Wo ist nur die Zeit hin? Als wir im März 2005 unsere erste Ausgabe herausbrachten, da hatte sich das nach monatelanger Vorarbeit tatsächlich wie die Geburt eines Babys angefühlt. In den folgenden 18 Jahren haben wir uns unter dem Motto „Politisch-Kritisch-Witzisch“ durch unsere Jugendzeit gekämpft. Eine Zeitlang stand dieser Slogan sogar auf dem Titelblatt und wurde quasi zur Philosophie unseres Magazins.

Politisch

Als wir 2005 angetreten sind, war die Wormser Presselandschaft noch weitaus vielfältiger. Was jedoch fehlte, war eine kritische Presse, die auch ein Sprachrohr für die kleinen Parteien und politisch unzufriedene Bürger sein sollte. Schließlich war Worms, damals wie heute, fest in schwarz-roter Hand und die jahrzehntelange Allianz aus SPD und CDU ließ kaum politischen Widerspruch zu. Und dann war da noch ein Oberbürgermeister Kissel, mit dessen Entscheidungen wir nicht immer einverstanden waren. Rückblickend gesehen hat uns die Dauerfehde mit dem OB gerade in den Anfangsjahren auch eine gewisse Aufmerksamkeit beschert. Allerdings hat uns unser loses Mundwerk auch sehr viel Geld gekostet, wobei es überwiegend Sozialdemokraten waren, die anwaltlich gegen uns vorgingen (Ausnahmen, wie Kosu, bestätigen die Regel). Wie beispielsweise im WO! April 2017 der Titel „Der heilige St. Martin ist in Worms erschienen“, der sich auf den Besuch des sich im Umfragehoch befindlichen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz bezog, der im Wormser Mozartsaal von seinen Parteigenossen wie ein Messias gefeiert wurde. In den Folgemonaten stürzte der große Hoffnungsträger jedoch wie einst Ikarus krachend auf die Erde und musste sich bei der Bundestagswahl deutlich gegenüber Angela Merkel (CDU) geschlagen geben. Dass diese Ausgabe verspätet erschienen war, hatte aber einen ganz anderen Grund. Zur gleichen Zeit wie Schulz‘ Besuch in Worms war uns, wie anderen Zeitungen auch, ein anonymes Dossier mit Anschuldigungen über den Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Worms, Marcus Held, zugespielt worden. Angefüttert mit eigenen Recherchen sollte hierzu ein Artikel erscheinen, als uns ein Schreiben seines Anwalts erreichte. Etwas eingeschüchtert haben wir den Druck seinerzeit freiwillig gestoppt, viel Geld dafür bezahlt und mussten uns anschließend auf der Titelseite des Nibelungenkurier fälschlicherweise nachsagen lassen, dass man unsere neue Ausgabe mittels einer gerichtlichen Unterlassungsklage gestoppt hätte (Hinweis: Wir haben uns aber deswegen nicht bei unserem Anwalt ausgeheult und gegen den Mitbewerber geklagt…) Tatsächlich mussten wir in den nächsten Monaten feststellen, dass die Vorwürfe gegen- über Held keineswegs aus der Luft gegriffen waren. Dies gipfelte schließlich in der Ausgabe „Der Held von Oppenheim“ (WO! März 2018), denn das Landgericht verurteilte Held wegen vier Fällen der Bestechlichkeit und in zwölf Fällen der Untreue zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Neben der Affäre Held war 2018 insgesamt ein politisch lebhaftes Jahr, denn in diesem Jahr wären wir beinahe Oberbürgermeister geworden. Der Siegeszug des unabhängigen Kandidaten Peter Englert begann mit einem Interview im WO! September 2018 „Alla gut, ich mach‘s“. Gewonnen hat die OB-Wahl jedoch ein anderer, aber nicht der, mit dem man gerechnet hatte. Adolf Kessel (CDU) wurde neuer OB, löste nach 16 Jahren Amtszeit Michael Kissel (SPD) ab und es kam im Juli 2019 erstmals in unserer Verlagsgeschichte zu einem „Wechsel im Rathaus“ (WO! Juli 2019). Seitdem ist es politisch deutlich unspektakulärer in der Stadt geworden. Während der alte OB immer mal wieder für eine Schlagzeile gut war, ist sein Nachfolger Kessel ein introvertierter Handwerker, der die Stadt mit ruhiger Hand führt. Manchen ist das allerdings etwas zu ruhig.

 

Kritisch

Natürlich waren es die großen Streitthemen, die uns die größte Aufmerksamkeit bescherten. Im WO! Oktober 2005 titelten wir „Hallebad is zu“ und kritisierten die politische Entscheidung zur Schließung des Kerschensteiner Bades. Auch aus heutiger Sicht war dies eine Fehlentscheidung, denn in den folgenden Jahren sollten die Wormser Schüler vor allem eines haben: ein massives Schwimmbadproblem. Apropos Schwimmbad. Der Streit um die Entlassung der Wormser Schwimmbadkassiererinnen wegen Unterhaltung einer Kaffeekasse, der erstmals in unserem Magazin thematisiert wurde, bescherte uns bundesweite Aufmerksamkeit und gipfelte in der Ausgabe „Wüste Zeiten“ (WO! Dezember 2009). Der Titel „Herr, vergib Ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ (WO! Februar 2013), auf dem eine Grafik von dem geplanten „Haus am Dom“ abgebildet war, schoss in den Sozialen Medien durch die Decke und wurde zigtausend Male geteilt. Binnen kürzester Zeit formierte sich eine breite Front gegen den geplanten Bau, aber die 17.000 gesammelten Unterschriften der Bürger konnten das „Haus am Dom“ nicht verhindern. Dagegen ereilte das geplante Gewerbegebiet „Am hohen Stein“ das vorzeitige Aus aufgrund eines seltenen Feldhamsters, der das Bauvorhaben zur Strecke brachte. Auf dem Titel des WO! Oktober 2013 war deshalb ein Feldhamster abgebildet mit einem Schild: „Wo geht’s hier zum Haus am Dom?“ Das Schöne an einer kritischen Berichterstattung ist, dass wir wenigstens ab und zu das Gefühl haben, dass man sich unsere Kritik zu Herzen nimmt. Kritik sollte immer konstruktiv sein (das ist uns vielleicht nicht immer gelungen…) und zu einer Problemlösung führen. Gleichwohl sollte man sich drüber im Klaren sein, dass ein kontroverser Artikel gewiss nicht nur auf Zustimmung stößt. Das ist aber okay, solange daraus ein gesunder Dialog entsteht, an dessen Ende bestenfalls eine zufriedenstellende Lösung entsteht. Seit der Corona Pandemie und dem Ukraine-Krieg hat sich dieser Dialog massiv verändert und es scheint medial nur noch Schwarz und Weiß zu geben. Heutzutage trifft Meinung A auf Meinung B und entweder schließt man sich Meinung A an oder man gehört nicht mehr dazu. Diese Entwicklung ist bedenklich. Werden auch wir des- halb unkritischer? Nein, denn es sollte für Macher einer Zeitung oder eines Magazins vordingliche Aufgabe sein, kritisch zu sein, Denkanstöße zu liefern und die Gesellschaft wach zu halten.

Witzisch

Schon seit der ersten Ausgabe war es uns wichtig, das Ganze auch ein bisschen mit Humor anzugehen. Den Job, den in den ersten Jahren Friedrich und Heribert Fintenstein verrichteten, haben heute Jim Walker jr. und Dr. Bert Bims übernommen. Heribert Fintenstein hatte in der Ausgabe WO! MAI 2005 in der Rubrik „Neues aus der Gerüchteküche“ die Geschichte von einem Dönerflächendeckungsgesetz der Stadt Worms erfunden, wonach nur alle 150 Meter ein neuer Dönerladen eröffnet werden dürfe. Während manche Leser dies für bare Münze hielten, hat die Politik leider nicht auf uns gehört. Mit einem vor 18 Jahren eingeführten Dönerflächendeckungsgesetz hätte man dafür gesorgt, dass heute in der Innenstadt nicht alle zehn Meter ein Dönerladen zu finden ist. Aber zugegebenermaßen ist es gar nicht so einfach, jeden Monat lustig zu sein. Vor allem in Corona-Zeiten war es ziemlich schwer, sich seinen Humor zu bewahren. Bei den witzigsten Ge- schichten in unserer Jugendzeit war auch einfach Zufall mit im Spiel, woraus sich dann eine Eigendynamik entwickelt hat. Als der scheidende Gitarrist der Döftels, John Evangelium alias Marlon Kraus, in einem WO! Interview seinen Bandausstieg scherzhaft damit begründete, dass er ein One-Way-Ticket für ein Mars-One-Projekt gebucht hätte, brachte ihm dies in der Folge Interviews mit dem Mannheimer Morgen und Radio Regenbogen ein, die mehr über die anstehende Mars-Expedition wissen wollten. Erst in der Ausgabe WO! Februar 2015 wurde die Geschichte des falschen Astronauten als „Der große Schwindel des Marlon K.“ aufgelöst. Dass im WO! Oktober 2017 eine Hantel auf dem Titel abgebildet war, hatte einen bestimmten Grund, war doch kurz zuvor ein Wormser in der Notaufnahme des Klinikums erschienen, da sein bestes Stück in dem Loch einer Hantel gefangen war. Ungefähr zur gleichen Zeit hatten ein paar Scherzkekse ein Infoterminal der Stadt Worms geknackt und eine Nacht lang einen Porno- film ablaufen lassen. Auch wenn beide Fälle bundesweit für Aufsehen sorgten, sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass wir damit NICHTS zu tun hatten. Dann gab es da noch die Geschichte von der Terence Hill Brücke, die jeder Wormser, der in den letzten fünf Jahren nicht gerade auf dem Mond gelebt hat, bestens kennt. Auch das begann mit einem harmlosen Scherz, an dessen Ende der Weltstar Terence Hill tatsächlich nach Worms kam, um „seine“ Brücke einzuweihen, die dann doch Karl-Kübel-Brücke heißen sollte („Sorry Terence“, WO! JULI 2018). Außerdem haben wir es uns kurz vor unserer Volljährigkeit in der letzten Ausgabe („Helau“, WO! Februar 2023) nicht nehmen lassen, unseren OB zur Fastnacht 2023 zum Rapper „Das Phantom“ zu machen. Auch wenn wir jetzt erwachsen sind, steht zu befürchten, dass nicht der letzte infantile Schabernack war, den wir uns erlauben werden…

Covermotive

Seit nunmehr 207 Ausgaben in 18 Jahren lässt die Frage nach einem Titelmotiv redaktionsintern die Köpfe qualmen. Zumeist ist das Tuning am Cover buchstäblich die letzte Arbeit, die es vor Druckabgabe zu verrichten gilt. Dabei sind unvergessliche Titelbilder entstanden, auf die wir heute noch von Lesern angesprochen werden. Zum Beispiel auf „Das gallische Dorf“ (WO! März 2012), als wir uns in Anbetracht von vier Mitbewerbern als das unbeugsame Dorf aus Asterix und Obelix inszenierten. Heute gibt es zwei Mitbewerber schon gar nicht mehr, aber die Unbeugsamen sind geblieben. Und Carlo Riva nennt uns auch heute noch „das gallische Dorf“. In der Ausgabe WO! August 2012 war Wormatia-Trainer Ronny Borchers auf dem Titel mit einem Heiligen- schein und dem Claim „Du bist auserkoren, Hertha zu bezwingen“ ab- gebildet. Das wirkte Wunder, die Wormatia warf anschließend Hertha BSC Berlin sensationell mit 2:1 aus dem DFB-Pokal. Noch besser kam der Titel „Das große Fressen“ (WO! September 2012) bei den Lesern an, auf dem ein Wormatia-Drache auch den Kölner Geißbock verschlingt. Leider endete der Siegeszug der Wormatia nach einem dramatischen Elfmeterschießen gegen den 1. FC Köln und Erfolgstrainer Ronny Borchers musste drei Monate später seine Koffer packen. Bei der im selben Jahr Online durchgeführten Abstimmung zum WO! Co- ver des Jahres 2012“ landeten die beiden Wormatia-Titelbilder nur auf den Plätzen 2 und 3. Mit haushohem Vorsprung gewann Oberbürgermeister Kissel als „OB, der Baumeister“ (WO! Oktober 2012) seinerzeit die Abstimmung mit fast 50% der Stimmen. Welch Traumquote für einen Politiker!! Derweil durfte sein Nachfolger Adolf Kessel im WO! März 2021 im Supermann-Kostüm auftreten: „Kessel rettet die Innenstadt“. Es gab aber auch Covermotive, die überhaupt nicht gut ankamen. In unserer Anfangszeit gab es die Ausgabe „Nackte Tatsachen“ (WO! Oktober 2006), in der wir inhaltlich auf eine missglückte (sexistische) „Frischfleisch“ Werbekampagne der Metzgerinnung eingegangen waren. Auf dem Titel war ein Hähnchen mit Tanga abgebildet. Keine Sorge, dafür musste kein Tier sterben oder leiden, denn Photoshop zum Zusammenfügen von zwei Bildern gab es auch schon im Jahr 2006. Während die Manipulation von Bildern heute in den Sozialen Medien gang und gebe ist, war dies vor 17 Jahren tatsächlich noch etwas Neues und Ungewohntes. Sechs Jahre später wurde auch Oberbürgermeister Kissel Opfer von Photoshop, als wir ihn nach seiner knappen Wiederwahl unter dem Titel „So sehn Sieger aus“ (WO! Mai 2011) mit blauem Auge und ein paar Schrammen abbildeten. Was jedoch seiner- zeit als „treffend“ und „lustig“ kommentiert wurde, ging knapp zehn Jahre später in die Hose. Als wir Jan Metzler nach seiner knappen Wiederwahl in der Ausgabe „Unser Mann für Berlin“ (WO! Oktober 2021) etwas zu martialisch ramponierten, fanden das einige Leser gar nicht witzig, während Metzler selbst entspannt reagierte: „Aja, des is halt es WO!“ Aber „unser Jan“ ist auch einfach eine coole Socke.

Titelhelden

Am häufigsten war ein Motiv der Nibelungen Festspiele auf unserem Cover (19 Mal). Bekanntlich wird bei der Burgunder-Sippe jedes Jahr aufs Neue gestritten, ob vor oder hinter den Kulissen, was dafür sorgte, dass das Thema „Nibelungen“ im Schnitt knapp einmal pro Jahr ein Titelthema abwarf. Gefolgt von Wormatia Worms, denn der Traditionsverein landete 14 Mal auf unserem Cover. Obwohl im Verlag nur ein waschechter Wormatia Fan sitzt, ist das eine beachtliche Zahl. Aber der ist halt nun mal der Chef, der gegen extreme interne Widerstände immer mal wieder ein Wormatia-Cover durchboxt. Was Einzelpersonen angeht, so liegt unser ehemaliger Oberbürgermeister Michael Kissel weiterhin unangefochten auf dem ersten Platz. Aber der war auch in 14 Jahren „unserer Amtszeit“ Oberbürgermeister der Stadt Worms. Mit 17 Titelbildern landete Kissel bis zum Ende seiner Amtszeit statistisch gesehen auf jedem zehnten WO! Cover. Sein Nachfolger Adolf Kessel hat es seit seiner Wahl zum Oberbürgermeister in 53 möglichen Ausgaben immerhin schon zehn Mal auf einen WO! Titel geschafft. Das ist eine deutlich bessere Quote als bei Kissel. Im Übrigen war jeder unserer Mitarbeiter schon mindestens einmal auf einem Titelbild, unser Verlagschef hat sich sogar drei Mal in 18 Jahren aufs Cover geschmuggelt. Spitzenreiter ist aber der Promi in unserer Redaktion, Peter Englert, denn der war insgesamt schon fünf Mal auf einem WO! Titel. Unser Beinahe-Oberbürgermeister ist aber auch einfach fotogener als alle anderen.

Text: Frank Fischer

18 Jahre WO! – Eine Galerie