Moralisches Empfinden ist etwas sehr Kompliziertes, sind die Grenzen doch immer wieder fließend zwischen richtig und falsch, anständig und unanständig. In der Politik ist diese Frage zudem noch einer gewissen Parteien-Ideologie unterworfen, wodurch es immer wieder zu Entscheidungen von Politikern kommt, die vielleicht moralisch nachvollziehbar sind, aber juristisch nur Kopfschütteln verursachen.

Eine solche Angelegenheit ist die Kündigung von vier Mitarbeitern des Wormser Ordnungsamtes im vergangenen Jahr. Oberbürgermeister Kissel hat hierbei sein persönliches moralisches Empfinden über die Rechtsprechung gestellt. Grund für die Kündigung war ein Whatsapp-Chat von sieben Mitarbeitern. Dort wären fremdenfeindliche Nachrichten getauscht worden, woraufhin ein Mitarbeiter dies meldete und vier Beschuldigte fristlos entlassen wurden. Die klagten und bekamen Recht. Das Gericht betonte in diesem Zusammenhang den hohen Stellenwert der Privatsphäre und kassierte die fristlose Kündigung. Für Michael Kissel nicht hinnehmbar, dabei sind die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit hohe demokratische Güter, für die auch die SPD steht. Der OB erklärte sein Vorgehen damit, dass er „derart inakzeptables und verabscheuungswürdiges Gedankengut“ in einer kulturell aufgeschlossenen und vorurteilsfreien Verwaltung nicht dulden kann. Was für widerwärtiges Zeugs die Mitarbeiter verschickt haben, wissen indes die Wenigsten. Die Mitarbeiter selbst erklärten unlängst, dass sie sich von den rassistischen Vorwürfen eindeutig distanzieren und solch explizite Inhalte nicht geteilt wurden. Eine Auffassung, die die ermittelnde Staatsanwaltschaft offenbar teilt. Weil es keine hinreichenden Anhaltspunkte für strafbare Handlungen gebe, wird von der Einleitung eines Verfahrens abgesehen, erklärte die Staatsanwaltschaft Mainz. Die Mitarbeiter müssten keine strafrechtlichen Ermittlungen fürchten, wohl dem aber die nächste arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung. Das Ganze weckt Erinnerungen an zwei Fälle aus den Jahren 2009/2010. Zum einen die deutschlandweit für Aufmerksamkeit sorgende Entlassung von vier Schwimmbadkassiererinnen. Vorgeworfen wurde den Frauen die Unterschlagung von 34 Euro Fundgeld aus einer Kaffeekasse. Die Kündigung wurde vor Gericht für unwirksam erklärt und die Damen wieder eingestellt, wenn auch nicht auf ihrer alten Stelle. Der andere Fall war das ominöse Verschwinden einer größeren Geldsumme (ca. 60.000.- Euro) bei der Touristinformation. Auch hier ermittelte die Staatsanwaltschaft . Die Stadt selbst sah von einer Kündigung oder etwaigen Konsequenzen gegenüber den Verantwortlichen ab. Man begründete dies damit, dass die Sache aufgrund einer nicht vorhandenen Buchhaltung nicht nachvollziehbar sei. Die einzige Konsequenz war die Aufforderung, zukünftig ordentlich Buch zu führen. Bereits hier konnte man die Frage stellen, ob nicht mit zweierlei Maß gemessen wurde.

Ein ganz anderer Fall, aber nicht weniger brisant, der ebenfalls – neben den juristischen – auch moralische Fragen aufwirft, ist die Geschichte um den Oppenheimer Bürgermeister Marcus Held. Wie bekannt ist, laufen gegen diesen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die zwischenzeitlich sogar ausgeweitet wurden. Die Vorwürfe sind vielfältig und werden von einem Bericht des Landesrechnungshofs gestützt. Wahrscheinlich wäre jeder normale Mitarbeiter in dieser Situation bis zur weiteren Klärung längst suspendiert worden. Marcus Held hingegen inszeniert sich immer noch als Opfer einer Verschwörung, gestützt vom eisernen Schweigen seiner Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Während zwischenzeitlich einige SPD Politiker des Landkreises Mainz-Bingen deutlich kritische Worte zu Helds eigentümlichem Moral- und Amtsempfinden fanden, ist aus Worms bislang kein einziges kritisches Wörtchen zu hören. Moral ist offenbar auch eine Frage, in welcher Position man sich befindet. Dass hinter den Handlungen der genannten Politiker, sowohl bei Kissels „Privatfehde“ als auch Helds perfider Rechtsauffassung, auch die massive Verschwendung von öffentlichen Steuergeldern steht, wirft ebenso moralische Fragen auf. Die werden aber von Selbigen nicht gerne gestellt. Beide Fälle werden wohl noch eine Zeitlang Anwälte und Gerichte beschäftigen und zumindest irgendwann eine juristische Antwort finden. Marcus Held, der seit 30. Januar seine Ämter aus gesundheitlichen Gründen ruhen lässt, erklärte, dass er, ungeachtet dessen, weiterhin kooperativ zur Aufklärung beitragen möchte. Die Moral seines Handelns indes, muss er für sich alleine klären.