Über eine gekaufte Fußball-WM
Dass man sich in Deutschland neuerdings auch im Sport als Moralweltmeister aufspielt, obwohl man eher von Doppelmoral sprechen sollte, wurde selten so offensichtlich wie im Jahr 2022 am Beispiel einer gekauften Fußball-Weltmeisterschaft in einem Unrechtsstaat wie Katar.
Für geschätzte 220 Milliarden Dollar mussten die Gastgeber mitten in der Wüste von Katar die Infrastruktur für ein sportliches Großereignis stemmen, von dem auch deutsche Unternehmen mit Milliarden-Aufträgen profitierten. So ziemlich alles an dieser WM war falsch: Gekaufte Fans, in Rekordzeit errichtete Stadien, die danach teilweise wieder abgerissen werden und auf deren Baustellen ca. 15.000 Gastarbeiter ihr Leben verloren, sowie klimatisierte Spielstätten, während in Deutschland in TV-Spots zum Energiesparen aufgerufen wurde. Wie das hierzulande üblich ist, regte sich der Protest allerdings nicht bei der WM-Vergabe vor zwölf Jahren, sondern erst kurz vor Beginn der WM. Anscheinend glaubt man, dass man die Welt verändern kann, wenn Deutschland eine WM boykottiert. Auch der Deutsche Fußballbund (DFB) geriet aufgrund des öffentlichen Drucks zunehmend in die Bredouille – in Anbetracht eines Gastgeberlandes, in dem Homosexuelle für ihre sexuelle Neigung mit der Todesstrafe belegt werden können. Zu den Outing-Kampagnen des DFB wollte ein homophobes Gastgeberland, das elementare Menschenrechte mit den Füßen tritt, nicht so recht passen. Ein öffentliches Statement in Form einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde von Manuel Neuer mit dem Slogan „One Love“ untersagte die FIFA. Stattdessen hielten sich die deutschen Spieler beim offiziellen Mannschaftsfoto vor dem Spiel den Mund zu, als Zeichen des stillen Protestes gegen den Maulkorberlass der FIFA. Diese Protestaktionen hatten auch innerhalb der Mannschaft für eine Spaltung gesorgt. Während den einen ein politischer Protest wichtig war, wollten sich andere Spieler hauptsächlich auf den sportlichen Aspekt dieser WM konzentrieren. Der Schuss ging nach hinten los, denn die „deutschen Moralapostel“ unterlagen Japan im Eröffnungsspiel (1:2) und mussten nach ihrem erneuten Ausscheiden nach der Vorrunde Häme aus aller Welt über sich ergehen lassen. Dass man aus wirtschaftlichen Gründen selbst für eine WM-Vergabe nach Katar gestimmt hat, lässt den Pseudoprotest noch heuchlerischer wirken. Bezeichnenderweise verbuchte in Deutschland, wo der Funke für diese WM nie so recht überspringen wollte, die höchste Einschaltquote bei einem Fußballspiel im Jahr 2022 ausgerechnet die deutsche Frauennationalmannschaft, deren 1:2-Niederlage im EM-Finale gegen England 17,89 Millionen Menschen vor den Bildschirmen verfolgten. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Deutschland zwar Moralweltmeister wurde, aber knapp eine Woche vor Weihnachten der echte Fußballweltmeister gekürt wurde, nämlich Argentinien.
Text: Frank Fischer