RENOLIT SE UND JUWI PLANEN WINDPARK

Symboldbild: Blick auf Windräder bei Leiselheim und Herrnsheim von Gundheim aus gesehen. Foto: Andreas Stumpf/pakalski-press

Rund sieben Prozent des kompletten Stromverbrauchs in der Nibelungenstadt Worms gehen auf das Konto des Unternehmens Renolit SE. Tendenz steigend. Steigend ist allerdings auch der Strompreis. Um konkurrenzfähig zu bleiben, möchte Renolit einen eigenen Windpark bauen.

Fünf Windräder sollen es sein, die das global operierende Wormser Unternehmen auf- stellen möchte, um sich zukünftig mit eigenem Strom zu versorgen. Doch die Windräder entsprechen nicht den bisher bekannten Modellen, sondern gehören einer neuen Generation an, die leistungsfähiger, aber auch umstrittener sind. Hatten die Windräder bisher eine Maximalhöhe von knapp 200 Metern, sind es hier stolze 300 Meter (Nabenhöhe ca. 220 Meter), mit der die Renolit und ihr Projektpartner Juwi in schwindelnder Höhe Luft abgreifen möchten, um daraus Strom zu produzieren. Zum Vergleich, der höchs- te Turm des Wormser Doms misst gerade mal 65 Meter. Da die Räder zudem in Sichtnähe zu Wohngebieten aufgestellt werden sollen, ist dem Wormser Unternehmen klar: Ohne die Bürger funktioniert es nicht. Ganz in diesem Sinne luden alle Projektbeteiligten zu drei Informationsveranstaltungen in den betroffenen Stadtteilen. Geplant ist der Windpark an der A61 und B47, grenzend an die Wormser Ortsteile Horchheim, Pfiffligheim und Wiesoppenheim.

Das Interesse war erwartungsgemäß groß. Um die Bürger von dem Vorhaben zu überzeugen, setzte man bei den Versammlungen auf größtmögliche Transpa- renz und das Konzept der Alternativlosigkeit. So erklärte gleich zu Beginn Vorstandsmitglied Tors- ten Maschke griffig: „Leistung steigern, Energie sparen. Wir müssen uns dem Wettbewerb stellen und auch konkurrenzfähig zu den Strompreisen in China bleiben“. Warum das zunehmend schwieriger wird, das erklärte wiederum Dr. Michael Bätz, Werksleiter in Worms, mit Blick auf die energieintensive Arbeit des Spezialfolienherstellers. So informierte Bätz, dass das Unternehmen am Standort Worms für die Produktion rund 46 GWh Strom verbrauche. Das entspreche einem Verbrauch von 10.000 Vierpersonenhaushalten. Und das kostet Geld. Da aber die Strompreise im- mer weiter steigen, ein Großteil des Stroms auf der Nutzung von Gas beruht und das Unterneh- men sich wiederum dem Nachhaltigkeitsgedan- ken verpflichtet fühlt, erwuchs schließlich die Idee des eigenen Windparks.

„Wir brauchen die Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen“

Als Partner holte man sich das Wörrstädter Unternehmen Juwi ins Boot, das auf Windkraft spezialisiert ist. Wie Bätz hinzufügte, werde man aber nicht nur auf Windenergie setzen, sondern auch Solar und Wärmepumpen nutzen. Allerdings könne man damit nicht den Gesamtverbrauch abdecken. Um die vermeint- liche Alternativlosigkeit zu unterstreichen, sprach auch Bürgermeisterin Stephanie Lohr zu den betrof- fenen Bürgern. „Alle sprechen über die Verantwor- tung, Energie sparen und mehr, aber alles ändert sich, wenn man selbst betroffen ist. Wir können na- türlich darüber diskutieren, wir brauchen aber die Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen (Gewerbesteuer, Anm. der Red.), eröffnete Lohr ihren Redebeitrag und ergänzte: „Den Betroffenen wird natürlich was abverlangt.“ Was abverlangt wird, dürfte den meisten noch nicht klar sein, da es, wie oben erwähnt, mit derart großen Windrädern nur wenig Erfahrungen in Fragen des Abriebs, Schattenschlags und der Infraschallbelastung gibt.

Um dennoch verschiedene Aspekte zu erläutern und Kritik im Vorfeld zu entkräften, hatte Juwi umfängliche Informationstafeln aufgestellt – nebst Mitarbeitern, die gerne mit Erklärungen zu entstehenden Fragen aushalfen. Doch nicht jede Antwort vermochte dabei zu über- zeugen. So erschien es ein wenig eigenwillig, den Abrieb der im Gesamtdurchmesser 180 Meter großen Rotorblätter mit einem Verweis auf den Abrieb von Autoreifen, die täglich den Windpark über die Autobahn streifen werden, zu relativieren. Eigenwillig, da die Zusammensetzung der Schadstoffe, die durch Reifen oder Rotorblättern in das Erdreich gelangen können, höchst unterschiedlich sind. Das gilt auch für die Verbreitung der Mikropartikel. Verlässliche Studien gibt es bisher wenige, dennoch polarisiert die Frage und führt immer wieder zu sehr unterschiedlichen Aussagen. So räumte unlängst das Umweltbundesamt ein, dass es im Grunde zu diesem Thema keine verlässlichen Daten gebe. Dennoch stellt sich grundsätzlich die Frage, ob der bereits vorhandene Abrieb durch Verkehr zwingend eine Ergänzung durch weiteren Abrieb benötigt? Kritisch sahen viele betroffene Bürger vor allem die Nähe der Räder zur Wohnbebauung. So ist der äußerste Rand des Windparks einmal mit 1.100 und einmal mit 950 Metern geplant. Die Windparkfläche ist mit insgesamt 70 Hektar geplant, wozu 75 bis 80 Ackerflächen angekauft wer- den müssen. Die Versiegelungsfläche soll wiederum bei zwei Hektar liegen, plus asphaltierte Zufahrtswege.

70 Prozent Energieunabhängigkeit

Die Lage des Windparks ist nicht zufällig gewählt, son- dern muss eine bestimmte Nähe zur Renolit haben. Um keine Netzentgelte und Stromsteuer zahlen zu müssen, dürfen die Räder maximal fünf Kilometer von dem Werksgelände aufgestellt werden. Von den Windrädern gehen eigene Kabel direkt in das Werk, wo zudem Speicher dafür sorgen sollen, zunächst über- schüssige Energie zu speichern und wieder abzugeben, wenn sie gebraucht wird. Erreicht werden soll durch das Projekt eine 70-prozentige Unabhängigkeit. Wie das Unternehmen erklärt, ist die Nachhaltigkeits- strategie nicht nur den Strompreisen geschuldet, sondern auch den europäischen- und bundesdeutschen Klimazielen. Ebenso legten auch die Kunden vermehrt Wert auf Nachhaltigkeit. Zu den Klimazielen gehört, dass das Werk bis 2045 CO² neutral produzieren möchte, also kongruent zu den ambitionierten Zielen Deutschlands. Für die Investitionen bedeutet das erstmal eine Gesamtsumme von 75 bis 80 Millionen Euro.

Für den Wormser Windradkritiker Dipl. Ing. Heinrich Hofmann, der ebenfalls bei der Präsentation zugegen war, ist das eine Investition, die zu kurzfristig gedacht ist. Hofmann, der sich beim Aktionskreis Energie & Naturschutz seit Jahren engagiert, äußert sich immer wieder kritisch gegenüber Windparks. Zuletzt geschah dies im Zusammenhang mit dem ge- planten Austausch der Windräder zwischen Leiselheim und Herrnsheim. Mit Blick auf die neue Generation von Windrädern und deren deutlich größeren Power, verweist er nicht nur auf die bereits genannten Kritikpunkte, sondern erläutert im Gespräch mit WO!, dass nach wie vor Teile eines Windrades nicht recycelt werden können (Rotorblätter), was Juwi ebenso bestätigt. Die hohen Investitionen und den Flächenverbrauch stellt er wiederum der relativ kurzen Lebenszeit der Windräder gegenüber. So räumte auch Juwi bei den Einzelgesprächen während der Veranstaltung ein, dass die Windräder lediglich 20 bis 25 Jahre betrieben werden. Grund- sätzlich könne er die Motivation des Unternehmens nachvollziehen. Andererseits ist er davon über- zeugt, dass die Nachteile der Windkraft überwie- gen und hält das Vorhaben – gerade durch die Ablehnung von Windkraft in großen Teilen der Bevölkerung – für einen Irrweg. Geschuldet sei dies einer Energiepolitik, die mit der Brechstange eine Wende erreichen möchte. Hofmann ist ebenso wie der Arbeitskreis davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren in Fragen der Energiepolitik eine Kurskorrektur kommt.

Ob ein Warten auf einen solchen Wechsel eine realistische Option für ein wirtschaftlich produzierendes Unternehmen ist, scheint fraglich, denn auch die Zeitlinie scheint alternativlos sein. Wie Maschke bei der Bürgerpräsentation erläuterte, steht der Plan auch im Zusammenhang mit der Werksschließung in Frankenthal und der zeitgleichen Eröffnung in Worms, die dem Standort Worms eine neue energieintensive Produktionsstätte und 300 neue Mitarbeiter beschert. Derzeit sind am Hauptstandort Worms 1.250 Menschen beschäftigt. Während die Werkszusammenlegung bis 2029 vollzogen sein soll, planen Juwi und Renolit SE die Inbetriebnahme des Windparks bis 2032. Im nächsten Schritt werden Untersuchungen durchgeführt und umfangreiche Gutachten er- stellt. Die Partner rechnen schließlich bis 2028 mit der Erteilung der Gutachten.