Ihr Offener Brief zum geplanten Hospiz im Hochstift

Sehr geehrter Herr Dr. Kern

Mit Datum vom 9. April haben Sie „als Internist und Palliativmediziner mit langjähriger Erfahrung“, wie Sie schreiben und mit dem Briefkopf des Rheinhessen-Hospiz e.V. und damit wohl auch implizit in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Vereins einen Offenen Brief an Herrn Caritasdirektor Diederich geschrieben, und offenbar auch der Presse übergeben, auf den wir bewusst gemeinsam als Träger der Ökumenischen Hospizhilfe Worms direkt antworten möchten. Zunächst: In Ihrer Funktion als Vorsitzender des Rheinhessen-Hospiz e.V. wissen Sie sehr genau, dass die Initiative für den Standort Hochstift für ein stationäre Hospiz in Worms nicht vom Caritasverband und seinem Vorstand ausgeht, sondern wesentlich von der Ökumenischen Hospizhilfe, die getragen wird vom evangelischen Dekanat, dem katholischen Dekanat, dem Caritasverband Worms e.V. und der Diakonie Rheinhessen. Da es ja auch schon einige Gespräche gab, an denen Sie auch teilgenommen haben, ist Ihnen das sicher nicht verborgen geblieben. Wenn Sie nun Ihren „Offenen Brief“ ausdrücklich nur an Herrn Diederich adressieren, hat das ein wenig den Beigeschmack, als ob Sie die Trägergemeinschaft und die für ein Hospiz im Hochstift Engagierten an dieser Stelle spalten oder auseinanderdividieren wollten. Das ist kein guter Stil. Zumal Sie auch wissen, dass schon sehr früh aus unterschiedlichen Bereichen der Standort Hochstift für ein stationäres Hospiz ins Gespräch gebracht wurde, etwa vom Förderverein „Unser Hochstift braucht Freunde e.V.“, von der Landtagsabgeordneten Frau Anklam-Trapp oder vom Oberbürgermeister Kissel, diversen Standratsfraktionen und anderen, sowie etwa jüngst auch dem Seniorenbeirat der Stadt Worms.

ANTWORTSCHREIBEN AUF DEN ÖFFENTLICHEN BRIEF

Wir sind uns bewusst, dass Sie sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich für Palliativversorgung und den Hospizgedanken engagieren und bereits vor vielen Jahren im Alzeyer Krankenhaus die Palliativstation erreichen konnten. Deshalb haben wir auch keinerlei Zweifel, dass es Ihnen bei all Ihrem Engagement um die Sache und die Menschen auf ihrer letzten Lebensetappe geht und dass Ihnen das wirklich eine Herzensangelegenheit ist. Umso mehr wundert es uns, wie sehr Sie sie sich nun offenbar auf den Standort Eppelsheim festgelegt haben, der in unserer Wahrnehmung so viele offenkundige Nachteile gegenüber einem Standort im Innenstadtbereich von Worms und konkret im Gebäudeteil A des ehemaligen Hochstiftes mit sich bringt. Nun können wir uns allesamt nicht wie Sie auf Erfahrungen als Palliativmediziner stützen, wohl aber auf sehr viel gesammelte Erfahrung im Bereich ambulanter Hospizarbeit, im Bereich von Pflege und nicht zuletzt auf langjährige Erfahrung als Seelsorger in der Begleitung von Sterbenden und Trauernden und deren Angehörigen.

Kein Zweifel: für die Gestaltung eines Hospizes, aber auch schon für die Standortwahl, sollten die Bedürfnisse der Bewohner eines Hospizes an erster Stelle stehen, neben den Anforderungen für gute Arbeitsbedingungen für die Pflegenden und nicht zuletzt auch ein gutes Umfeld für die Angehörigen. Aus diesen Gründen postulieren Sie fast apodiktisch, dass ein Hospiz nur funktionieren könne, wenn die Zimmer für die Bewohner auf einer Ebene liegen. Das mag manches erleichtern und sicher prinzipiell durchaus wünschenswert sein, aber hierin das Hauptargument gegen einen Standort Hochstift zu sehen, halten wir doch für erheblich übertrieben. Dieselben Anforderungen könnte man dann mit gutem Recht für jedes Klinikum und erst Recht jedes Alten- und Pflegeheim stellen. Gerade bei letzteren ist leider der Personalschlüssel um ein Vielfaches schlechter als in einem stationären Hospiz, trotzdem beweisen viele gute Pflegeheime mit ihrem Personal Tag für Tag, dass auch eine sehr gute, menschenzugewandte und fürsorgliche Pflege möglich ist, wenn die Patientenzimmer über mehrere Stockwerke liegen. Für ein Hospiz gilt darüber hinaus, dass der Personalschlüssel so ist, dass auf beiden Stockwerken immer Personal vor Ort sein kann, so dass eben nicht eine Nachtschwester für 2 Etagen und 12 Hospizgäste zuständig sein wird, so dass sich die von Ihnen geschilderte Problematik gar nicht stellen kann. Dass auch über zwei Etagen eine Zusammenarbeit gut möglich ist, ist letztlich eine Frage einer guten Organisation – und, wie Sie selbst sagen, vor allem eine Frage der Einstellung, Hingabe, Empathie und Liebe der Pflegenden.

Ein zweites Argument wirkt auf uns – entschuldigen Sie, wenn wir es so deutlich sagen – nun doch ziemlich konstruiert: der Wind, in dem sie in den oberen Stockwerken des Hochstiftes ein Problem zu erkennen glauben. Ja, keine Frage, dass geschwächte Patienten hier empfindlich sind. Aber auch hier sind ohne Probleme bauliche Maßnahmen denkbar, die dennoch auf der Dachterrasse wie auf den Balkonen eine gut verträgliche, windgeschützte Situation schaffen. Der Blick aus den Zimmern ins Grüne, auf Dom, Andreasstift und die Silhouette von Worms bleibt selbst, wenn aus medizinischer Sicht ein Aufenthalt im Freien nicht geraten scheint, hier dennoch ein großes Plus. An diesem Punkt muss dann umgekehrt allerdings auch die Frage erlaubt sein, wie Sie das „Windproblem“ bei einem Standort Eppelsheim lösen wollen?

Das Grundstück liegt auf einer freien Ackerfläche, ein Windschutz etwa durch eine dichte Bepflanzung ist hier momentan wenigstens weit und breit nicht gegeben. Das Grundstück liegt unmittelbar an der Autobahn und der Bahnlinie. Neben der ungeschützten und daher eben auch zugigen Lage besteht hier auch ein erhebliches Lärmproblem: ohne massiven Lärmschutz ist hier kaum eine den Bewohnern eines Hospizes zumutbare Umgebung zu schaffen. Massive Lärmschutzwälle an dieser Stelle stellen aber das vom  Rheinhessen-Hospiz e.V. propagierte Konzept vom „Hospiz im Grünen“ doch sehr in Frage: es bekommt dann fast einen bunkerartigen Charakter, wenn ich das Gelände mit Lärmschutzwänden zur Autobahn (und zum Dorf Eppelsheim, das ja jenseits von Autobahn und Bahn liegt) abschotten muss. Und um Windschutz herzustellen, müsste regelrecht aufgeforstet und begrünt werden ein Projekt für viele Jahre wenn nicht Jahrzehnte, bis die Bepflanzung wirklich einen windschützenden Charakter hätte.

Gänzlich beruhigen können  wir Sie im Hinblick auf lange Aufzugsfahrten zur Materialbeschaffung bis in den Keller. Die derzeitige Planung, die freilich erst eine erste Vorplanung ist, zeigt bereits, dass genug Raum und Lagerkapazität im Bereich des geplanten Hospizes ist. Hier können die Hinweise aus Ihrer Erfahrung auch in der weiteren Planung noch ohne Probleme beherzigt werden und so sicher manches auch noch optimiert werden.

Ihr letztes Argument freilich können wir nicht ohne weiteres Entkräften. Ja, es kann sein und ist nicht auszuschließen, dass die nicht vom Hospiz genutzten Gebäudekomplexe umgebaut oder abgerissen und an dieser Stelle einmal neu gebaut werden wird. Und dann für längere Zeit eine große Baustelle in unmittelbarer Nachbarschaft sein könnte. Dass eine solche Baustelle im unmittelbaren Umfeld nicht schön ist, ist unbestritten. Auch, dass gerade Sterbende und ihre Angehörigen Ruhe brauchen. Es wurde aber im Blick auf den Standort Eppelsheim auch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass gerade dieser Standort genau das auch nicht bieten kann: einen ruhigen Ort. Denn während eine Baustelle, wie umfangreich sie sein mag, irgendwann abgeschlossen ist, ist es der Lärm der Autobahn nie – nicht einmal nachts, an sieben Tagen in der Woche. Der Bahnlärm wirkt hier vielleicht sogar noch viel massiver, da er nicht, wie der Autobahnlärm, einen permanenten Dauerton ausmacht.

Wie man sich, wenn gerade die Ruhe für Sie ein so entscheidender Faktor ist, für den Bau eines Hospizes ausgerechnet auf dem in Eppelsheim geplanten Grundstück einsetzen kann, will sich uns nicht recht erschließen. Man kann im Grunde nur jedem empfehlen, sich einmal tagsüber vor Ort das Grundstück anzuschauen, um sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Eine weitere kritische Anfrage an den Standort Eppelsheim aus der Perspektive des Seelsorgers sei noch erlaubt. Auch wenn nach Ihrem Kriterienkatalog die begleitenden Angehörigen erst an dritter Stelle stehen, möchten wir darauf die Aufmerksamkeit lenken. Gerade in einem Hospiz gelingt die Begleitung umso besser, je mehr auch den Angehörigen ein möglichst optimales Umfeld für eine gute Begleitung Ihrer Angehörigen geboten werden kann. Das sehen wir in Eppelsheim nicht.

Hier entstünde ein Hospiz auf der grünen Wiese, fast wie ein Gewerbegebiet außerhalb des Ortes, gut 15 Fußminuten vom Dorfkern Eppelsheim entfernt. Eppelsheim bietet für die Angehörigen kaum eine Infrastruktur. Hier bietet ein Hospiz in der Stadtmitte von Worms dagegen viele Möglichkeiten: Angehörige können auch einmal für eine Stunde in die Stadt gehen, finden hier in unmittelbarer Nähe Cafés, Gasthäuser, Einkaufsmöglichkeiten. Auch Patienten, die in der Anfangsphase vielleicht mit einem Rollstuhl noch mobiler sind, können von den Angehörigen ohne Probleme zu einem Spaziergang mit an vertraute Orte genommen werden: Stadtmauerring, Andreasstift, Dom. Der Stadtmauerring und Luginsland bieten unmittelbar am Hochstift Spaziergangsmöglichkeiten im Grünen. Alles Chancen, die in Eppelsheim so nicht gegeben sind. Und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist für Angehörige sicher auch ein nicht zu unterschätzendes Plus.

Sehr geehrter Herr Dr. Kern, wir verkennen nicht, dass der Standort Hochstift neben vielen Vorteilen auch die eine oder andere Herausforderung oder gar Nachteile bietet. Die gilt es jeweils gegeneinander abzuwägen und so gut als möglich durch bauliche und / oder organisatorische Maßnahmen auszugleichen. Aber alles wohl abwägend sehen wir nach wie vor erheblich stärkere Argumente für einen Standort in der Wormser Innenstadt und ganz konkret für den Standort Hochstift gegenüber dem von Ihrem Verein mit Leidenschaft propagierten Standort Eppelsheim. Bereits mehrfach hatten wir als Träger der Ökumenischen Hospizhilfe Worms dem Vorstand des Rheinhessen-Hospiz e.V. die Zusammenarbeit mit dem Ziel der Verwirklichung eines gemeinsamen stationären Hospizes in Worms  angeboten. Bislang haben Sie das abgelehnt. Nach wie vor sind wir offen dafür und dankbar und jederzeit zum Gespräch bereit, insbesondere, wo Ihre Erfahrung hilft, in der weiteren Planung am Standort Hochstift möglichst optimale Voraussetzungen zu schaffen. In jedem Fall aber wären nach unserer Einschätzung im Sinne unseres gemeinsamen Anliegens, in Rheinhessen zeitnah ein stationäres Hospiz zu schaffen, direkte Gespräche hilfreicher als offene Briefe.

Mit freundlichen Grüßen

Dekan Harald Storch, Evangelisches Dekanat Worms-Wonnegau

Klaus Engelberty, Diakonie Rheinhessen

Georg Diederich, Caritasverband Worms e.V.

Tobias Schäfer, Kath. Dekanat Worms,