So lief es bisher bei der EURO 2020
Die ganz großen Überraschungen sind in der Vorrunde der EURO 2020 ausgeblieben. Die favorisierten Teams konnten sich – mal mehr, mal weniger mühevoll – letztendlich durchsetzen. Unabhängig vom sportlichen Verlauf der Europameisterschaft war es vor allem eine Szene, die den Zuschauern in Erinnerung bleiben wird.
Die Fußball-Europameisterschaft war noch keine zwei Tage alt, da erlebte man einen Schockmoment, als der dänische Spieler Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland Ende der ersten Halbzeit plötzlich kollabierte. In der Folge musste Eriksen von Ärzten auf dem Spielfeld vor 20.000 Zuschauern in Kopenhagen und Millionen Fernsehzuschauern wiederbelebt werden. Die schockierenden Bilder würden kein Fußballspiel mehr zulassen, darin waren sich fast alle Beteiligten einig – außer der UEFA. Und deshalb ging es nach einer Unterbrechung weiter, schockierte Dänen mussten weiterspielen und verloren 0:1 gegen den Außenseiter Finnland. So lautete die beste Nachricht des Abends, dass es dem 29-Jährigen Eriksen kurz danach schon wieder besser ging, jedoch bekommt er einen Defibrillator implantiert. Immerhin schaffte der Fußballgott späte sportliche Gerechtigkeit, als er die Dänen nach ihren beiden Niederlagen gegen Finnland (0:1) und Belgien (1:2) durch einen fulminanten 4:1-Sieg gegen Russland doch noch ins Achtelfinale einziehen ließ. Ansonsten ist die EURO 2020 vor allem eine EM der Eigentore. Bereits in der Vorrunde zählte die UEFA acht Eigentore. Das ist absoluter Rekord, denn bei allen bisherigen EM-Turnieren seit 1960 gab es erst neun Eigentore. Prominentes deutsches Opfer war im Auftaktspiel gegen Frankreich Mats Hummels, der für den einzigen Treffer des Spiels sorgte. Dafür profitierte Deutschland beim 4:2-Sieg gegen Portugal selbst von zwei Eigentoren durch Rúben Dias und Raphaël Guerreiro.
SO LIEF DIE VORRUNDE:
Gruppe A: Souverän durch die Gruppe marschiert sind die zum Titelfavoriten aufgestiegenen Italiener mit der maximalen Ausbeute von neun Punkten und 7:0 Toren. Auch der Zweite Wales und die Schweiz als einer vier besten Gruppendritten erreichten mit je vier Punkten das Halbfinale. Wer sich überrascht zeigt über die Platzierung der Waliser, sollte sich in Erinnerung rufen, dass das Team um Kapitän Gareth Bale bei der letzten EM 2016 sogar bis ins Halbfinale vorgedrungen war, um dann am späteren Europameister Portugal zu scheitern. Die größte Enttäuschung in der Gruppe A war die durchaus mit Ambitionen angetretene Türkei, die mit 0 Punkten und 1:8 Toren sang- und klanglos ausgeschieden ist.
Gruppe B: Belgien gilt als Weltranglisten-Erster als einer der Favoriten auf den Turniersieg und hat mit drei Siegen (7:1 Tore) in der Vorrunde ungefährdet das Achtelfinale erreicht. Hart umkämpft war der zweite Platz in dieser Gruppe, da die restlichen Teams jeweils drei Punkte erzielten. Den Ausschlag für Dänemarks zweiten Platz gab das beste Torverhältnis durch den 4:1-Sieg im letzten Spiel gegen Russland, das als Vierter genauso die Heimreise antreten musste wie die Finnen, die es nicht unter die vier besten Gruppendritten geschafft haben.
Gruppe C: Als drittes Team erreichte die Niederlande in der Vorrunde eine optimale Punkteausbeute bei 8:2 Toren. Auch wenn die Holländer eine der leichtesten Gruppen erwischten, hatten ihre Spiele einen hohen Unterhaltungswert. Mit zwei Siegen gegen Nordmazedonien (3:1) und die Ukraine (1:0) gelangte auch Österreich in die Runde der letzten 16, trotz der 0:2-Niederlage gegen Gruppensieger Holland. Glück hatte die Ukraine, die mit den drei Punkten aus ihrem einzigen Sieg gegen Nordmazedonien (2:1) als viertbester Gruppendritter gerade so noch das Achtelfinale erreichte. Chancenlos war Nordmazedonien, das bei seiner ersten EM-Teilnahme mit 0 Punkten und 2:8 Toren ausschied.
Gruppe D: Dem Team von Gareth Southgate genügten zwei Treffer von Sterling, um die Gruppe D zu gewinnen – ein Novum in der EM-Geschichte. Nur die bereits ausgeschiedenen Finnland, Schottland und die Türkei verzeichneten bei dieser EURO Vorrunde noch weniger Tore als England. Im Gegenzug musste Torwart Jordan Pickford in drei Spielen auch nur vier Bälle parieren und blieb als einziger Keeper in der Vorrunde zu Null. Ebenfalls für die nächste Runde qualifizierten sich Kroatien (2.) und Tschechien (3.) mit je vier Punkten. Die wacker kämpfenden Schotten blieben zwar chancenlos, aber immerhin holten die Bravehearts ihren einzigen Punkt gegen den Erzrivalen England (0:0), allerdings bei einem der langweiligsten Spiele der Vorrunde.
Gruppe E: Schwer tat sich Spanien und wurde als favorisiertes Team nur Gruppenzweiter. Obwohl die Spanier in der Vorrunde das Team mit dem meisten Ballbesitz waren, blieben Torchancen in den ersten beiden torlosen Partien gegen Schweden und Polen Mangelware. Erst im letzten Gruppenspiel platzte bei dem Team von Luis Enrique der Knoten. Gruppensieger wurden die Schweden, die nach dem 0:0 zum Auftakt gegen die Spanier ihre nächsten beiden Gruppenspiele gegen die Slowakei (1:0) und gegen Polen (3:2) gewannen. Die Polen um Robert Lewandowski enttäuschten einmal mehr bei einem großen Turnier und schieden mit einem Punkt aus drei Spielen als Gruppenletzter aus. Auch für die Slowakei reichte es nicht fürs Weiterkommen, da es nach dem überraschenden Auft aktsieg gegen Polen (2:1) zwei Niederlagen setzte, darunter die 0:5-Schlappe im letzten Gruppenspiel gegen zuvor torlose Spanier.
UND DIE DEUTSCHEN IN DER GRUPPE F?
In Anbetracht der wohl härtesten Gruppe als Zweiter hinter Weltmeister Frankreich zu landen, ist sicherlich nicht das schlechteste Ergebnis, es zeigt aber nicht, wie eng die ganze Kiste war. Hätte Timo Goretzka nicht in der 84. Minute gegen Ungarn zum 2:2-Ausgleich getroffen, wäre das Team von Jogi Löw als Gruppenletzter nach Hause gefahren und die Parallelen zum WM-Aus 2018 geradezu offensichtlich gewesen. Die drei Gruppenspiele könnte man wie folgt umschreiben: Chancenlos beim 0:1 gegen Weltmeister Frankreich, euphorisierend beim 4:2-Sieg gegen Europameister Portugal und ernüchternd beim knappen 2:2 gegen Nobody Ungarn. Dass man in allen drei Spielen in Rückstand geraten ist, gegen Ungarn sogar zwei Mal, aber nur ein Mal verloren hat, spricht für die Moral, zeigt aber auch, dass die Abstimmung in der Defensive noch nicht stimmt. Fünf Gegentore in drei Spielen sind zu viel, wenn man den Titel gewinnen will. Zwar wurden gleichzeitig auch sechs Tore erzielt, aber das kann man in Anbetracht des dominanten Spielstils auch erwarten. Nur Spanien (68,7 Prozent) hat die Vorrunde mit noch mehr Ballbesitz abgeschlossen als Löws Team (61,3 Prozent). Vom Prinzip ist man nach der Vorrunde genauso schlau wie vor dem Turnier. Die Erkenntnis lautet, dass man an guten Tagen nach wie vor mit der Weltspitze mithalten kann, aber an weniger guten Tagen reicht es nicht einmal zu einem Sieg gegen die Nr. 37 der FIFA-Weltrangliste. Vermisst wird im deutschen Team ein klassischer Mittelstürmer, den man auch mal mit Flanken oder Standards füttern kann, wenn offensiv die Durchschlagskraft fehlt. Ein Thomas Müller ist bei Bayern München nur deshalb so genial, weil er einen Lewandowski vor sich hat, der auf die Ideen des Raumdeuters eingeht. Der letzte echte Neuner im deutschen Nationalteam war 2014 Miroslav Klose. Danach kamen die hängende Neun und andere krude Taktikneuigkeiten und plötzlich hatte Deutschland keinen klassischen Stoßstürmer mehr. Das war bereits bei der WM 2018 der Fall, in diesem Jahr fällt dies erneut negativ auf. Weitere Parallelen zu 2018 sind kaum zu übersehen, da die Schlüsselspieler (Neuer-Hummels-Kimmich-Kroos-Müller) die gleichen geblieben sind, mit Robin Goosens, Kai Havertz und Serge Gnabry sind lediglich drei neue Spieler in die Stammelf dazugestoßen. Der große Unterschied zu 2018 besteht also darin, dass man – dank Goretzka – diesmal dringeblieben ist und nun ab dem Achtelfinale zeigen kann, dass Deutschland eine klassische Turniermannschaft ist, die sich im Laufe eines Turnieres noch steigern kann.
DAS ACHTELFINALE – JETZT GEHT DAS TURNIER ERST RICHTIG LOS…
…oder ist für manche Teams ganz schnell schon wieder vorbei. Zum Beispiel für die Holländer, die mit 0:2 gegen Tschechien die Segel streichen mussten. Keine Mühe hatten die Dänen beim 4:0- Sieg gegen Wales und treffen nun im Viertelfinale auf die Tschechen. Dagegen hatte die Favoriten Belgien und Italien ihre liebe Mühe. Die Belgier quälten sich zu einem 1:0 gegen starke Portugiesen, die Italiener mussten gegen Österreich sogar in die Verlängerung (2:1). Somit treffen mit Belgien und Italien bereits im Viertelfinale zwei Topfavoriten aufeinander. Spanien musste in einem spektakulären Achtelfinale gegen Kroatien in die Verlängerung (5:3 n.V.) und trifft nun auf die Schweiz, die in einer ebenso begeisternden Partie überraschend Weltmeister Frankreich im Elfmeterschießen (8:7 n.E.) ausgeschaltet hat. Das Schlüsselspiel im Achtelfinale war die Partie England gegen Deutschland (Das Spiel fand nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt!!). Der Gewinner des Spiels wird es danach vergleichsweise einfach haben, ins Finale zu gelangen. Während sich in der anderen Spielhälfte die Topfavoriten Belgien, Italien, Frankreich und Spanien gegenseitig ausschalten, wartet auf den Sieger aus England/Deutschland im Viertelfinale Schweden oder die Ukraine, im Halbfinale der Sieger aus Tschechien gegen Dänemark. Auch wenn es ab dem Achtelfinale keine leichten Gegner mehr gibt, sind das doch deutlich günstigere Optionen ins Finale zu gelangen.
Viertelfinale:
FR, 02.07.2021, 18 Uhr: Schweiz – Spanien (VF1)
FR, 02.07.2021, 21 Uhr: Belgien – Italien (VF2)
SA, 03.07.2021, 18 Uhr: Tschechien – Dänemark (VF3)
SA, 03.07.2021, 21 Uhr: Schweden/Ukraine – Deutschland/England (VF4)
Halbfinale:
DI, 06.07.2021, 21 Uhr: VF 1 – VF 2 (HF1)
MI, 07.07.2021, 21 Uhr: VF 3 – VF 4 (HF2)
Finale:
SO, 11.07.2021, 21 Uhr: HF 1 – HF 2