Jetzt, wo die Sommermonate beginnen und sich die Kulturveranstaltungen der Stadt nach draußen verlagern, erhält „Das Wormser“ eine kleine Verschnaufpause, ehe es im September wieder kulturell weiter geht (mehr zum neuen Programm auf Seite 28). Grund genug, die Sommerpause zu nutzen, um eine kleine Bilanz zu ziehen, ob sich die 50 Millionen Investitionskosten in den Wormser Kulturtempel tatsächlich gelohnt haben.
Im Januar 2011 feierte ein Kultur- und Tagungszentrum Neueröffnung, dessen Konzeption der Kompromiss aus vielen hitzigen politischen Debatten war. Zunächst stand schon seit etlichen Jahren die Forderung im Raum, dass Worms doch endlich eine Stadthalle brauche. Für Empfänge, Konzerte, Theaterveranstaltungen, Musicals. Schlichtweg alles wollte man in dieser neuen Stadthalle unterbringen, gerne auch mal „Wetten dass“, das es damals noch gab und das tatsächlich öfters mal in kleineren Städten Station machte. Am besten, so der damalige Tenor der politisch Verantwortlichen, solle die Halle flexibel nutzbar sein und mit Trennwänden könne man auch die Größe variabel gestalten, so dass idealerweise vielleicht sogar zwei Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden können. Mit der Prinz Carl Anlage war auch der Standort bereits ausgeguckt und der Hotelier Kani hatte nebenan sein Prinz Carl Hotel gebaut, das Gäste von auswärts aufnehmen sollte, wenn man wieder eine große Veranstaltung in der Wormser Multifunktionshalle steigt. Doch dann kam alles anders. Die Wormser CDU forderte eine Bedarfsanalyse, um zu ermitteln, ob es in Worms überhaupt genug Bedarf für eine Stadthalle gibt. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus, laut Bedarfsanalyse würde sich die große Lösung Stadthalle mangels Nachfrage nicht rechnen. So entschied man sich für eine kleine Lösung, die grob gesagt die Sanierung des alten Theaters und einen Anbau mit Mozartsaal und zusätzlichem Tagungsbereich in der Rathenaustraße vorsah. Für diese „kleine Lösung“, im Vergleich zu der großen Lösung Stadthalle (mit einem entsprechend größeren Fassungsvermögen), wurden 25 Millionen Euro Baukosten veranschlagt. Schon nach der ersten Ausschreibung war jedoch klar, dass man diesen Kostenrahmen niemals würde einhalten können, ehe bei der Eröffnung 2011 letztendlich fast doppelt so viele Baukosten zu Buche standen. Wohlgemerkt für die „kleine Lösung“ als Alternative zur Stadthalle.
Das Wormser Theater läuft nach wie vor gut
Seitdem sind viereinhalb Jahre vergangen und der Erfolg des Wormser Kultur- und Tagungszentrums ist von eher zwiespältiger Natur. Das Programm im Wormser Theater konnte sich bereits vor der Sanierung sehen lassen und auch viereinhalb Jahre nach der Eröffnung ist man auf einem guten Weg, weil der Theaterfachmann der Stadt, Oliver Mang, in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet hat. Mang profitiert hierbei auch ein Stück weit davon, dass die Gagen im Theaterbereich nicht ganz so sehr wie im Konzertbereich explodiert sind und er für vernünftige Preise immer noch qualitativ hochwertige Theaterproduktionen nach Worms holen kann. Anders sieht das auf dem Konzertmarkt aus, wo die Künstlergagen nach oben geschnellt sind, seit Musiker mit ihren CDs kein Geld mehr verdienen können. Wirft man nämlich im Wormser einen Blick nach nebenan, wo ein Großteil der 50 Millionen Baukosten für einen neuen Mozartsaal und einen Tagungsbereich verbraten wurden, herrscht die meiste Zeit über gähnende Leere. Um der guten Stube der Stadt ein wenig Beschäftigung zu verschaffen, weichen ab und zu Komiker wie Ingo Appelt, Tobias Mann oder Ralf Schmitz in den Mozartsaal aus, meistens wegen eines größeren Bühnenaufbaus, könnten von den Zuschauerkapazitäten her im Prinzip aber auch im Theatersaal auftreten. Auch wird mal eine Pressekonferenz der Nibelungen Festspiele im Mozartsaal abgehalten. Jedoch Musikevents kann man, übers Jahr betrachtet, fast an einer Hand abzählen. Dafür, dass man den Mozartsaal auch als Saal für Konzerte und für ein jüngeres Programm angepriesen hatte, hält sich das Interesse der auswärtigen Veranstalter, den Saal für Konzerte anzumieten, bisher stark in Grenzen. Um nicht zu sagen, es ist schlichtweg kein Interesse vorhanden. Und so bemüht sich die Kultur- und Veranstaltungs GmbH der Stadt Worms zwar redlich darum, auch mal hie und da Konzerte für ein jüngeres Publikum anzubieten – bisher jedoch mit eher mäßigem Erfolg. Seit Anfang 2011 war der Mozartsaal exakt ein einziges Mal mit knapp 1.250 Besuchern restlos ausverkauft. Das war im November 2014 bei dem Konzert des Schlagerbarden Dieter Thomas Kuhn, der zwar auch ein junges Publikum zieht, aber seit 1994 auf der Piste ist, so dass man nach zwei Jahrzehnten kaum noch von einem Programm für junge Leute sprechen kann. Zuletzt hat man mit den Bands „Stanfour“, „Vanden Plas“ und „Staubkind“ um (junge?) Besucher gebuhlt. Mit unterschiedlichem Erfolg, jeweils zwischen 100 und 300 Fans lockten die Konzerte an. Die kamen zumeist von außerhalb, an den Wormsern gingen die Konzerte nahezu komplett vorbei. Für den Herbst hat man mit „Chima“ einen jungen Künstler verpflichtet, der kürzlich mit „Ausflug ins Blaue“ einen Radiohit landen konnte. Auch hier hat man eine ähnliche Besucherzahl anvisiert, so dass die alljährlich im Dezember ausgetragene Wormser Rocknacht mit 500 Besuchern tatsächlich zu den beständigen Kassenschlagern zählt. The Sweet, eine AC/DC Coverband, die Originalbegleitmusiker von Frank Zappa und Schlagersängerin Claudia Jung richten sich dagegen klar an die etwas betagtere Generation. Auf die Auslastung darf man in allen Fällen gespannt sein. Ach ja, die Wahl der Rheinessischen Weinkönigin findet ebenfalls 2015 im Mozartsaal statt.
Das Problem mit der Größe
Dass man es in Worms nicht schafft, Musiker und Bands hierher zu holen, die den Mozartsaal füllen, verwundert insofern, weil der Konzertmarkt boomt wie noch nie. Weil man jedoch in Worms aufgrund der eingangs erwähnten Bedarfsanalyse auf eine kleine Lösung gesetzt hat, geht dieser Markt nahezu komplett an uns vorbei. Die Probleme, die jetzt die Verantwortlichen der KVG ausbaden müssen, sind hausgemacht und Ergebnis der politischen Lösung, liegt doch der Konzeption des Mozartsaals schlichtweg eine Fehlplanung zugrunde, die wir in unserem Magazin schon lange vor der Eröffnung des 50-Millionen-Tempels bemängelt haben. Vom Prinzip hat man nun zwei nahezu identisch große Veranstaltungslocations nebeneinander gebaut. Im Wormser Theater können 844 Leute sitzen, im Mozartsaal bringt man sitzend 610, stehend 1.250 Leute unter. Somit hat man für beide Säle Künstler im Visier, deren Kapazitäten zwischen 600 und 1200 Besuchern liegen. Wenn man nun die Gesamtkosten, die für Anmietung von Theater oder Mozartsaal anfallen (siehe Infokasten), addiert mit den Kosten für Marketing und Organisation eines solchen Events, dann kommt man locker auf 15.000 Euro Grundkosten, die anfallen, obwohl man noch keine einzige Karte verkauft hat. Somit kann man als Fremdveranstalter nur Künstler anbieten, deren Gagenforderungen irgendwo im Bereich 10.000 Euro liegen. Denn zwar sind auch die Eintrittspreise für Konzerte in die Höhe geschossen, jedoch gilt das hauptsächlich für die Branchengrößen wie AC/DC, Rolling Stones oder U2, die zwar dreistellige Eintrittspreise aufrufen, aber eben auch ein Riesenevent für locker 50.000 Leute aufziehen. Musiker jedoch, die in einer Kleinstadt wie Worms einen 1250-Mann-Saal füllen wollen, müssen in Sachen Eintritt erheblich kleinere Brötchen backen und können allenfalls zwischen 20 und maximal 35 Euro aufrufen. Bei zu erwartenden Einnahmen um die 30.000 Euro, darf die Gage eines Künstlers, der im Mozartsaal in Worms auftreten soll, vom Prinzip also nicht höher als 10.000 Euro sein, sofern man als Konzertveranstalter auch noch etwas verdienen will. Genau das wird jedoch richtig schwierig, bekommt man dafür in der heutigen Zeit allenfalls Altstars, die noch einmal durch die Provinz tingeln, aber keinesfalls eine volle Halle garantieren. Stellvertretend seien Namen wie Heinz Rudolf Kunze oder Klaus Lage genannt. Auch die Verpflichtung von Newcomerbands, die auf dem Sprung nach oben sind und noch bei 10.000 Euro Gage liegen, werden immer mit einem gewissen Risiko behaftet sein, weil Worms nicht das Potential an jungen Leuten (Stichwort: Studenten) hat wie beispielsweise Mainz, Darmstadt, Mannheim oder Wiesbaden. Ansonsten bekommt man in dem angesprochenen Preissegment allenfalls noch professionelle Coverbands wie Völkerball (Rammstein Tribute), die in Sachen Bühnenshow dem Original in Nichts nachstehen, aber eben mittlerweile auch Gagen im fast fünfstelligen Bereich aufrufen. Auch wenn Völkerball z.B. in Lorsch jedes Jahr Open Air zwischen 600 und 800 Besuchern ziehen, heißt das noch lange nicht, dass der Mozartsaal in Worms mit 1.250 Plätzen ausverkauft wäre. Um einmal die Dimensionen klar zu machen, wie viel Geld angesagte Künstler heutzutage an Gagen verlangen, nur eine Zahl: Nach Schätzungen von Experten hat Jan Delay für das Sonderkonzert bei Jazz & Joy zwischen 80.000 und 90.000 Euro erhalten. Von daher kann man sich ausrechnen, welche „angesagten Künstler“ man heutzutage noch für 10.000 Euro erhält.
Den Konzertmarkt verschlafen
Zugkräftige Newcomerbands werden also auch weiterhin eher in die genannten Uni-Städte in der Nachbarschaft ausweichen, weil sie dort auf 3 – 4 Mal so viele Studenten wie hier treffen. Ganz davon abgesehen, dass die meisten Musikclubs in der Region etwas cooler als unser Kultur- und Tagungszentrum aussehen, haben sich in den letzten Jahrzehnten bereits zahlreiche Klubs in der Nachbarschaft einen Namen mit der Ausrichtung von Livekonzerten gemacht. Stellvertretend seien genannt: Capitol, Alte Feuerwache oder Alte Seilerei (Mannheim), Das Haus (Ludwigshafen), Centralstation oder Die Krone (Darmstadt), Batschkapp (Frankfurt), KUZ (Mainz), Schlachthof (Wiesbaden). Um in diesen seit Jahren bestehenden Markt einzudringen, hätte man am Anfang, kurz nach der Eröffnung von „Das Wormser“, ein paar Euro investieren müssen, um den Saal in der Region bekannt zu machen. Aber da man bereits 50 Millionen Euro nur für den Bau verschludert hatte, blieb nur noch Kleingeld für die Vermarktung des teuren Kulturtempels übrig. Die Folge: Auch viereinhalb Jahre nach der Eröffnung machen Veranstalter und Agenturen immer noch einen weiten Bogen um den vermeintlichen Konzertsaal im Wormser. Und das wird sich in Anbetracht weiter steigender Künstlergagen auch nicht mehr ändern.
Problemgeschäft Tagungen
Ebenfalls hatten wir schon vor Jahren im Zuge der neu vorgestellten Konzeption, in Worms einen Tagungsbereich mit anbieten zu wollen, vor den Risiken dieses schwierigen Geschäftes gewarnt, das sich schon damals viele Hotels unter den Nagel gerissen hatten. Wenn große Firmen oder zum Beispiel Mediziner eine Tagung abhalten, nimmt ein Großteil der tagungswilligen Geschäftsleute gerne die Angebote der großen Hotelketten wahr, weil sie anschließend direkt auf ihr Zimmer gehen oder sich im Wellnessbereich des Hotels noch ein bisschen vergnügen können. In Worms hat man zwar genügend kleinere Tagungsräume und einen entsprechend großen Veranstaltungsraum (den Mozartsaal) gebaut, jedoch ohne zuvor für die nötige Infrastruktur in der Stadt gesorgt zu haben, hier gibt es zwar einige Gästehäuser und Hotels im mittleren Segment, aber nichts im gehobenen Standard, weshalb auch Nico Hofmann bei seinem Besuch in Worms im Mainzer Hilton-Hotel abgestiegen ist. Aufgrund der unbefriedigenden Hotelsituation ist die Stadt jedoch nicht nur für den neuen Intendanten der Nibelungen Festspiele uninteressant, auch für Geschäftsleute von außerhalb fehlt der gewisse Anreiz, ausgerechnet in Worms zu tagen. Derweil scheint der Bedarf der Wormser Geschäftswelt nicht so stark ausgeprägt zu sein, so dass das so groß anvisierte Tagungsgeschäft derzeit genauso vor sich hin siecht wie die Vermarktung des Mozartsaals als Konzertlocation. So bleibt wenigstens als kleiner Trost, dass unser OB seinen 60. Geburtstag in der guten Stube der Stadt feiern konnte. Auch wenn sonst noch einiges im Argen liegt, haben sich doch alleine dafür schon die 50 Millionen Investitionskosten gelohnt.
Die Kosten für die Anmietung von Mozartsaal oder Wormser Theater:
Wenn man den Mozartsaal anmieten will, fallen zwar offiziell nur 2.400.- € Raummiete an. Da man mit der Raummiete alleine aber keinen Abend bestreiten kann und nahezu alle Arbeiten und Arbeitskräfte ausgelagert wurden und somit für Veranstaltungen wieder extern angemietet werden müssen, steigen die Kosten noch um einiges. So schlagen z.B. ein Ton- oder ein Lichttechniker mit einem Tagessatz von jeweils 275 € zu Buche. Für Gebäudetechnik fallen zwischen 11 und 24 Uhr noch einmal 845.- € an, für Projektmanagement 245.- €. Auch Lichtpaket (890.- €) und Tonpaket (410.- €) müssen extra bezahlt werden. Dagegen sind Sanitätsdienst (116.- €) und Brandsicherheitsdienst (136.- €) zwar nur Peanuts, aber eben zwingend notwendig und summieren den gesamten Deckel noch zusätzlich. So fallen im Endeffekt nicht nur die 2.400 € Raummiete an, sondern man kommt auf fast 6.000 € zzgl. Mwst., die man für das komplette Paket Mozartsaal zahlen müsste. Und das ist sogar noch günstig im Vergleich zum Wormser Theater direkt nebenan, das trotzdem knapp drei Viertel der Veranstaltungen austrägt. Erschwerend kommt hinzu, dass für das Theaterpublikum mehr Garderobenpersonal (9) nötig ist, das mit 810.- € deutlich teurer ausfällt als beim Mozartsaal, wo nur vier Kräfte eingesetzt werden (360.- €). Außerdem fallen beim Wormser Theater zusätzlich noch Kosten an für einen Bühnentechniker (550.- €) und einen Bühnenmeister (350.- €), die beide für acht Stunden zur Verfügung stehen. Zudem muss im Theater ein Pförtner zusätzlich entlohnt werden, der mit 116.- € zu Buche schlägt. Da außerdem die Raummiete fürs Theater 200.- € teurer als im Mozartsaal ist, kostet das Komplettpaket fürs Wormser Theater stolze 7.618.- €. Die kürzlich in der Wormser Zeitung aufgebrachte Diskussion, dass der Mozartsaal zu teuer für Wormser Vereine sei, förderte zwar das politische Standardargument zu Tage, dass regionale Vereine 80% Rabatt auf die Raummiete erhalten würden. Dies bezieht sich jedoch nur auf die Raummiete, die beim Mozartsaal 2.400.- € beträgt. Die oben aufgeführten Nebengeräusche, die sich auf mehr als 3.500 € summieren, sind von dieser Rabattierung ausgeschlossen. Trotzdem gibt es auch über den Kulturdezernenten Volker Gallè Fördermöglichkeiten, die von Vereinen immer noch zu wenig ausgeschöpft werden.