Als die Domgemeinde im Januar 2013 den Entwurf für ein „Haus am Dom“ präsentierte, ging binnen kürzester Zeit ein nie zuvor gekannter Aufschrei durch die Wormser Bevölkerung. Wer bisher geglaubt hatte, dass sich über Geschmack nicht streiten lässt, wurde hier eines Besseren belehrt. „Dieser Klotz darf nicht gebaut werden!“ so die nahezu einhellige Meinung der Wormser…
Um eine seit 1830 bestehende Baulücke zu schließen, hatte die Domgemeinde einen Wettbewerb initiiert, bei dem insgesamt 13 Architekturbüros (darunter 3 Wormser Büros) Vorschläge eingereicht hatten. Eine extra gebildete Jury aus Architekten, Stadtplanern, Denkmalpflegern, Vertretern des Baumamtes, der Dom-Gemeinde und des Bistums Mainz votierten einstimmig für den Entwurf des Berliner Architekturbüros „Heidenreich & Springer“. Wie die Domgemeinde als Begründung für den geplanten Neubau angab, brauche man dringend einen neuen Gemeindesaal, der im Erdgeschoss ebenso untergebracht sei wie ein Café und ein Verkaufsshop, in dem man Postkarten, Souvenirs, Bücher/Broschüren über den Dom, aber auch geistliche Bücher oder sonstige Devotionalien (Kerzen, Weihrauch, etc.) erhalten sollte. Neben kleineren Sälen wollte man im Dachgeschoss auch zwei Wohnungen unterbringen. Getreu dem Motto „irgendwo muss die Kirchensteuer ja hin“ wollte sich die Domgemeinde diesen Klotz am Dom veranschlagte 3,5 Millionen Euro kosten lassen. Das warf gleich mehrere Fragen auf: „Warum muss die Kirche ein Café bauen direkt gegenüber von den erst vor einem Jahr eröffneten DomTerrassen?“, „Warum muss sich die Kirche als Wohnungsbauunternehmen betätigen, obwohl in Worms alles andere als Wohnungsnot herrscht?“ Oder „Warum braucht eine Institution, der die Mitglieder weltweit in Scharen davonlaufen, einen neuen 150 m2 großen Gemeindesaal?“ All diese Fragen blieben ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob man tatsächlich alle Alternativen im Umfeld geprüft hatte. Denn dass die Domgemeinde einen neuen Gemeindesaal braucht, darüber wollte niemand so recht diskutieren, allenfalls über den Standort und die Größe des Gebäudes. Bis heute dokumentierten 16.000 Leute mit ihrer Unterschrift, dass sie den Blick von der Südseite auf den Wormser Dom am liebsten komplett freihalten würden. Derweil gab Oberbürgermeister Kissel, der sich „ein Gebäude an dieser Stelle sehr gut vorstellen“ konnte, gegenüber der WZ an, dass er es bedauere, dass es in Worms „fast schon eine Tradition sei, aus Furcht vor Veränderung Neues erst einmal abzulehnen“. Dabei vergaß er vollkommen zu erwähnen, dass er selbst genau deshalb zwei Mal zum OB gewählt wurde, weil die Wormser „aus Angst vor Veränderung“ zumeist die SPD wählen. Dem umstrittenen Entwurf für ein „Haus am Dom“ nützte Kissels versuchte Schützenhilfe nichts mehr. Aufgrund der massiven Proteste aus der Bevölkerung gab die Domgemeinde klein bei und versprach, in „absehbarer Zeit“ einen neuen Entwurf zu präsentieren, bei dem man die Kritikpunkte berücksichtigen würde. Tatsächlich wurde knapp zehn Monate später ein neuer Entwurf präsentiert, der zunächst auch den Segen der Wormser zu erhalten schien. Allerdings nur so lange, bis auch der Letzte, zuvor geblendet von niedlich kleinen Baumodellen, gemerkt hat, dass auch der neue Entwurf den Dom nicht unerheblich verdeckt und von den Maßen her nur unwesentlich kleiner als der erste Entwurf ist. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, die aktuelle Entwicklung in dieser Sache können Sie auf den Seiten 6 – 9 nachlesen.
Übrigens: Unsere Februar-Ausgabe mit dem ersten Entwurf vom „Haus am Dom“ mit der Schlagzeile „Herr, vergib ihnen – denn sie wissen nicht was sie tun“ war im Jahr 2013 der am häufigsten geteilte WO! Titel bei FACEBOOK.