WO! erhält Shitstorm wegen eines Offenen Briefes der Montagsspaziergänger

Als wir am 24. Januar eine Pressemitteilung der Montagsspaziergänger auf unserer FACEBOOK Seite veröffentlicht ha- ben, war abzusehen, dass positive wie auch negative Kommentare nicht lange auf sich warten lassen. Ohne die Vorgeschichte zu reflektieren, warf man uns u.a. vor, der falschen Seite ein Forum zu bieten. Nach anstrengenden Tagen können wir nun aber eine alte Lebensweisheit verkünden: Der Zweck heiligt die Mittel. Der gewünschte Dialog zwischen der Politik und den Spaziergängern wird auf Vermittlung unseres Magazins hin stattfinden.

Man muss es nicht gut finden, wenn sich mitten in einer Pandemie Hunderte Spaziergänger treffen, um gegen die aktuelle Corona Politik zu

Mahnwache am Lutherplatz

Corona Mahnwache am 17. Januar am Lutherplatz

protestieren. Wenn man aber gleichzeitig „Black lives matter“ oder „Fridays for Future“ Demonstrationen gutheißt, die ebenfalls während einer Pandemie stattfanden, aber aus epidemiologischer Sicht offensichtlich keine große Gefahr für die Teilnehmer darstellten, spricht man gemein- hin von Doppelmoral. Der Unterschied: Während normale Demonstrationen angemeldet werden müssen, sind die Montagspaziergänge unangemeldete Treffen, zu denen sich in Worms in den letzten Wochen regelmäßig zwischen 200 und 750 Personen einfanden. Ohne Zweifel ist dies eine für Wormser Verhältnisse imposante Menge, auch wenn diese mit Sicherheit keine Mehrheitsmeinung vertritt. Wer aber umgekehrt glaubt, dass alle Daheimgebliebenen automatisch mit der Corona Politik einverstanden sind, argumentiert genauso hanebüchen. Als die SPD Worms am 17. Januar als Gegendemonstration zu den Montagsspaziergängern eine Mahnwache für die 113 Corona Opfer in Worms abhielt, waren deren Teilnehmer deutlich in der Minderheit. Die Montagsspaziergänger hatten an diesem Abend gut vier Mal so viele Teilnehmer aktiviert. Eine Userin bei FACEBOOK kommentierte die hohe Anzahl an „Protestbürgern“ mit: „Nicht die Quantität ist entscheidend, sondern die Qualität“. Das ist natürlich richtig, aber andererseits ist die Quantität der Montagsspaziergänge zu gewaltig, um diese als unwichtig abzutun.

WIR MACHEN UNS SELBST EIN BILD

Wir haben deshalb schon Anfang Januar entschieden, uns unter die Montagsspaziergänger zu mischen, um herauszufinden, welche Motive diese bewegen, an einem kalten Montagabend auf die Straße zu gehen (nachzulesen auf Seite 6 – 7). Wir trafen dort auf Familien mit Kindern, ausländische Mitbürger, junge und alte Leute oder Paare, von denen eine(r) geimpft, eine(r) ungeimpft war. Von rechten Gruppierungen keine Spur und friedlich blieben die Spaziergänger auch. Wenn jedoch die Bewegung, die bis dato keiner Organisation so richtig zugeordnet werden konnte, immer weiterwächst, besteht erst recht die Gefahr einer Unterwanderung durch rechte Gruppierungen. Wohlwissend, dass man keine rechtliche Handhabe besitzt, die Spaziergänge zu verbieten, war es der richtige Schritt der Stadt Worms, am 14.01. mit einer Pressemitteilung zu versuchen, mit den Spaziergängern in einen Dialog zu treten. Mit Argumenten wie „Mit diesen Leuten spricht man nicht“ wurde schließlich noch kein Problem gelöst.

CDU RHEINHESSEN BEZIEHT STELLUNG ZU DEN MONTAGSSPAZIERGÄNGEN

Zwei Tage nach dem Montagsspaziergang vom 17.01. erhielten wir eine Stellungnahme der CDU Rheinhessen, in der es u.a. heißt: „Jede 

Montagsspaziergang17.januarkämmererstr

Montagsspaziergänger am 17. Juli in der Unteren Kämmererstraße

 Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht, ihre oder seine Meinung zu den Corona-Maßnahmen kundzutun, sich zu versammeln und von dem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen – solange dies friedlich und unter Einhaltung der geltenden Maskenpflicht sowie des gebotenen Abstandes zum Schutz der anderen geschieht. Eine Grenze ist dort überschritten, wo Kritik in Hass und Verachtung umschlägt. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit endet dort, wo das Grundrecht auf die Würde eines anderen verletzt wird.“ Weiter heißt es dort: „Wir dürfen keinen Millimeter Platz lassen für diejenigen, die unser Land mit Hetze und demokratiefeindlichen Parolen überziehen und versuchen, unser Land weiter zu spalten. Wir müssen jetzt als Gesellschaft zusammenhalten und zusammenstehen, denn diese Krise lässt sich nur gemeinsam bewältigen.“ (Die komplette Stellungnahme finden Sie unter www.wo-magazin.de)

DIE ANTWORT LÄSST NICHT LANGE AUF SICH WARTEN

Am 24. Januar erreichte uns ein Offener Brief der Montagsspaziergänger, in der der Absender um Anonymität bat (Name ist der Redaktion bekannt) und auf die Stellungnahme der CDU Rheinhessen einging: „Auch wir Spaziergänger verfolgen die Medien und nahmen am 14. Januar mit großer Freude zur Kenntnis, dass sich die CDU und der Wormser Stadtvorstand gesprächsbereit zeigten…()…Umso härter traf uns der Schlag in die Magengrube, als wir am 19. Januar die Stellungnahme der CDU vernommen hatten, die den Eindruck erweckte, als haben die Unterzeichner beim Spaziergang am Montag keine Au- gen und Ohren vor Ort gehabt. Implizit wurde uns vorgeworfen, dass wir gewalttätig waren und keine Masken trugen. Eindeutig wird geschrieben, dass wir die Würde anderer Menschen verletzten und Hass und Verachtung streuten. Dass wir Polizisten verunglimpften und Hetze betreiben würden. Diese Anschuldigungen sind einfach falsch und wahrscheinlich aus Unwissenheit entstanden, weswegen wir zu diesen Stellung beziehen möchten.“ (Den kompletten Offenen Brief finden Sie unter www.wo-magazin.de)

DER SHITSTORM KANN BEGINNEN

Wir haben uns in der Folge dafür entschieden, den Offenen Brief unkommentiert auf unserer FACEBOOK Seite zu veröffentlichen. Neben- bei bemerkt benutzen wir FACEBOOK als reinen Informationskanal, auf dem wir Pressemitteilungen selten kommentieren (auch nicht von Parteien, der Polizei oder der Stadt Worms). Etwaige Kommentierungen behalten wir uns für unser gedrucktes Magazin vor. Dem unge- kürzt veröffentlichten Offenen Brief haben wir beigefügt: „Wir möchten zudem darauf verweisen, dass es sich bei dem Text um eine Reaktion auf zwei vorangegangene Pressemitteilungen der Stadt und der CDU Worms handelt. Die Stadt bat in dieser Mitteilung um Dialog, worauf die Autoren dieses Textes in öffentlicher Form eingehen. Wenn es eine Chance ist, zwischen den Montagsspaziergängen und der Politik zu vermitteln, nehmen wir die Kontroversen rund um die Veröffentlichung dieses Offenen Briefes gerne in Kauf…“ Neben Lob, wie „Kompliment dafür, dass Sie auch diese Sicht der Dinge beleuchten“, erreichten uns aber auch anderweitige Mails oder Kommentare. Die Vorwürfe an uns reichten von „unseriösem Journalismus“ bis hin zu WO! ist unter die Querdenker gegangen“. Nach 77 Kommentaren in wenigen Stunden haben wir die Kommentarfunktion abgestellt, um eine zunehmend ausufernde Diskussion nicht noch weiter ausufern zu lassen.

CDU ZEIGT GESPRÄCHSBEREITSCHAFT

Drei Tage später erreichte uns eine E-Mail der CDU Rheinhessen, in der Bürgermeisterin STEPHANIE LOHR, Oberbürgermeister ADOLF KESSEL, der Bundestagsabgeordnete JAN METZLER, Landrätin DOROTHEA SCHÄFER und sechs Bürgermeister aus den umliegenden Gemeinden auf den Offenen Brief der Spaziergänger eingehen: „Aufmerksam haben wir in den letzten Tagen die Debatte um unsere gemeinsame Erklärung zu den Montagsspaziergängen sowie um den darauffolgenden offenen Brief eines anonymen Verfassers verfolgt…()….Uns ist es ernst damit, dass wir als Gesellschaft eine weitergehende Spaltung nicht zu- lassen wollen und dürfen und nehmen gerne die Einladung des Verfassers des Briefes an und stehen für den Dialog zur Verfügung. Da Sie die Veröffentlichung des offenen Briefes als Chance sehen, zwischen den Montagsspaziergängern und der Politik in den Dialog zu kommen, würden wir uns herzlich freuen, wenn Sie als WO! Magazin ein persönliches Gespräch zwischen dem Verfasser und uns begleiten würden.“

EIN GESPRÄCH SOLL KOMMEN

Für die Spaziergänger gilt: Ein stiller Protest mag eine gewisse Zeit seinen Reiz besitzen, aber irgendwann müssen auch mal konkrete Forderungen kommen. Dazu gehört auch, nicht nur zu lamentieren, was alles schlecht lief, sondern konkret zu sagen, wie es zukünftig besser laufen soll. Nur ein Dialog kann in dieser Situation die verhärteten Fronten entspannen. Und dazu wird es kommen. Auf Vermittlung unseres Magazins soll ein Gespräch zwischen STEPHANIE LOHR, JAN METZLER und dem Bürgermeister der VG Wonnegau, WALTER WAGNER, mit drei Personen aus dem Spektrum der Spaziergänger stattfinden. Um noch einmal auf die Worte unseres FACEBOOK-

Postings zurückzukommen: „Wenn es eine Chance ist, zwischen den Montagsspaziergängen und der Politik zu vermitteln, nehmen wir die Kontroversen rund um die Veröffentlichung dieses Offenen Briefes gerne in Kauf…“ Das Gespräch soll im Februar stattfinden. Mehr dazu in unserer März-Ausgabe.

Kommentar: Frank Fischer

Fotos: Dennis Dirigo