Erfolgsregisseur Roger Vontobel inszeniert „Der Diplomat“

Fast scheint es so, als sei der Regisseur Roger Vontobel der Mann, der immer dann das Ruder des Festspielschiffs übernimmt, wenn im Jahr zuvor selbiges in kreative Turbulenzen geraten war. Nach dem kontrovers diskutierten Stück „Brynhild“ soll Vontobel in diesem Jahr die Festspiele in sichere Sommertheatergefilde lenken.

Es war zunächst der Autor Albert Ostermaier, der mit Beginn der Intendanz von Nico Hofmann ab dem Jahr 2015 mit drei Stücken die Festspiele prägte. Nach drei Jahren zeigte sich allerdings, dass die exzessive Zitierlust und die verschachtelten Handlungskonstrukte, inklusive immer neuen Metaebenen, zu Ermüdungserscheinungen führten. Konnte der Regisseur Nuran David Calis noch Ostermaiers Wortgewalt in dem Stück „Gold. Der Film der Nibelungen“ in eine rasante Inszenierung mit einer ebenbürtigen Lust am Zitieren entgegensetzen, sah das ein Jahr später bei „Glut. Siegfried von Arabien“ schon anders aus. Die agile Regie wich einer gewissen Statik, die zuweilen die Trägheit des Wüstenlebens dem Zuschauer gegenüber auf unangenehme Weise greifbar machte.

Mit dem Schweizer Regisseur Roger Vontobel und dem Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel sollte 2018 ein neuer kreativer Geist den Festspielen wieder Auftrieb geben. Und das taten sie auch. Statt sich am altbekannten Nibelungenlied abzuarbeiten, erzählte man in „Siegfrieds Erben“ erstmals eine Fortsetzung, beginnend mit dem grausamen Massaker an König Etzels Hof. Für Aufmerksamkeit sorgte zudem die Besetzung, denn mit Jürgen Prochnow hatte man gleich mal einen veritablen Hollywood Star auf der Bühne. Die weibliche Hauptrolle übernahm die aus zahlreichen deutschen und österreichischen Filmproduktionen bekannte Schauspielerin Ursula Strauss. Nicht unbedingt mit dem gleichen schauspielerischen Talent gesegnet, sorgte dennoch ein Name dafür, dass auch jüngere Menschen plötzlich die Festspiele wahrnahmen, nämlich der bekannte Schauspielerspross Jimi Blue Ochsenknecht. Am Ende war es aber vor allem ein Moment, der den Zuschauern im Gedächtnis haften blieb und nachdem so manch einer kurz zuvor an seiner Wahrnehmung zweifelte. Es war ein eigentlich kurzer Moment, als zunächst ganz sanft, kaum wahrnehmbar, der Dom zu erzittern begann. Schließlich war es für alle Augen deutlich zu sehen. Das Team hinter Vontobel schaffte es, den Dom mittels Mappingtechnik kurzzeitig zum Leben zu erwecken. Das war Technik, die begeisterte und über die in der Folge jeder sprach. Die Presse fiel überwiegend positiv aus, wenngleich dem Stück eine gewisse fehlende Tiefe attestiert wurde. Was am Ende zählt, sind natürlich vor allem die Besucherzahlen und die waren fantastisch. Bereits wenige Tage nach Beginn der Festspiele konnte man ein „ausverkauft“ vermelden.

Der Lohn war, dass der Vorverkauf für das darauffolgende Stück „Überwältigung“ (2019) unter der Regie von Lilja Rupprecht schon einmal bestens lief. Mit Klaus-Maria Brandauer hatte man erneut einen berühmten Namen in Worms, aber dennoch wollte sich am Ende nur wenig Überwältigung einstellen. Zeit also für Vontobel, wieder das Ruder zu übernehmen. Eigentlich sollte 2020 „hildensaga. ein königinnendrama“ seine Premiere feiern, doch daraus wurde erstmal nichts. Bekanntermaßen machte die Corona-Politik im Sommer 2020 der Kulturbranche einen Strich durch die Rechnung. 2021 wagte man sich schließlich wieder auf die Bühne, nun allerdings – dem Lutherjahr entsprechend – mit einem Luther-Stück, das schlicht auf den Titel „Luther“ hörte und unter einer exzentrischen Inszenierung litt. Aber glücklicherweise folgte auf das Luther Stück ohne Luther endlich das nächste Stück unter der Regie Vontobels. Auch hier zeigte er wieder sein Händchen für ein bildgewaltiges Bühnenbild. Unter großem Aufwand schufen er und sein Team eine eindrückliche Wasserwelt, für die man gleich mal eine neue Mikrofontechnik entwickelte. Selbstverständlich durften auch nicht die Mapping Effekte fehlen. Gemäß dem Motto „Mehr ist mehr“ nahmen die diesmal deutlich mehr Zeit in Anspruch und als Sahnehäubchen obendrauf gab es einen Mario Adorf als „sprechenden Wald“ (!).

Dass im vergangenen Jahr bei „Brynhild“ ein Großteil des Publikums mit den „woken“ Nibelungen eher weniger anfangen konnte, ist hinlänglich bekannt. Unruhe, dass der Vorverkauf für „Der Diplomat“ darunter leiden könnte, verspürten die Festspiel Organisatoren dennoch nicht, denn schließlich war da schon klar: Vontobel, übernehmen Sie! Kurz vor Probenbeginn trafen wir den Schweizer Regisseur, um über dessen Faible für bildstarke Inszenierungen und die Nibelungen zu sprechen.

Weitere Informationen zu “Der Diplomat” finden Sie hier: https://www.nibelungenfestspiele.de/nibelungenfestspiele/

Lesen Sie auch unser Interview mit Roger Vontobel: https://wo-magazin.de/ich-mag-es-geschichten-gross-zu-erzaehlen/

Text: Dennis Dirigo, Foto: Florian Spring