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Neben hörenswerten Newcomern bot der Festivalsamstag auch gut gemachten Deutschpop von ENNO BUNGER oder JUPITER JONES. Auf das tanzfreudigste Publikum trafen die kubanischen Erben von Compay Segundo, ECOS DE SIBONEY. Für den spektakulärsten und stimmungsreichsten Auftritt sorgte die zehnköpfige Brass Band MOOP MAMA auf dem Marktplatz.
Bei „Jazz and Joy“ unterwegs zu sein, bedeutet auch, immer mal wieder musikalische Perlen zu entdecken. Als eine solche entpuppte sich die Mainzer Musikerin LIN. Eigentlich würde man das One Woman Elektro Pop Projekt eher auf dem Mannheimer Maifeld Derby Festival vermuten. Alle Instrumente spielend, unterlegt mit einem dezenten Beat und jeder Menge Klangexperimenten, hatte ihr Sound einen einnehmend träumerischen Charakter. Wenn es einen Preis für das lauteste Konzert an diesem Wochenende gäbe, die Band rund um den Musiker ENNO BUNGER wäre ein sicherer Kandidat. Eingewoben in ein mächtiges Soundgewand aus knarzenden Gitarren, Synthie Flächen, wummernden Beats und einem druck- vollen Bass, verbargen sich darunter eingängige Pop Rock Songs, die zuweilen an die frühen Coldplay erinnerten oder an den introspektiven Singer-Songwriter-Pop eines Clueso. Alles nicht wirklich neu, aber durchaus unterhalt- sam. Seit vielen Wochen hat der Sommer Worms fest im Griff. An diesem Festivalsamstag lieferten ECOS DE SIBONEY, die legitimen Erben des weltberühmten kubanischen Musikers Compay Segundo, mit ihren heißen Latino Rhythmen den passenden Soundtrack. Mit Stücken wie dem Buena Vista Social Club Klassiker „Chan Chan“ musste die Band das Publikum erst gar nicht zum Tanz auffordern. Für viele der Zuschauer/innen gab es bereits kurz nach den ersten Takten keine andere Möglichkeit, als einfach ausgelassen mitzutanzen. Als am Ende von „Chan Chan“ die großartig aufspielende Band mit dem Ausruf „Compay, Compay“ dem legendären Musiker huldigte, gab es endgültig kein Halten mehr.
Während der Weckerlingplatz bei Ecos de Siboney zum Bersten gefüllt war, lockten JUPITER JONES zur gleichen Zeit nur wenige Zuschauer auf den Marktplatz, ob- wohl die Band vor gut einem Jahrzehnt die deutsche Popwelt ordentlich aufgemischt und mit „Still“ für den Radiohit des Jahres 2011 gesorgt hatte. Der kam auch ganz unprätentiös in der Mitte des Konzertes zum Einsatz, verbunden mit der Ansage „Stimmt, das ist ja auch von denen!“, ist doch der größte Hit ihrer Karriere ausgerechnet eine typische Radioballade. Drei Jahre nach diesem Erfolg verließ Sänger Nicholas Müller wegen Angstattacken die Band und startete eine nur mäßig erfolgreiche Solokarriere. Jupiter Jones versuchten sich derweil, eben- falls mäßig erfolgreich, mit einem neuen Sänger, um sich 2018 aufzulösen und schließlich im Januar 2021 ein Comeback mit dem alten Sänger zu feiern. Seitdem ist man, mit den alten Hits im Gepäck, ein wenig auf der Suche nach dem Erfolg von früher. In Worms hatte die Band mit „Das Jahr, in dem ich schlief“, „Rennen und stolpern“, „Kopf hoch, Arsch in den Sattel“ oder „Unter uns Darwinfinken“ durchaus veritabel rockende Popsongs im Programm, die aber leider unter der Abmischung litten, weil die starken Texte überhaupt nicht zu verstehen waren. Noch deutlicher wurde dies bei den Ansa- gen von Sänger Nicholas Müller. Während man am Vorabend Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß trotz eines gut gefüllten Marktplatzes noch bis in die hintersten Reihen bestens verstehen konnte, war von dem Jupiter Jones-Frontmann bereits 20 Meter vor der Bühne nur ein unverständlicher Brei zu hören. Schade eigentlich, denn die Songs waren richtig gut. Das hymnische „Berlin“ – mit den entsprechenden „Ohoho“-Mitsingparts fürs Publikum – sorgte für das Ende des Hauptprogramms, bevor sich die Band noch einmal für drei Zugaben auf die Bühne zurückklatschen ließ. Als letzter Song des Abends zeigte die Uptempo Nummer „ImmerFürImmer“ einmal mehr, dass Jupiter Jones eingängige Popsongs mit griffigen Refrains beherrschen. Das spärlich vorhandene Publikum (ca. 300) spendete am Ende jedenfalls kräftig Applaus.
Für DJ AMIR presents JAZZANOVA LIVE war es wahrlich keine einfache Aufgabe, nach dem energiegeladenen Auftritt der Kubaner von Ecos de Siboney das Publikum auf dem Weckerlingplatz für sich zu gewinnen. Bereits 2013 war das Berliner Bandkollektiv auf dem Jazz & Joy Festival zu Gast. Damals sorgten sie dafür, dass Gäste noch Wochen danach von dem Gig schwärmten. Das dürfte in diesem Jahr anders sein. Fast schon diametral zu dem feurigen Sound der Kubaner, spielten Jazzanova behutsam aufgebaute und sorgsam arrangierte Soulsymphonien, die statt eines ausgelassenen Tanzbeins eher Aufmerksam- keit forderten. Das sorgte dafür, dass nicht wenige den Weg zu der deutlich extrovertierteren Brass Band MOOP MAMA suchten, die für den Höhepunkt des Festivalsamstags sorgte und als letzte Band des Abends mit allerhand Mitmachaktionen fürs Publikum mächtig Bewegung auf dem Marktplatz verursachte. Im Laufe des zweistündigen Sets, das eher gediegen begann, sich aber im Laufe des Konzertes immer mehr steigerte, wussten besonders „Molotow“, „Alle Kinder“ und „25/8“ zu gefallen. Die zehnköpfige Brassband aus München, die zu Beginn ihrer Karriere mit unangekündigten Guerilla-Konzerten in Fußgängerzonen und Parks Bekanntheit erlangte, beschreibt ihren Stil als „Urban Brass“ und erinnert mit ihren vielen Bläsern und dem Hip Hop Sprechgesang an ihre kommerziell erfolgreicheren Kollegen von Seeed aus Berlin. Im Jahr 2015 waren Moop Mama schon einmal beim Jazz & Joy in Worms. Damals hatte man einen undankbaren Nachmittags-Slot auf dem Marktplatz, wo es vor ein paar hundert Besuchern auch noch anfing, in Strömen zu regnen. Diesmal war der Markplatz zur Primetime proppenvoll und die Stimmung bestens. Da ließ es sich Moop Mama-Frontmann Keno Langbein auch nicht nehmen, auf Tuchfühlung mit dem Publikum zu gehen und bei einem Song durch die Menge zu laufen. Im Übrigen hatte Langbein zu Beginn des Konzertes von den Qualen berichtet, als Musiker bei hochsommerlichen Temperaturen auf ein Eiscafé blicken zu müssen. Prompt stand schon kurze Zeit später ein frisch zubereiteter Eiskaffee auf der Bühne, vorbeigebracht von zwei freundlichen Vannini-Bediensteten. Das freute den Sänger sichtlich und vermutlich hat man solche Erlebnisse wohl nur in Worms beim Jazz & Joy.
Text: Frank Fischer, Dennis Dirigo
Foto: Andreas Stumpf