Problem- und Zweckentfremdete Immobilien beschäftigten Politik und Verwaltung

Anmerkung der Redaktion: Da uns eine Antwort der Stadt Worms erst nach Drucklegung erreichte, habe wir den Text in der Online-Ausgabe entsprechend ergänzt. Der Absatz ist zur visuellen Abgrenzung kursiv dargestellt.

Längst ist es zu einem unfreiwilligen Mahnmal für bauliche Verwahrlosung, zugleich aber auch Sinnbild für die Verschwendung von potentiellem Wohnraum, das Gebäude die Alte Mälzerei, unweit der Alzeyer Straße. Doch das Haus, das vom Zahn der Zeit mehr als gezeichnet ist, ist nicht die einzige Problembaustelle, die den zukünftigen Stadtentwicklungsdezernenten Timo Horst beschäftigen dürfte.

Bisher sieht die Stadt keine Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Immobilien, die entweder dem Verfall überlassen werden oder einer anderen Nutzung zugeführt werden, der sogenannten Zweckentfremdung. In Zeiten, in denen Wohnraum, insbesondere günstiger, ein begehrtes Gut ist, ist es schlichtweg ein gesellschaftliches Ärgernis. Die Gründe, warum Eigentümer ihre Gebäude anderweitig nutzen oder eben gar nicht, sind mannigfaltig. Im Falle der Alten Mälzerei hält sich der Besitzer in Sachen Transparenz zurück, auch wenn er der Stadt gegenüber erklärte, dass man ein Sanierungskonzept entwickeln möchte. Eine Baugenehmigung wurde schon vor längerer Zeit erteilt, ohne dass etwas geschah. URSULA BIESER, Stadträtin AfD, stellte eine Anfrage und wollte wissen, ob das Gebäude, dessen Dach sich zwischenzeitlich dramatisch nach innen wölbt, einsturzgefährdet sei und wie die Stadt mit dem Gebäude verfahren möchte? Die Antwort des Oberbürgermeisters drückt indes die Hilflosigkeit der Stadt aus. Immer wieder würde sich die Untere Bauaufsichtsbehörde mit der ehemaligen Mälzerei befassen. Ein vom Eigentümer beauftragter Ingenieur attestierte allerdings keine Einsturzgefahr. Nachdem sich der Zustand des Gebäudes weiter verschlechterte, forderte man am 20. Januar 2021 erneut ein Gutachten.

Am 28.07.2021 wurde schließlich der Unteren Bauaufsichtsbehörde eine erneute Stellungnahme des Ingenieurbüros Weisbrod & Partner zum aktuellen Zustand des Gebäudes in der Alzeyer Straße 5 vorgelegt. Nun heißt es, dass man die „Gefahr eines Einsturzes des Daches als mittlerweile gegeben betrachtet. Daher lege man den Eigentümer nahe, das ausgearbeitete Sanierungskonzept zeitnah umzusetzen.“ Die Zentralverwaltung des Eigentümers informierte die Stadt im Anschluss darüber, dass man nun Gespräche mit dem „Nachunternehmen“ führen wolle. Das sollte bereits im August geschehen. Auf Nachfrage von WO! erklärt Hans Brecht, Pressesprecher Stadt Worms, zu dieser Angelegenheit: „Da seit dem anvisierten Zeitraum für die Gespräche mit den Nachunternehmen seitens des Eigentümers wiederum bereits einige Zeit verstrichen ist, wird sich die Untere Bauaufsichtsbehörde mit diesem in Verbindung setzen und den aktuellen Status in Bezug auf das weitere Vorgehen abfragen und abstimmen.“

In der Antwort an die Stadträtin erklärte Oberbürgermeister KESSEL, dass die Stadt nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten besitze, da es sich bei dem Gelände um Privateigentum handelt. Für die Nachbarn, die über herabfallende Trümmer klagen, bedeutet das, selbst juristisch tätig zu werden. Ähnlich sieht es die Deutsche Bahn. Trotz des bedrohlichen Zustands und der Gefahr, dass Trümmer auf die Gleise fallen könnten, erklärte der Konzern der Wormser Zeitung gegenüber, dass man den Eigentümer lediglich auf seine Verkehrssicherungspflicht hinweisen könnte. Vielleicht kommt nach dem jüngsten Gutachten endlich Bewegung in die Alzeyer Straße 5?

Leitfaden im Umgang mit Problemimmobilien

Ein Ärgernis, aber rechtlich nur schwer zu fassendes Problem sind die sogenannten Monteurs- oder Leiharbeiterwohnungen. Die Stadtverwaltung erklärte unlängst zu diesem Problem, dass die Nutzung als Arbeitnehmer-Unterkünfte nicht als Gewerbe genehmigt werden müsse, der Betreiber muss das Gewerbe lediglich anmelden. Eine Kontrolle der Nutzung einer Wohnung sei wiederum nur möglich, wenn akute Gefahr bestehe, schließlich gelte die Unverletzlichkeit der Wohnung. Diese gesetzliche Grundlage verhindere zudem, dass die Stadt präzise Kenntnisse über die Anzahl solcher Wohnungen habe. CHRISTIAN ENGELKE, Bündnis 90/Die Grünen, fragte die Stadt nach der Anzahl der ihnen bekannten Unterkünfte. Als Antwort nannte man ihm die Anzahl von 18 Beherbergungsunterkünften. „Alleine auf der städtischen Internetseite unter der Rubrik „Worms erleben“ findet man allerdings 77 Unterkünfte, die beworben werden“, ergänzt wiederum ENGELKE. Die Stadt erklärt, dass die Grundproblematik bei diesem Thema bereits mit den Begriffen losginge. So seien „Monteurs-Wohnungen“ oder „Arbeitnehmer-Unterkünfte“ keine juristischen Begriffe. Da nütze es auch nichts, auf das „Zweckentfremdungsgesetz“, das 2020 von der Landesregierung erlassen wurde, zu verweisen. Dort heißt es, dass Gemeinden für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren, Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung), wenn sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen könne. Die Verwaltung erkennt bisher in dem Gesetz kein nützliches Instrument, da es eben Privatsache des Eigentümers sei, wie er seinen Wohnraum verwendet. Die Konsequenz wären lange juristische Auseinandersetzungen, die man offenbar scheut.

Leiharbeiterwohnungen vernichten Mietwohnungen

Die Nachfrage nach diesen Wohnungen ist in Worms nach wie vor ungebrochen groß, was eine Folge des Logistikstandorts Worms ist und den überwiegend osteuropäischen Arbeitern, die auf der Suche nach einem zeitlich begrenzten Plätzchen sind. Für Vermieter ist das eine attraktive Einnahmequelle. WO! gegenüber schildert CARLO RIVA (SPD) ein Beispiel, wie man aus wenig Wohnraum viele Leiharbeiterwohnungen macht: „In einem Haus in der Friesenstraße machte man aus zwölf Wohnungen 24, in denen dann 70 Menschen wohnten. Diese erklärten mir, dass sie 30 Euro pro Tag zahlen“. Eine Menge Geld für wenig Service. RIVA schildert, dass die Zustände einer Legebatterie für Hühner ähneln. Auf der Suche nach Flächen, die sinnvoll bebaut werden könnten, ärgert sich Stadtrat RIVA auch über die Verschwendung der Fläche Ecke Friedrich-Ebert-Straße/Liebenauerstraße/Brunhildenbrücke. Einst stand dort ein Wohnhaus. Die Bomben auf Worms am Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten dies, seitdem liegt die Fläche brach und wird hinter einem Holzverschlag notdürftig versteckt. Auf Anfrage RIVAs erklärte die Verwaltung ihm, dass die Fläche als Ausgleichsparkraum für die umliegenden Geschäfte freigehalten werden müsse. Insgesamt umfasst das Areal 6.500 Quadratmeter. Statt wohnungssuchende Menschen finden dort lediglich ein paar Autos eine Heimat. Vor einigen Jahren rief Ex-Oberbürgermeister MICHAEL KISSEL den Masterplan Wohnen aus. Längst ins Straucheln geraden, wird dieser letztlich nur Früchte tragen, wenn Verwaltung und Eigentümer an einem Strang ziehen. In Anbetracht der unterschiedlichen Interessenslagen, wie diese Beispiele zeigen, scheint das fraglich. Während Architekt und Investor JÖRG DEIBERT grundsätzlich davon überzeugt ist, dass man als Geschäftsmann auch mit günstigem Wohnraum gutes Geld verdienen kann (WO! März /2020), scheinen andere Eigentümer wiederum eher an der Geschwindigkeit des Geldverdienens interessiert zu sein. Ob die Bemühungen der Stadtratsfraktionen, der Zweckentfremdung Einhalt zu gebieten, irgendwann Früchte tragen, bleibt abzuwarten. Der neue Baudezernent TIMO HORST wird sich letztlich auch am Umgang mit diesem Thema messen lassen müssen.