Wenn ein beliebter Wormser Eisverkäufer sein Geschäft erweitern will, ist das ein prima Thema für Parteien und Politiker, sich bei ihren Wählern zu profilieren. Denn selten war die Zustimmung in der Bevölkerung zu einem Bauprojekt derart einhellig. Die Frage ist nur, warum für „Eis Vannini“ andere Regeln gelten sollen?

Pietro Vannini ist Unternehmer. Ohne Frage. Denn wie das Wort schon impliziert, zeichnen sich diese in erster Linie dadurch aus, dass sie etwas „unternehmen“ wollen. Und nicht warten. Als Vannini nun sein Geschäft erweitern wollte, da ging es ihm nicht schnell genug, weil Amtsschimmel besonders langsam wiehern. Wobei man die politischen Verantwortlichen in diesem Fall sogar in Schutz nehmen muss, denn so lange musste der Unternehmer gar nicht warten. Zwar dauern, laut Stadtchef Michael Kissel, die Gespräche mit Vannini schon knapp vier Jahre an, aber richtig konkret wurde es erst im Oktober 2014. Seinerzeit präsentierte der Eisverkäufer seine Umbaupläne, die vorsehen, dass sein am Marktplatz angesiedelter „Eiskiosk“ aufgestockt und ganzjährig betrieben werden soll. Außerdem möchte er zukünftig nicht nur Eis verkaufen, sondern auch eine Konditorei mit Kuchenverkauf dazu nehmen. Im Obergeschoss soll ein gemütlicher Sitzgruppenbereich mit Cafebetrieb entstehen. Wie Baudezernent Uwe Franz gegenüber der Wormser Zeitung erklärte, ähnelt der quaderförmige Bau einem großen, modernen Messestand, die weiß bis beige gehaltene Fassade sei sehr transparent. Um sich die Dimensionen vor Augen zu führen: Auf der Fläche, wo jetzt noch Grünpflanzen und die Außenbestuhlung von Eis Vannini sind, soll zukünftig sein zweistöckiges Eiscafe stehen. Soweit also die ersten Pläne, die bei den politischen Gremien eine prinzipielle Zustimmung fanden, auch wenn man durchblicken ließ, dass es hinsichtlich Größe und baulicher Ausgestaltung noch Gesprächsbedarf gebe. Tatsächlich präsentierte Vannini dann im Frühjahr 2015 einen völlig neuen Entwurf. Ob dieser die Zustimmung des Bauausschusses finden würde, sollte in der Sitzung vom 7. Mai 2015 geklärt werden. Was danach folgte, dürfte ein einmaliger Vorgang in der jüngsten politischen Geschichte der Stadt sein, denn noch bevor der Bauausschuss der Stadt Worms überhaupt getagt hatte, gaben die Vertreter der beiden großen Parteien im Wormser Stadtrat eine Presseerklärung heraus, in der sie sich zu Vanninis Bauplänen äußerten. So erklärten Timo Horst (SPD) und Dr. Klaus Karlin (CDU) übereinstimmend, dass man Vanninis Wunsch nach einem ganzjährig betriebenen Café grundsätzlich unterstützen würde, jedoch müsse an diesem zentralen Platz in der Stadt ein „hohes Maß an gestalterischer Qualität“ sichergestellt werden, was mit dem vorgelegten Entwurf noch nicht ganz gelungen sei. Von daher sei es notwendig, dass sich Vannini und Verwaltung noch einmal zusammensetzen, um den Entwurf zu modifizieren.

Vannini reagiert verärgert

Der erfolgreiche Eisverkäufer wollte sich damit jedoch nicht abfinden und zeigte sich sehr verärgert über die neuerliche Ablehnung, die ja eigentlich eher ein Wunsch nach Modifizierung war. Via Pressemitteilung ließ Vannini verbreiten, dass er gerne dem Wunsch zahlreicher Bürger nachgekommen sei, den Marktplatz mit einem Ganzjahresbetrieb noch attraktiver zu machen. Nachdem er schon viele Entwürfe bei der Stadt vorgelegt hätte, sei er nicht mehr bereit, weitere teure Vorschläge ausarbeiten zu lassen. In der Wormser Zeitung vom 7. Mai 2015 legte der Geschäftsmann noch einmal nach. Er habe nichts gegen konstruktive Debatten, aber da man seit zwei Jahren am Diskutieren sei, müsse die Stadt jetzt endlich sagen, was sie wolle. Gleichzeitig forderte Vannini eine Entscheidung noch in diesem Jahr: „Es kann auch alles so bleiben wie es ist. Aber gebunden an Worms bin ich nicht. Ich kann mein Geschäft auch woanders betreiben.“ Warum es der clevere Eismann so eilig hat? Im Jahr 2018 findet der Rheinland-Pfalz Tag in Worms statt und da klingelt an einem derart zentralen Platz ganz besonders kräftig die Kasse.

Der Shitstorm beginnt – alle auf die Stadt!!

Schon kurz später schalteten sich die ersten entrüsteten Vannini-Fans von überall her in die Diskussion in den Sozialen Netzwerken mit ein und fragten in erster Linie, wie die Stadt sich ein solches Geschäft entgegen lassen könne, freilich ohne zu hinterfragen, wer denn von einer Erweiterung am meisten profitieren würde. Andere wollten Parallelen zu dem umstrittenen Gemeindehaus der Domgemeinde sehen, getreu der Devise: „Das Haus am Dom, das keiner will, lassen sie bauen, aber beim Vannini wird Stress gemacht…“ Während die Stadt am Dom tatenlos zusehe, wolle man am Marktplatz plötzlich mitreden. Aber auch das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Bei dem Bauprojekt eines privaten Bauherrn wie die Domgemeinde darf die Stadt nicht mitbestimmen, derweil man auf dem Marktplatz, direkt vor dem Wormser Rathaus, durchaus ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Warum soll ein Unternehmer an einem Platz, wo der Wochenmarkt stattfindet, wo während „Jazz & Joy“ Konzerte veranstaltet werden und wo im Winter wieder eine Eisbahn hinsoll, so groß bauen dürfen wie er möchte? Auch wenn es gleichzeitig völlig außer Frage steht, dass ein hochwertig gestaltetes Eiscafé diesen derzeit noch viel zu öden Platz immens aufwerten würde.

Der Lieblingseisverkäufer

Die Beliebtheit Vanninis ist übrigens im August letzten Jahres von dem Internetportal Tripadvisor.de bestätigt worden. Dort ist Eis Vannini aus Worms auf dem dritten Platz deutschlandweit gelandet, noch vor Eisdielen aus München, Stuttgart oder der Hauptstadt Berlin, aus der Vannini einst hierhergekommen ist, weil in Worms das Wetter wie in der Toskana ist. Wie beliebt der Eiskiosk am Marktplatz tatsächlich ist, kann man an den oft meterlangen Schlangen erkennen, die an einem Sonnentag bis in die Abendstunden kaum abreißen. Das macht ihn (mutmaßlich) zu einem guten Steuerzahler. Anders ist es nicht zu deuten, dass beide Fraktionschefs von SPD und CDU ausdrücklich betonten, dass sie mit den bisherigen Aktivitäten des Eisgeschäftes sehr zufrieden seien. Der Gastronom habe in der Vergangenheit durch sein Angebot und die Qualität, die sogar weit über die Grenzen von Worms bekannt sei, überzeugt. Baudezernent Uwe Franz betonte gegenüber dem NK: „Es bestand aber nie ein Zweifel, dass Pietro Vannini ein zweigeschossiges Cafe bauen darf. Ja, man wünsche sich dies sogar, um die Innenstadt aufzuwerten.“ Dabei müsste diese devote Haltung gar nicht sein. Die Drohung von Pietro Vannini, er könne sein Geschäft auch woanders betreiben, dürfte seiner italienischen Mentalität geschuldet sein, denn bei nüchterner Betrachtung wird der Geschäftsmann längst erkannt haben, dass er diesen perfekten Standort, wo sich die Fußgängerzone und die touristischen Attraktionen der Stadt kreuzen, ungerne aufgeben würde. Im Gegenteil, sieht er an dieser Stelle sogar noch weiteres Potential und würde sich das zwei Millionen Euro kosten lassen. Wenn Verwaltung und Vannini sich noch einmal zusammensetzen und eine für alle zufriedenstellende Lösung finden.

OB Kissel springt als Retter ein

Doch vorerst ist das Kind erst mal in den Brunnen gefallen, hat doch ein verärgerter Vannini erklärt, dass er seine Erweiterungspläne aufgrund des öffentlichen Hick Hacks nun doch nicht umsetzen werde. Jetzt schaltete sich auch der Stadtchef persönlich ein und erteilte den beiden Fraktionschefs von SPD und CDU eine Rüge. Bereits in der nichtöffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses bezog Oberbürgermeister Michael Kissel zum Thema Eiscafé Vannini klar Stellung: „Dass zu solch sensiblen Projekten, bei denen es auch um die Interessen privater Investoren geht, noch vor einer Beratung in nichtöffentlicher Sitzung über die Presse Meinungen und Beurteilungen verbreitet werden, beeinträchtigt und gefährdet gar laufende Verhandlungen. Insofern waren diese voreiligen politischen Erklärungen für ein konstruktives Gespräch schädlich.“ Ein solches Verhalten schade der Vertrauensbasis zwischen der Stadt und ihren investitionsbereiten Verhandlungspartnern. Deshalb brachte Kissel auch Verständnis für Vannini auf und konnte dessen Reaktion sehr gut nachvollziehen. Trotzdem will der OB nicht aufgeben: „Ich stehe weiterhin in Kontakt mit dem Betreiber und hoffe sehr, dass ich Herrn Vannini noch dazu bewegen kann, seine Entscheidung zu revidieren. Denn sein Eiscafé ist ein Aushängeschild für die Stadt.“ Jetzt liegt der Ball also bei Vannini, sich zu erklären, ob er mit der Stadt Worms weiterarbeiten und gleichzeitig die Bevölkerung in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen will, indem er seine Pläne öffentlich macht.

Alles wird gut

Man muss sicherlich kein Prophet sein, wenn der Retter in der Not, OB Michael Kissel, schon bald verkünden wird, dass er die Sache Vannini zur Chefsache erklärt und die Sache geregelt hat. Für jemanden, der bei dem Streitthema „Haus am Dom“ nicht allzu gut weggekommen ist, könnte ein bisschen positive PR in eigener Sache nicht schaden. Fast könnte man meinen, dass sich da jemand schon so langsam für seine dritte Amtszeit in Position bringt. Interessant war in dieser ganzen Posse um die Erweiterung eines Eiskiosks die Reaktion vieler Wormser, die mit zweierlei Maß messen. Sowohl beim Haus am Dom als auch beim Bau der Domterrassen war der Aufschrei in der Bevölkerung groß und jeder wollte bei der Gestaltung mitreden. Wenn aber ein beliebter Eisverkäufer sein Geschäft mitten auf dem Marktplatz erweitern will, dann ist die nahezu einhellige Forderung der Massen, dass die Politik das gefälligst ungefragt abnicken soll. Egal, wie groß, egal wie hoch – Hauptsache, es gibt am Ende gutes Eis. Und hoffentlich bald auch noch Kuchen.