Die unendliche Geschichte des Wormser Jugendzentrums und des Jugendtreffs
In weniger als zwei Jahren feiert das Jugendzentrum sein 20. Jubiläum, allerdings nicht in haptischer Form, sondern lediglich als Lippenbekenntnis, das erstmals 2003 über die Lippen des damaligen Oberbürgermeisterkandidaten Michael Kissel kam. Seitdem entwickelte sich das Projekt zum tragischen Dauerbrenner, der bis heute keine Umsetzung fand.
Geplant war das Zentrum als Ersatz für das in die Jahre gekommene Haus der Jugend in der Würdtweinstraße. Moderner und größer sollte es sein, ein Anlaufpunkt gleichermaßen attraktiv für Kinder und Jugendliche. Passiert ist bis heute nichts. Zahlreiche Hallen wurden zwar begutachtet, aber stets die Pläne verworfen. Geblieben ist lediglich der Wunsch, das Zentrum innerhalb des ehrgeizigen Stadtentwicklungsprojekts „Grüne Schiene“ auf dem Bahngelände östlich der Güterhallenstraße zu errichten. Auf der Homepage zu dem Projekt ist als Zeithorizont „mittelfristig“ definiert. Ein im Grunde nichtssagender Begriff. Zudem heißt es dort:
„Es ist ein Raumprogramm und die weitere Hochbauplanung zu entwickeln. Die Verortung wird grundsätzlich wegen der Verkehrsgunst in Nähe des Auftaktplatzes zwischen Grüner Schiene und Bahnhofsvorplatz vorgeschlagen.“
Stadtratsmitglied Peter Englert (FWG/Bürgerforum Worms) stellte nun eine Anfrage an die Stadt, wie der aktuelle Sachstand sei. Die Antwort: Man sei in Verhandlung mit der Bahn, aber nach wie vor gäbe es keine Einigung. Zumindest hätte die Bahn der Stadt versichert, dass man die Absicht hätte, die Grundstücke der Bahn an die Stadt zu verkaufen. Die letzten Gespräche zwischen der Abteilung Stadtentwicklung und der Bahn hätten im Januar dieses Jahres stattgefunden. Englert wollte zudem wissen, ob es eine Suche abseits der Bahnflächen gäbe. Tatsächlich prüfe man derzeit, ob sich der aktuelle Standort des Haus der Jugend für ein Jugendzentrum eigne. Ausgang ungewiss! Kurzum, es gibt keine Perspektive.
Keine Angebote für junge Menschen in der Innenstadt
Dass eine Anlaufstelle für Wormser Jugendlichen notwendig ist, das bezweifelt niemand. Insbesondere in der Innenstadt, wo rund 2.800 junge Menschen leben, kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Ruhe suchenden Anwohnern und jungen Menschen, die sich treffen, abhängen und auch mal laut sein wollen. Seit mehreren Jahren ist ein besonders beliebter Ort der Ludwigsplatz. Im Frühjahr rückte dieser verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Polizei, Stadt und Anwohner beklagten unisono rüpelhafte Verhaltensweisen bis hin zu Sachbeschädigungen und Ruhestörungen. Nachdem das Problem auch auf der Agenda der städtischen Ausschüsse landete, glaubte die Stadt alsbald eine Lösung gefunden zu haben. Die sollte auf den Namen Jugendtreff hören. Wie Sozialdezernent Waldemar Herder erklärte, sei dieser bereits seit 2016 Teil eines Konzepts „Jugendarbeit in Worms“. Geplant ist eine feste Räumlichkeit zu finden, in der man in der Innenstadt diesen Treff eröffnen kann. Doch auch hier zeigen sich Parallelen zum endlos vor sich hin mäandernden Jugendzentrum oder anders gesagt, die Mühlen der städtischen Bürokratie mahlen langsam und eine passende Immobilie ist in weiter Ferne. Im April sollte dann aber alles ganz schnell gehen, nachdem die innerstädtischen Konflikte vermehrt auch in den Medien thematisiert wurden. Bereits am 1. Mai sollte der Jugendtreff in Form einer Holzhütte auf dem Ludwigsplatz seine Pforten öffnen. Das fanden wiederum Anwohner und umliegende Geschäftsleute nicht gut. Nachdem die Polizei vermehrt auf dem Platz kontrollierte, kehrte dort langsam Ruhe ein. Die Anlieger befürchteten wiederum, dass durch diesen geplanten Anziehungspunkt diese Ruhe gefährdet werden könnte. Doch das Leben bahnt sich seinen Weg, genauso wie die jungen Menschen in der Innenstadt. Es dauerte nicht lange und die Konflikte zwischen Jung und Alt traten in anderen Bereichen der Innenstadt auf. Vermehrt kam es zu Beschwerden in der Herta-Mansbacher-Anlage und am Synagogenplatz. Schon früher kam es an dieser Stelle immer wieder zu Konfliktsituationen, doch die fehlenden Perspektiven und Beschäftigungsmöglichkeiten durch die Corona Bekämpfungsmaßnahmen verschärften in den letzten Monaten die Probleme. All das zeigt, es reicht nicht, restriktiv zu handeln, sondern man muss die Verhaltensauffälligkeiten auch als Warnung oder Hilferuf verstehen. Klar ist, die Probleme verschwinden nicht einfach durch Kontrollen, sondern verlagern sich lediglich. Aber wie geht es nun weiter?
Was wurde aus dem Jugendtreff?
Zwei Monate ist es nun her, dass der Jugendtreff mit einer provisorischen Hütte, die auch gerne mal als Wachhütte betitelt wurde, im Umfeld des Ludwigsplatz aufschlagen sollte. Außer einem Bauwagen, der nicht wie von einer Tageszeitung kolportiert als Jugendtreff diente, regte sich wenig auf dem Platz. Vielmehr scheint der provisorische Jugendtreff nicht mehr Gegenstand der aktuellen Jugendarbeit zu sein. Betrieben werde sollte dieser vom Diakonischen Werk Rheinhessen, das von der Stadt den Auftrag erhielt. Auf Nachfrage von WO! erklärt der städtische Pressesprecher Jonas Diebold, dass das Diakonische Werk ab 1. Juli eine neue Fachkraft beschäftigt, die das bereits existierende Team mobile Jugendarbeit unterstützen soll. Geplant sind im Sommer erste Angebote (Aktionen, Ferienprogramm, u.a.). Bereits Ende Juni verschickte der Träger eine Pressemitteilung, in der man darüber informierte, wie man derzeit Kontakte mit Jugendlichen in der Stadt knüpfe. Das Programm läuft unter dem Namen „Gute Laune in Tüten“. Zwei Mitarbeiterinnen verteilten hierbei fleißig Wundertüten gefüllt mit Süßigkeiten. Weiterer Inhalt: ein Büchlein mit Motivationssprüchen und Platz um „über sich selbst nachzudenken, Neues auszuprobieren und auf andere Gedanken zu kommen.“ Laut den Mitarbeiterinnen käme diese Aktion gut an. Was den Jugendtreff betrifft, so konzentriert man sich derzeit auf die Suche nach einer festen Örtlichkeit. Diebold hierzu:
„Weiterhin problematisch gestaltet sich die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten für einen Jugendtreff. Auch hier haben wir in den letzten Wochen wieder mehrere Objekte geprüft. Es gibt allerdings bisher kein positives Ergebnis.“
Man darf gespannt sein, ob Wundertüten alleine reichen, um kraftstrotzende, pubertierende junge Menschen zu besänftigen.