Nibelungen-Festspiele stellen Ensemble für die Uraufführung „Der Diplomat“ vor

Es ist ein festes Ritual im Jahresplaner der Nibelungen-Festspiele, wenn im April das Stück und das Ensemble bei einer Pressekonferenz im Mozartsaal vorgestellt werden. Der Zuspruch der schreibenden und fotografierenden Zunft war ordentlich und die Worte groß, mit denen „Der Diplomat“ angekündigt wurde.

Zu Beginn war es die Moderatorin Bernadette Schoog, die das große Erbe des Nibelungenlieds unterstrich, schließlich gehören die original Handschriften seit 2009 zum Unesco Welterbe. Ebenso verwies sie darauf, dass die Festspiele längst ein Publikumsmagnet seien. Ein Umstand, den Intendant Nico Hofmann mit dem Hinweis auf rund 20.000 Besucher unterstrich. In diesem Sinne betonte Oberbürgermeister Adolf Kessel einmal mehr den „kulturellen Leuchtturm“ Nibelungen-Festspiele. Dem schloss sich Kulturstaatssekretär Jürgen Hardeck an, der auf dem Podium auf die Einzigartigkeit der Festspiele im Kulturland Rheinland-Pfalz verwies. Um die Wichtigkeit zu unterstreichen, betonte er, dass das Land nicht ohne Grund den Zuschuss um 70.000 Euro erhöht habe. Denn auch er wisse, Kultur kostet Geld. Gefragt danach, wie man in Anbetracht der ernsten Weltlage Ausgaben für Kultur rechtfertigen könne, entgegnete Hardeck: „Sollen wir unser Geld nur für Rüstungszeug ausgeben?“ Hardeck unterstrich zudem die Bedeutung von Theater im gesellschaftlichen Diskurs. Der bekannte Filmproduzent und Intendant der Festspiele, Nico Hofmann, ergänzte, dass die Festspiele bewusst auch polarisieren wollen und vor allem relevant sein möchten. In diesem Zusammenhang verwies er auf das Stück „Der Diplomat“, das leider den Zeitgeist treffe, ohne dass dies beabsichtigt war. Gemeint sind damit die aktuellen Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine, verbunden mit den vergeblichen Versuchen, die Kriege mit Hilfe der Diplomatie zu beenden.

„Verfaulen sollen ihre Seelen“

Das versucht auch der Kriegerkönig Dietrich von Bern in dem Stück, das am 12. Juli seine Uraufführung feiert. Der König, der zugunsten des Friedens auf sein Königreich Ravenna verzichtet, ist gezeichnet vom Krieg und vom Verlust seiner Frau, die während der kriegerischen Tumulte Selbstmord begann. Den Witwer verschlägt es in die Dienste König Etzels. Das führt ihn wiederum nach Worms, wo die eigentliche Geschichte einsetzt. Siegfried ist tot. Sein Leichnam ist aufgebahrt in einer Halle, blutet aber dennoch. „Wenn dein Mörder an deine Bahre tritt, quellt dir das Blut aus dem Körper. Du bist tot, du solltest nicht bluten“, las Zaimoglu einen Monolog Kriemhilds aus dem Stück. Doch die Verwunderung der trauernden Witwe weicht bald der Wut: „Verflucht sei meine Sippe. Verfaulen sollen ihre Seelen.“ Schließlich kündigt sie an: „Ich bin der blendend weiße Geist, der durch die Kammern streift“. Nicht unbedingt die beste Voraussetzung für Dietrich von Bern, der im Auftrag Etzels um die Witwe werben soll.

Schon bald erkennt er, dass dunkle Wolken aufziehen und er versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln. Ein Unterfangen, das gemäß der Geschichte natürlich nicht gelingt. Durchaus düstere Aussichten, die Intendant Hofmann kommentierte: „Wir leben in einer hyperventilierenden Welt. Das Stück zeigt leider, wie Diplomatie nicht funktioniert.“ Hofmann glaubt, dass „Der Diplomat“ deshalb starke Diskussionen verursachen werde. Auch der Schweizer Regisseur Roger Vontobel, der bereits zweimal den Dom ins rechte Licht rückte, verwies auf den ewigen Konflikt der Diplomatie. Bei den Burgundern sei es letztlich die Auflösung der Strukturen. Das Radikalisieren von Prinzipien. Deutlich euphorischere Worte fand der Regisseur für Dietrich von Bern, den er gleich mal zum mittelalterlichen Superhelden erkor. Immerhin gehöre er zum Kreis vierer Recken, die schon mal einen Drachen erschlugen. Wie Vontobel hinzufügte, seien sie nach dem Mord an Siegfried auf ein Trio geschrumpft, was er wiederum wagemutig mit den „Avengers“ der Sagenwelt verglich. Drachenkämpfe wird es zwar nicht geben, dafür aber viel Blut, wie der Regisseur bei einem Pressegespräch im Januar ankündigte (siehe WO! 02/24).

„Es ist nicht so lange wie Salzburg!“

Dieser Superheld, der nur noch mit der Kraft der Worte parlieren möchte, wird von dem 25-jährigen Franz Pätzold (u.a. bekannt aus der Serie „Ich und die anderen“) gespielt. Pätzold spielte bereits unter Vontobel in dem Stück „hildensaga.ein königinnendrama“ die Rolle des König Gunter. Gefragt, warum er erneut in Worms mitspiele, erklärte der selbstbewusst auftretende Mime: „Ich hatte Thomas Laue (künstlerischer Leiter, Anm. der Red.) angerufen. Er solle sich entscheiden, Salzburg oder Worms!“ Es wurde schließlich Worms. Als Pro für Worms erklärte er: „Ich mag den Wein und habe hier gute Erfahrungen gemacht. Außerdem ist es nicht so lange wie Salzburg und es wird besser bezahlt!“ Mit Blick auf seine Rolle erklärte er, dass seine Figur durch seine Kriegserfahrungen traumatisiert sei und mit inneren Dämonen zu kämpfen habe. Diesen inneren Dämon visualisiert das Stück in Person der Drud, einer geisterhaften Erscheinung, die von der Schauspielerin Lou Strenger verkörpert wird. „Sie kann nicht sprechen. Eigentlich heißt sie Erka und ist die Frau Dietrich von Berns, die sich das Leben nahm“, erklärte der Regisseur. Strenger erzählte zunächst, dass eines ihrer ersten Bücher die Nibelungensage gewesen sei und sie sich nun freue, in der Stadt, in der die Geschichte spielt, selbige zu spielen. Zugleich kündigte sie an, dass die Rolle sehr musikalisch angelegt sei. Im Gespräch auf der Bühne wurden Parallelen zu den Nornen gezogen, die in der „hildensaga“ gemeinsam mit den Musikern für geisterhafte Klänge sorgten.

Für finstere Ränkeschmiede ist indes Hagen zuständig. Der wird von Thomas Loibl gespielt, dessen Gesicht und Name man wiederum aus unzähligen Filmen im Kino und TV („Die Wannseekonferenz“, „Toni Erdmann“) kennt. Für seinen Hagen hatte Loibl schon mal klare Worte: „Warum sollte so jemand wie Hagen nicht auch mal recht haben damit, die überlieferten Regeln und Gesetze zu bewahren in all dieser aktuellen Hysterie?“ Für Vontobel stand fest, dass Hagen von Tronje „eine schöne, schwarze, ambivalente Figur“ ist, die sehr verrätselt sei. Vorstellig auf der Bühne wurden im Laufe dieser Stunde noch Christoph Franken („Woyzeck“, „Inside WikiLeaks“), der den Waffenmeister Hildebrand spielen wird, sowie Marcel Heuptmann, Anton Dreger und Aniol Kirberg, die das königliche Geschwistertrio Gunter, Gernot und Giselher spielen. Die prominenteste Darstellerin des Ensembles, Jasna Fritzi Bauer („Tatort: Dresden“), konnte aufgrund von Dreharbeiten nicht anwesend sein,
grüßte aber mit einer kurzen Videobotschaft. Entschuldigen ließen sich zudem Yohanna Schwertfeger, die als Brunhild besetzt ist, und Felix Rech, der in Worms bereits zum dritten Mal mitspielt. Dieses Mal in der Rolle des Sibich, einer noch nicht näher definierten Sagenfigur.

„Wir versuchen, Leerstellen zu erzählen“

Die Idee, die Geschichte aus der Perspektive Dietrich von Berns zu erzählen, stammt von Thomas Laue, wie Mit-Autor Günter Senkel verriet. Danach gefragt, warum sie nach „Siegfrieds Erben“ erneut in den
Nibelungenkosmos eindringen, erklärte Senkel, dass sie die Idee spannend fanden. Außerdem hätten sie eine Leitlinie:
„Wir versuchen das zu erzählen, wo es Leerstellen gibt und so sind wir auf Dietrich von Bern gestoßen“. Insofern sei es für sie vorstellbar, noch ein weiteres Stück zu erfassen. Tatsächlich ist „Der Diplomat“ bereits die vierte Auseinandersetzung des Autorenduos mit den Nibelungen. Viel Potential in der sagenhaften Geschichte sieht auch Roger Vontobel. So erklärte er am Ende der Presse-
konferenz, die Nibelungen seien ein eigens Universum und ergänzte selbstbewusst lächelnd:
„Ich will es mal mit Star Wars vergleichen!“

Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas