Am Ende des Textes finden Sie in Update zur Stadtratssitzung vom 05.02.20

Überraschend war es nicht, dass Worms in Sachen Kinderbetreuung immer noch auf dem vorletzten Platz in Rheinland-Pfalz rangiert, schließlich hinkt die kreisfreie Stadt Worms seit Jahren der zu erfüllenden Betreuungsquote hinterher. Lediglich die Nachbarstadt Frankenthal unterbietet diese. Nach Beratung im Jugendhilfeausschuss wurde im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) im Januar wieder einmal heftig darüber diskutiert, warum man das Problem nicht in den Griff bekommt.

MEHR ZUZUG SCHAFFT MEHR BEDARF

Insgesamt bietet die Stadt Worms Platz für 3.095 Kinder, darin enthalten 564 Plätze für die 0 bis 3-jährigen Kinder. Die Zahl klingt hoch, reicht aber bei weitem nicht. Im Jahr 2019 lebten 5.869 Kinder unter sechs Jahren in Worms. In der aktuellen Bedarfsplanung schlägt man deswegen die Schaffung von 805 neuen Plätzen vor, darunter 241 Plätze für die unter Dreijährigen. Aber selbst dann deckt man lediglich 31 Prozent (mit Kindertagespflege 37 Prozent) der Kinder ab. War diese Entwicklung vorauszusehen? Waldemar Herder, Sozialdezernent der Stadt Worms, sagt nein, aber vermisste dennoch eine Priorisierung des Themas („Wir diskutieren seit Jahren, passiert ist nichts, jetzt müssen wir die notwendigen Schritte ergreifen und schnell umsetzen“) und warb um Verständnis, da die Prognosen vor sechs Jahren noch anders lauteten. Eine Sichtweise, die nicht jeder in der Sitzung teilen wollte. Die Grünen verwiesen darauf, dass das Problem seit Jahren bekannt sei, es aber an der Umsetzung stets scheitert. Richard Grünewald, Fraktionssprecher Bündnis 90/Die Grünen Worms, sprach gar von einem drohenden KiTa-Notstand in Worms. Als Grund für den steigenden Bedarf nennt die Kindertagesstättenbedarfsplanung drei Faktoren. Einmal weil schlicht und ergreifend mehr Kinder in Worms geboren wurden, desweiteren durch den Zuzug von Zuwanderern aus den „neuen EU Ländern“, Flüchtlingen und Asylsuchenden und weil mehr Eltern einen Betreuungsplatz beanspruchen. In Zeiten, in denen oftmals ein Gehalt nicht mehr reicht, eine Familie zu ernähren, ist dies natürlich nicht verwunderlich. Zusätzlich sollte es durch das am 1. August 2013 in Kraft getretene Gesetz, das jedem Kleinkind, wenn es das erste Lebensjahr vollendet hat, einen Anspruch auf Betreuung in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter einräumt, im eigenen Interesse der Stadt sein, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Dementsprechend erklärte Waldemar Herder in der Sitzung des HFA, dass es derzeit noch keine Klagen gebe, dies sich aber schnell ändern könne. Dr. Klaus Karlin, Fraktionssprecher CDU Worms, sah dann auch konkreten Handlungsbedarf, Plätze zu schaffen. Aber was unternimmt die Stadt, um dem Bedarf gerecht zu werden?

VIELE GEPLANTE PROJEKTE

Im Beschlussantrag, der den Mitgliedern des HFA vorgelegt wurde, heißt es, dass dieser der Schaffung von 241 Plätzen für unter Dreijährige zuzustimmen hat, um das Ausbauziel von insgesamt 805 Plätzen zu erreichen. Die Ausschussmitglieder des HFA stimmten dem Antrag einstimmig zu. Der nächste Schritt ist dann die Abstimmung im Stadtrat am 5. Februar 2020. Erst dann können konkrete Schritte erfolgen. Insgesamt werden elf Projekte in der Bedarfsplanung angekündigt, die zum Teil zeitlich bereits benannt sind und teilweise noch Zukunftsmusik sind. Sollten alle Projekte erfolgreich abgeschlossen werden, hat man 231 neue Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Gemäß dieser Planung fehlen am Ende allerdings immer noch einige Plätze, das Ziel von 805 zu erreichen, da dort aktuell lediglich von insgesamt 420 Plätzen die Rede ist. Spannend wird sowieso die Frage nach der Umsetzung, schließlich betont Baudezernent Uwe Franz immer wieder, dass der zuständige Gebäudebewirtschaftungsbetrieb (GBB) und die Abteilung Hochbau überlastet sind. Das letzte Bauprojekt einer städtischen Kindertagesstätte („Gibichstraße“) wurde dementsprechend von der Wohnungsbau GmbH betreut und von dem bekannten Architekten Jörg Deibert geplant und umgesetzt. Der GBB ist zudem mit der Instandhaltung bestehender Einrichtungen beschäftigt. Bei einem Termin im Oktober des vergangenen Jahres informierte Franz unser Magazin über aktuelle und geplante Arbeiten. Zu diesen gehören z.B. Bauunterhaltungsmaßnahmen beim 1993 errichteten Kindergarten Kindertreff 93. In diesem Jahr ist geplant, die komplette Außenanlage zu überarbeiten. Kosten der Maßnahme: 210.000 Euro. 2019 errichtete man wiederum eine temporäre Kindertagesstätte an der Paternusschule. Zwei Gruppen sind derzeit eingezogen. Nötig wurde die Container-Kita, da am bisherigen Bergkindergarten Korrosionsschäden an der Klinkerfassade zu beobachten waren. Zwei weitere Gruppen sollen noch geschaffen werden. Langfristig sollen die Gruppen schließlich in die Paternusschule umziehen. Das aufwendigste Projekt könnte die Generalsanierung des Kindergarten Awolino, in den Räumen der ehemaligen Gewerbeschule, werden. Diese Maßnahme ist aber auch davon abhängig, wie die Planung für das gesamte Gebäude verläuft. Wie bekannt ist, musste im vergangenen Jahr die Jugendmusikschule wegen erheblicher Brandschutzmängel ausziehen.

OHNE FREIE TRÄGER GEHT ES NICHT

Um den Plan mit den 420 Plätzen zu erreichen, ist die Stadt auch darauf angewiesen, dass die kirchlichen Träger kooperieren. Ein erster Schritt ist hierbei die Erweiterung des katholischen Kindergartens St. Lioba von drei auf fünf Gruppen, das heißt ein Zugewinn von 20 Plätzen. Träger ist die Domgemeinde. Die Stadt wird wiederum die Maßnahme mit 411.825 Euro bezuschussen. Auch vom Land gibt es Geld (300.000 Euro), um das 1,2 Millionen Euro teure Projekt zu fördern. Die evangelische Kindertagesstätte in Pfiffligheim wird um zehn Plätze erweitert. 15 Plätze sollen in den kirchlichen Tagesstätten in Wiesoppenheim (katholisch) und Rheindürkheim (evangelisch) geschaffen werden. Den Hauptteil wird jedoch die Stadt schultern müssen. Mit jeweils 105 Plätzen sind hierbei die ehrgeizigsten Projekte der Neubau Kita in der Carl Villinger Straße (ca. 2023) und der Kita „Im Mersch“. Dieses Projekt ist zeitlich noch nicht terminiert. Derzeit in der Umsetzung befindet sich der Neubau einer städtischen Kindertagesstätte in Pfiffligheim, der an der Stelle der bisher bestehenden Kita entsteht. Geplant sind vier Gruppen, Kostenpunkt: 3,6 Millionen Euro.

EIN NAVIGATIONSSYSTEM FÜR ELTERN

Selbst wenn die geplanten Projekte abgeschlossen sind, fehlen immer noch Plätze, weswegen es für Eltern und Stadt wichtig ist, die Koordination der Plätze möglichst effizient zu gestalten. Ein Schritt in die richtige Richtung ist das Kita-Navigationssystem auf der Homepage der Stadt Worms (www.kita-navi-worms.de). Das System beinhaltet eine Übersicht über alle in der Stadt Worms zur Verfügung stehenden Einrichtungen, also sowohl kirchlicher Träger, Träger der Wohlfahrtspflege, Vereine und der Stadt Worms. Von der Suche bis zum abschließenden Vertrag ist die Plattform für Eltern eine Erleichterung gegenüber dem früheren Abklappern von Kitas. Dennoch, an den fehlenden Plätzen ändert das nichts. Katharina Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen) möchte deswegen in der nächsten Sitzung des Stadtrats wissen, was die Stadt unternimmt, um Neugründungen von kleineren, freien Trägern oder Elterninitiativen zu unterstützen. Klar sollte sein, dass man derzeit über alternative Wege nachdenken muss, um das Problem in den Griff zu bekommen. Zwar geht die Bedarfsplanung langfristig wieder von einem Rückgang der Kinderzahlen aus, dieser wird aber erst ab dem Jahr 2030 prognostiziert. Aktuell hilft das niemand und ob das so eintrifft, das steht wieder auf einem anderen Blatt, schließlich ging man schon einmal von anderen Zahlen aus.

Update vom 07.02.: Im Wormser Stadtrat wurde am 05.02. über die Misere ebenfalls diskutiert und bekräftigt, dass möglichst bald der Bau weiterer Kitas in Angriff genommen werden muss. Das nächste Projekt, laut Sozialdezernent Waldemar Herder, ist die Kita am Fischmark. Start soll im Sommer sein. Doch selbst wenn die Plätze geschaffen sind, droht bereits das nächste Problem, denn dann müssen die Erzieher / innen Stellen entsprechend besetzt werden. Ein nicht so leichtes unterfangen, da es in diesem Bereich bundesweit an Fachkräften mangelt. Ein Beispiel hierfür ist die Kindertagesstätte an der Paternusschule in Pfeddersheim. Dort hat man mittlerweile zwei weitere Gruppen geschaffen, finde aber kein Personal, um diese zu betreiben. In der Sitzung ging man auch auf die Anregung ein, mehr private Träger einzubinden. Waldemar Herder erläuterte, dass die Bereitschaft derzeit nicht besonders ausgeprägt sei, man aber dennoch Gespräche führe.