Am 20.02. fand wieder eine Nazidemo in Worms statt
Zum gewiss nicht ersten Mal, aber leider auch nicht zum letzten Mal fand am 20. Februar eine Kundgebung von rechten Gruppierungen in Worms statt. Auch wenn man anzweifeln kann, warum Gerichte während einer Corona-Pandemie ausgerechnet solche Demonstrationen genehmigen, lautete die entscheidende Frage vieler demokratisch denkender Menschen in Worms: Soll man an diesem Tag Flagge zeigen und sich den rechten Demonstranten in den Weg stellen? Oder sollte man diese rechten Wirrköpfe einfach ignorieren und ihnen damit die gewollte Aufmerksamkeit versagen?
Dass sich rechte Gruppierungen immer wieder Worms als Ort für ihre Kundgebungen aussuchen, konnte man bisher damit erklären, dass es die soziale Struktur einer Stadt wie Worms den Rechten leichter macht, neue Sympathisanten für ihre Sache zu rekrutieren. Als jedoch am 20. Februar 2021 knapp zehn Mitglieder von der „Kameradschaft Rheinhessen“ und der Partei „Die Rechte“ eine Kundgebung in Worms abhalten wollten, hatte man den Ort bewusst ausgewählt. Schließlich war Worms eine der Städte, die in der Nacht vom 21. auf den 22. Februar 1945 bei einem Luft angriff durch britische Bomber der Alliierten in großen Teilen zerstört wurde. Unter dem Motto „Gegen das Vergessen“ riefen beide Organisationen dazu auf, den deutschen Opfern des sogenannten Bombenterrors zu gedenken. Eine an sich ehrenvolle Sache, wenn man nicht genau wüsste, dass dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte häufig von Neonazis instrumentalisiert wird und solche „Gedenktage“ missbraucht werden, um ihre rassistischen und volksverhetzenden Reden unters Volk zu bringen. Dementsprechend riefen im Vorfeld verschiedene Organisationen und Parteien (u.a. Grüne Jugend, Linksjugend, Fridays for Future, Lebenshilfe Worms-Alzey, Omas gegen Rechts, Pax Christi, Schöner leben – Nazis stoppen, Runder Tisch der Luthergemeinde gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Helferkreis Asyl Worms e.V., Koordinierungs- und Fachstelle Demokratie leben! u.a.) zu einer Gegendemonstration auf:
„Wir respektieren die Trauer um die Verstorbenen der Bombardierung in den Endjahren des Krieges. Deswegen darf die Erinnerung an die Toten von Rechtsextremisten nicht dafür instrumentalisiert werden, im Sinne einer völkischen Ideologie, eine Opferrolle der Deutschen zu propagieren. Dass die Neonazis nicht an einer historischen Aufarbeitung oder an einem respektvollen Trauern interessiert sind, zeigt sich an dem Tweet eines Landesvorsitzenden der RECHTE, in dem er bei der Einladung zur Veranstaltung vom ,,Bomben-Holocaust“ spricht. Wir positionieren uns klar gegen diese Verharmlosung des Holocausts und des NS-Regimes in einer Täter-Opfer-Umkehr. Die Nationalsozialisten waren Täter, sie starteten Bombardierungen, töteten systematisch Millionen von Menschen in einer bis heute einzigartigen Dimension und hielten bis zum bitteren Ende an ihrer Ideologie des „totalen Krieges“ fest.“
KEINE BESONDEREN VORKOMMNISSE
Als es am 20. Februar zu der besagten Kundgebung kam, fanden sich am Wormser Hauptbahnhof knapp zehn Leute von der Partei „Die Rechte“ und der „Kameradschaft Rheinhessen“ ein, streng bewacht von der Polizei. Derweil standen ihnen gegenüber knapp 200 Gegendemonstranten, die mit Trillerpfeifen deren Reden übertönten und dank ihrer Anwesenheit letztendlich dafür sorgten, dass den Rechten ihr geplanter Marsch zum Ludwigsplatz untersagt wurde. Diesmal waren hauptsächlich einheimische Gegendemonstranten der verschiedenen Organisationen und Parteien vor Ort, beim letzten Nazitreffen am 6. Juni 2019 waren Gegendemonstranten aus dem gesamten Rhein-Neckar-Gebiet angereist und es herrschte Ausnahmezustand in Worms. Knapp 500 Mitglieder der linken Szene lieferten sich an diesem Tag in der Innenstadt die üblichen Scharmützel mit der in Hundertschaften vertretenen Polizei und sorgten für einen Einsatz, der Hundertausende an Steuergeldern verschlungen hat. Von daher lautete die wichtigste Nachricht diesmal: Am Abend des 20. Februar 2021 blieb alles ruhig und auch die Arbeit der Polizei durfte unter „Routineeinsatz“ abgehakt werden.
WIE VERHÄLT MAN SICH „RICHTIG“?
So sehr ich den Ansatz vieler Alt-68er, sich den Nazis grundsätzlich entgegen zu stellen, durchaus nachvollziehen kann, stelle ich mir oft die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn man diesen Leuten überhaupt keine Beachtung schenkt. Man sollte sich vielmehr die Frage stellen: Warum treffen sich diese Ewiggestrigen zu einer Kundgebung? Doch in erster Linie, um Aufmerksamkeit zu generieren, was aber nur gelingt, wenn sie auf eine Gegenöffentlichkeit treffen. Man stelle sich deshalb mal folgende Szenerie vor: Wenn die zehn Hansel mit dem Zug in Worms ankommen, finden sie einen menschenleeren Bahnhofsvorplatz vor. Ab und zu läuft ein Fußgänger vorbei, bleibt kurz stehen, schüttelt den Kopf und läuft desinteressiert weiter. Nicht einmal die nach Themen dürstende Lokalpresse ist vor Ort, um etwas über diese unspektakuläre Demo von einer Handvoll Leute zu schreiben. Denn erst wenn genügend „Gegner“ vor Ort sind, die Polizei – notgedrungen – massive Präsenz zeigt und die Presse ausgiebig darüber berichtet, erzielen zehn Leute mehr Aufmerksamkeit als weitaus größere Gruppen, die sich zu einer Demonstration treffen; von den Kosten für die Polizeieinsätze gleich ganz zu schweigen. Für wesentlich wichtiger halte ich es, dass man im Alltag Zivilcourage zeigt und eine klare Position bezieht. In der Schule, im Supermarkt, beim Bäcker – dort, wo der Alltagsrassismus mitunter unwidersprochen grassiert und wo man das Übel an der Wurzel packen kann.