Es ist sicherlich keine Überraschung, dass im Bundestag eine deutliche Mehrheit für den Bundeswehreinsatz in Syrien gestimmt hat. 445 Parlamentarier stimmten mit einem „Ja“ für die Beteiligung der Bundeswehr an Frankreichs Vergeltungsmaßnahme. Gerade mal 146 stimmten gegen den Einsatz. Auch die beiden für den Wahlbezirk Worms zuständigen Bundestagsabgeordneten Jan Metzler (CDU) und Marcus Held (SPD) stimmten mit einem „Ja“. WO! bat beide Volksvertreter um eine Stellungnahme, die wir im originalen Wortlaut abdrucken.

Jan Metzler (CDU): „Mit den menschenverachtenden Terroranschlägen in Paris hat der IS nicht nur Frankreich, sondern Europa insgesamt angegriffen. Der Anschlag galt unserer Lebensweise und unseren Werten. Der IS stellt aufgrund seiner Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen und seiner anhaltenden, schweren Gräueltaten gegen Zivilpersonen eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Aus diesen Gründen ist es wichtig und richtig, dass wir unsere französischen Freunde unterstützen und uns an der Bekämpfung des IS beteiligen und so auch einen wichtigen Beitrag zur Linderung der Fluchtursachen leisten.“

Marcus Held (SPD): „Die Anschläge von Paris waren schrecklich! Sie haben nicht nur unsere französischen Freunde, sondern alle Europäer und alle Demokraten tief betroffen gemacht. Gerade im Zusammenhang mit dem Fußball-Länderspiel und dem Versuch der Attentäter, das Stadion anzugreifen, wurde faktisch auch Deutschland mit diesem Terroranschlag angegriffen. Deshalb gab es für mich keinen Zweifel, dem Wunsch nach Unterstützung aus Frankreich nachzukommen. Seit meiner Schulzeit habe ich enge Verbindungen und Freundschaften nach Auxerre und deshalb habe ich mich auch sehr intensiv mit meinen dortigen Freunden nach den Anschlägen zum Thema ausgetauscht. Sie hätten keinerlei Verständnis gehabt, wenn ich den Einsätzen der Bundeswehr als Unterstützer der Franzosen nicht zugestimmt hätte. Gleichwohl ist mir bewusst, dass Krieg das Grundproblem IS nicht alleine lösen wird. Wir können aber nicht tatenlos zusehen, wenn tausende von Menschen im Nahen Osten von IS-Kämpfern auf bestialische Art ermordet werden, die meisten der Opfer sind im Übrigen Muslime. Wir brauchen parallel zu diesem militärischen Handeln aber natürlich auch eine politische Lösung. Ich bin sehr froh, dass Frank-Walter Steinmeier es geschafft hat, in Wien alle Konfliktparteien an einen Tisch zu holen. Neben den USA und Russland sprechen hier nun auch der Iran und Saudi-Arabien miteinander, was noch vor wenigen Monaten undenkbar gewesen wäre. Mit diesen Gesprächen muss es möglich werden, Syrien zu befrieden und den Flüchtlingen eine Möglichkeit zu geben, in ihre Heimat zurück zu kehren und das Land mit unserer Hilfe wieder aufzubauen! Aus Gesprächen mit vielen Flüchtlingen weiß ich, dass dies ihr größter Wunsch ist! Deshalb haben mir auch viele Syrer gesagt, dass ich für den Militäreinsatz stimmen soll“.

WO! meint: Keine Frage, beide haben Recht, wenn sie die Anschläge von Paris verurteilen. Auch haben sie Recht, wenn sie die enge Beziehung zu Frankreich betonen. Aber heißt das auch, dass man auf Gedeih und Verderb jeder Entscheidung folgt? Es gab selten eine Abstimmung im Bundestag, die eine solche Tragweite hat, aber mit einem so hohen Tempo durchgepeitscht wurde. Dabei gibt es durchaus Gründe, die ein bisschen mehr Bedenkzeit oder vielleicht sogar ein „Nein“ erlaubt hätten. Dass es anders geht, bewies der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Dieser bemängelte, dass es keine nachvollziehbare Strategie gäbe und verwies auf die militärische Intervention in Libyen. Dort hatte man zwar erfolgreich den Diktator Gaddafi gestürzt, allerdings hatte keine der westlichen Mächte eine Idee, wie es danach weitergeht. Heute gilt Libyen als „gescheiterter Staat“, in dem Islamisten ebenso ihr Unwesen treiben wie Schlepper, die bereitwillig hungernden Afrikanern den gefährlichen Weg nach Europa zeigen. Überhaupt könnte man die Frage stellen, ob irgendein kriegerischer Einsatz – in Folge eines Terroranschlags – die Welt zu einem sichereren Platz gemacht hat? Erst Amerikas Angriff auf den Irak im Schatten des 11. September, ermöglichte die Entstehung des sogenannten Islamischen Staates. Auch Afghanistan dürfte nicht als Musterbeispiel durchgehen, wie man ein Land befriedet. Nur unter größten Anstrengungen schaffen es die dortigen Militärkontingente, das Land mehr schlecht als recht vor einer neuen „Talibanisierung“ zu schützen. Die Geschichte zeigt, Bomben sorgen nicht automatisch für eine Befriedung, ganz im Gegenteil. Zumal die eigentliche Problematik im Zusammenhang mit den Paris Anschlägen deutlich komplexer ist. Alle bisher eindeutig identifizierten Attentäter, egal ob das jene waren, die die Redaktion von Charlie Hebdo angriffen oder die der jüngsten Anschläge in Paris, sie alle waren Franzosen oder Belgier mit Migrationshintergrund. Sollte Francois Hollande nicht viel mehr fragen, wie es so weit kommen konnte? Waren nicht die Ausschreitungen in den Pariser Banlieus 2005 ein deutliches Warnsignal, dass da gesellschaftlich was gehörig schief läuft? Der damalige Innenminister Sarkozy versprach maximale Härte, wäre aber nicht maximale Liebe die richtige Antwort gewesen? In Folge der Ausschreitungen gibt es bis heute nur zaghafte Fortschritte, eine verlorene Generation wieder zurückzugewinnen. Schaut man sich die veröffentlichten Biografien der Attentäter an, fallen Ähnlichkeiten auf. Schlecht gebildet, arbeitslos und ohne Perspektiven waren sie anfällig für eine Radikalisierung. Es verwundert, wenn Hollande die Bösen kurz nach den Anschlägen in Syrien ausfindig gemacht haben will und somit zur Attacke bläst. Keine Frage, was der IS dort treibt, ist schlimm und der Westen sollte nicht wegschauen. Das hat er schließlich sehr lange getan. Es darf aber bezweifelt werden, dass der Kampf gegen den Terror so gewonnen wird. Vielmehr dürften sich noch mehr junge Menschen, die glauben, in dem IS eine echte Perspektive zu erkennen, radikalisieren. Eine Radikalisierung, auf die westliche Gesellschaften bis heute keine Antworten wissen. Auch in Deutschland ist eine soziale Erodierung zu beobachten. Eine Entwicklung, mit der sich der Bundestag vielleicht mit dem gleichen Ernst auseinandersetzen sollte, wie mit erneuten Kriegsbeteiligungen. Im Übrigen überrascht es, dass sich unsere Politiker mit ihrem „Ja“ auch durchaus in eine rechtliche Grauzone begeben, denn noch gibt es für Frankreichs Vorstoß keine UNO Resolution. Etwas, was man dem damaligen US Präsidenten George Bush und seinem Irak-Desaster vorwarf. Des Weiteren verstößt der Einsatz auch gegen das Grundgesetz, das eine Beteiligung der Bundeswehr an einem Angriffskrieg untersagt. Da Frankreich den eindeutigen Beweis, dass die Anschläge von Syrien aus koordiniert wurden, schuldig bleibt, handelt es sich wohl um einen Angriffskrieg.