den Kosten, hat das Landesfest die Wormser 28.629 Euro in der Stunde gekostet. Als wir die Stellungnahme der Stadt zu den Kosten bei Facebook mit einer kritischen Anmerkung veröffentlichten, gab es hierzu einige Zeitgenossen, die uns mehr oder weniger unterstellten, in die üblichen Wormser Meckerarien zu verfallen. „Lächerlich das Ganze, dass man sich wegen Kosten aufregt!!!“, schrieb ein Nutzer und fügte hinzu: „Jede Stadt, jedes Land ist verschuldet. Wenn es nach einigen ginge, dürfte gar nichts mehr gemacht werden. Seit froh das überhaupt Veranstaltungen in Worms gibt, wo Besucher anlocken. Nichts auf der Welt ist Kostenlos, alles hat seinen Preis. Aber das ist typisch hier das man ständig nur meckern muss wegen jeder Scheiße“. Es ist schon eine ganz eigene Logik, Mehrausgaben damit zu rechtfertigen, dass ohnehin jede Stadt und jedes Land verschuldet ist. Das heißt im Umkehrschluss, dass man prinzipiell Geld ausgeben kann, ohne auf nachfolgende Generationen Rücksicht nehmen zu müssen. Ein Argument, das wir uns unbedingt merken sollten, wenn sich demnächst wieder einige Leute sich zu den Ausgaben der Nibelungen-Festspiele äußern. Das Problem ist nur, dass die Festspiele zumindest über ein ordentliches Budget verfügen und der städtische Zuschuss von 1,7 Millionen Euro im Haushalt eingeplant ist, während eben dieser Rheinland-Pfalz-Tag nicht ordentlich und transparent ausgewiesen ist. Ganz im Gegenteil. Mathias Englert (Stadtrat FWG) verwies auf Anfrage unseres Magazins auf den Umstand, dass die Kosten des Festes komplett um den Stadtrat herumlaviert wurden:

„Wir haben im November 2012 zugestimmt, aber nicht für den RLP-Tag 2018 sondern 2016 – bei der Abstimmung über den RLP-Tag 18 haben wir uns wegen der unklaren Kosten enthalten (das war dann auch nach der Loveparade und wir haben hohe Mehrkosten erwartet). Wir sind auch davon ausgegangen, dass das Thema Kosten noch in den Rat kommt, aber das ist nicht passiert. Die Verwaltung macht die Durchführung zu einer Verwaltungssache, der Stadtrat wurde auch nicht gefragt hinsichtlich der Einschnitte für die ansässige Gastronomie oder den Markt. Das hat alleine die Verwaltung zu verantworten!“
Mathias Englert (Stadtrat FWG)

Kein Kostenbeschluss des Stadtrates

Gerne wird in der Diskussion um die Festspiele auf die maroden Schulen verwiesen. Wie oben bereits erwähnt, verfügen die Festspiele jedoch über ein Budget. Wenn es die Festspiele nicht mehr gäbe, wäre trotzdem kein Euro mehr für Schulen da. Beim Rheinland-Pfalz-Tag sieht das jedoch anders aus, da das Geld von verschiedenen Töpfen entnommen wird, das anschließend in den unterschiedlichsten Haushalten fehlt. Ein Umstand, der auch für den aufwändigen Einsatz städtischen Personals sowie den 900 Polizisten gilt, denn schließlich muss die beträchtliche Zahl an Überstunden anschließend abgefeiert werden. Also wundern Sie sich nicht, wenn die Stadtverwaltung in den nächsten Wochen noch schlechter als sonst besetzt ist. Englert weiter zu dem nicht vorhandenen Budget:

„Wir dürfen nie vergessen, dass eine Feier, wie beispielsweise der RLP-Tag „auf Pump“ finanziert wird. Das heißt, das sind Schulden der kommenden Generation(en). Mir wäre die Sanierung von fünf Naturwissenschaftlichen-Sälen im BIZ lieber gewesen. Dass es keinerlei Kostenbeschluss (Haushalt oder Wirtschaftsplan) gibt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das hat mit „Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit“ nichts zu tun.“
Mathias Englert (Stadtrat FWG)

Sein Stadtratskollege von den Grünen und Oberbürgermeister Kandidat Richard Grünewald sieht das nicht anders:

„Der RLP-Tag ist ja eine schöne Sache (…), vor allem für die vielen Ehrenamtlichen. Es ist aber ein Unding, eine solche Großveranstaltung ohne ein Budget zu planen! Dass jedes Projekt einen Kostenrahmen haben muss, um dessen Einhaltung man sich ernsthaft bemüht, ist eigentlich eine Binsenweisheit. Nicht so in Worms. Hier geht man faktisch nach dem Grundsatz vor: ‚Es kost‘ was es kost‘“. Meine Befürchtung, dass Worms zwischen 1 und 1,5 Mio. draufzahlt, bewahrheitet sich von Tag zu Tag mehr. Dass diese Summe vorher weder genannt, noch beschlossen wurde, wollen wir uns nicht länger gefallen lassen.“
Richard Grünewald (Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Geschenk an die Landesregierung

Auf Anfragen im Stadtrat argumentierte OB Kissel immer wieder, dass man die Kosten aufgrund der veränderten Sicherheitslage im Vorfeld nicht absehen könne. Tatsächlich haben sich im Laufe der Jahre, durch Katastrophen wie der Massenpanik bei der Love Parade und Terroranschlägen wie dem in Berlin, die Sicherheitsauflagen massiv verändert. In diesem Zusammenhang haben wir schon öfters die Frage gestellt, wie lange es noch möglich ist, dem finanziell gerecht zu werden. Es ging uns hierbei nie um Kritik an den Sicherheitskonzepten selbst, sondern um die Frage, ob es Sinn macht, Großveranstaltungen zu feiern, wenn wir uns hinter 68 Müllcontainern und exorbitanten Sicherheitskosten verstecken müssen, um dies unbeschwert zu tun. Es ist im Nachhinein mühsam zu fragen, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, das Landesfest eine Nummer kleiner zu planen. Von Seiten der Staatskanzlei wäre das wohl denkbar gewesen. „Die Veranstaltungsfläche ist größer als bei allen bisherigen Rheinland-Pfalz-Tagen“, erklärte bei einer Presseveranstaltung Clemens Hoch, Mitarbeiter der Staatskanzlei Mainz. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ihr euch beworben habt“, fügte Hoch bezüglich der Sicherheitskosten hinzu und ergänzte: „Die Stadt Worms stemmt das aus eigener Tasche, wofür wir sehr dankbar sind“. Ein nobles Geschenk unseres Stadtchefs an die Landesregierung. Interessant ist auch der Aspekt, dass der Rheinland-Pfalz-Tag in Worms größer ausfällt als das Fest in der Landeshauptstadt Mainz, die immerhin doppelt so viele Einwohner hat. In Zeiten, in denen Sicherheit eine so große Bedeutung zukommt, klingt es nahezu unverantwortlich, ein Fest in dieser Größenordnung in einer Innenstadt durchzuführen.

Drei Tage Geiselhaft für Anwohner

Unverantwortlich und unverhältnismäßig auch gegenüber zahlreichen Anwohnern, die man für mehrere Tage sozusagen in „Geiselhaft“ genommen hat. Bereits bei einer Pressekonferenz im Frühling erfuhren u.a. auch Mitarbeiter in der Seniorenbetreuung, was das Drei-Tage-Fest in der praktischen Umsetzung bedeutet. Da in den Kernzeiten kein PKW Verkehr gestattet wurde, bedeutete das für Pflegedienste, die unterschiedlichste Leistungen verrichten mussten, diese Wege zu Fuß zurückzulegen oder die Leistungen außerhalb der Kernzeiten zu erbringen – soweit dies möglich war. Bei Facebook schrieb hierzu ein Bürger: „Also die ganze Zeit dachte ich: „Hey, endlich mal wieder was los in Worms!“ Wenn aber dadurch das gesamte öffentliche Leben zum Erliegen kommt, sollte man vielleicht mal darüber nachdenken, ob da nicht was ganz gewaltig schief läuft“. Ebenso bedeutete das Fest für die Anwohner, ihre eigenen Belange oder Anliegen ganz nach den Bedürfnissen der Stadt auszurichten. Das betraf z.B. die Lebensmittelversorgung, da die innerstädtischen Supermärkte ihre Läden am Freitag ab 14 Uhr dicht machten, aber auch Arbeitnehmer, die entweder gezwungen waren, ihren Urlaub nach diesem Freudenfest auszurichten oder eben sehen mussten, wie sie an ihr Auto bzw. an ihren Arbeitsplatz kamen.

„Abgerechnet wird zum Schluss!“

OB Michael Kissel zeigte bei einer Pressekonferenz wenig Verständnis für diese Sorgen und verwies darauf, dass schließlich alles bekannt gewesen sei. Genauso verwies er auch auf den Leuchtturm-Charakter dieses Festes, da sich die Stadt touristisch den anvisierten 300.000 Besuchern präsentieren möchte, in der Hoffnung, dass diese ein weiteres Mal in unsere schöne Nibelungenstadt kommen. Ebenso verteidigte der Oberbürgermeister die immensen Kosten damit, dass man zwischen „operativen“ und „nachhaltigen Aufwendungen“ unterscheiden müsse. Als nachhaltig bezeichnete er Ausgaben, die der Stadt Worms über den RLP-Tag hinaus einen nachhaltigen Mehrwert bieten. Als nachhaltig sieht er laut eines Planungspapiers aus dem Jahre 2017 z.B. die PR- und Marketing- Ausgaben, die anteilig mit einem Betrag von 120.000 Euro verbucht wurden. Außer dem Posten „Wormser Profile“, (2.000 Euro) ist in dieser rudimentären Budgetplanung in der Rubrik „nachhaltig“ allerdings kein weiterer Eintrag zu finden. Michael Kissel sagte einmal in einer Stadtratssitzung – in Bezug auf die Parkhauskosten – die weitläufig bekannte Floskel „Abgerechnet wird zum Schluss“. Etwas, was ganz besonders für den Rheinland-Pfalz-Tag gilt, denn der Oberbürgermeister wird sich daran müssen, ob die anvisierten Besuchermassen tatsächlich den Weg nach Worms gefunden haben und am Ende des Festes wenigstens für Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers die Kassen stimmten.