Wenn in letzter Zeit in Worms das Geld zu knapp war, um dringend notwendige Sanierungen oder Fortentwicklungen zu bezahlen, tauchte zumeist recht schnell ein Investor auf, der der Stadt unter die Arme greifen möchte. Ganz böse Zungen behaupten, dass man nach typisch neoliberaler Art das Tafelsilber der Stadt verhökert und die Probleme damit in die Zukunft verlagert. Von daher kam der Zwischenruf von Katharina Schmitt (Bündnis 90/Die Grüne) zum anstehenden Verkauf des Andreasquartiers nicht von ungefähr: „Wem gehört die Stadt morgen?“

Der Plan der Stadt klingt einleuchtend: Weil man selbst nicht das Geld hat, um dringend notwendige Sanierungen zu bezahlen, überlässt man die Immobilie einem Investor, der dafür das nötige Kleingeld besitzt und die Immobilie anschließend an die Stadt zurück vermietet. Dadurch entsteht für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Die Stadt muss keine kurzfristigen (hohen) Geldmittel auftreiben, sondern kann zukünftig quasi auf monatliche Zahlung umstellen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Stadt ein drängendes Problem, wie im Falle der anstehenden Sanierung der Lucie-Kölsch-Musikschule, relativ schnell vom Hals schafft, da ein privater Bauherr weitaus schneller arbeiten kann, als die behördlichen Mühlen jemals mahlen werden. Für den Investor lohnt sich das Geschäft ebenfalls gleich doppelt. Zum einen erhält er die Immobilie vermutlich etwas günstiger als zum Verkehrspreis, zum anderen kann er in den nächsten Jahren mit der Stadt auf einen sicheren Mietzahler zurückgreifen. Ganz davon abgesehen, dass es wohl unstrittig sein dürfte, dass sich der Umtausch von Eigentum in Miete langfristig gesehen nicht lohnen kann, verschiebt man ein weiteres Problem in die Zukunft. Denn auch wenn die heutigen Investoren der Stadt gegenüber noch so wohlgesonnen sein mögen, kann das in 20 – 30 Jahren schon ganz anders aussehen, wenn deren Erben in erster Linie an einem guten Geschäft interessiert sind. Sollte man sich bei den beiden prominenten Objekten auf einen Investor als neuen Eigentümer einigen, wird die entscheidende Frage lauten, wie man die Verträge formuliert und die Möglichkeiten der Stadt zu gestalten, nicht vollends aus der Hand gibt.

DER INVESTOR

Ob es sich um die Weiterentwicklung des Andreasquartiers, die Sanierung der Jugendmusikschule oder die weitere Nutzung des Hochstiftes handelt, taucht immer wieder der Name eines privaten Investors auf, Tim Brauer, der im Übrigen auch der Vermieter der „alten Sparkasse“ ist, in der die Stadtverwaltung aktuell ihren Sitz hat. Der Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Arbeitsrecht, Insolvenzrecht und Vertragsrecht besitzt eine eigene Kanzlei in Worms und mit der TIMBRA Group ein Unternehmen, das damit wirbt: „In der Welt der Immobilien für Industrie, Logistik und Gewerbe sind wir zu Hause. Auf den internationalen Kapitalmärkten auch. In dieser spannenden Kombination liegt unsere Stärke. Wir bieten ein breites Spektrum rund um die Immobilie: Vom Grundstücksangebot in strategisch günstiger Lage über die Entwicklung bedarfsgerechter Immobilienkonzepte bis zur Finanzierung und zum Facility- und Assetmanagement.“ Er gilt als enger Vertrauter von Frank Schmidt von der Firma TST. Brauer hat deren Aufstieg von einer kleinen Spedition zu einem Weltunternehmen mitbegleitet und pflegt ein enges Netzwerk mit gutsituierten Geschäftsleuten, zu denen unter anderem auch ROWE-Chef Michael Zehe zählt. Nachdem Brauer 2011 das Vorstandsamt bei Wormatia Worms übernommen hat, hat er zusammen mit seinem Netzwerk den Verein jahrelang finanziell unterstützt (und sie tun es auch heute noch), mit dem großen Ziel, in die 3. Liga aufzusteigen. Als Brauer 2019 abtrat, war der Verein gerade in die Oberliga abgestiegen. Auch wenn dies ein schwarzer Fleck auf Brauers weißer Weste war, dürfte klar sein, dass die Infrastruktur des Vereins ohne dessen Zuwendungen nicht so gewachsen wäre. Zuvor war er jahrelang 1. Vorsitzender des Tennis-Club Rot-Weiß Worms. Im Jahr 2017 sorgte Brauer dank seines Sponsorings dafür, dass US-Superstar Anastacia im Wormser aufgetreten ist. Damals wie auch heute bei seinen geplanten Bauprojekten betont er gerne, dass er damit seiner Heimatstadt etwas zurückgeben will. Wenn man so will, ist Brauer ein echter Glücksfall für Worms.

Kein Wettbewerb

Trotzdem darf die Frage erlaubt sein: Wieso ausgerechnet Brauer? Ist er der einzige Investor in der Stadt, der sich auf ein Geschäft einlassen will, bei dem die Stadt als langfristiger Mieter auftritt (wie im Fall Jugendmusikschule) oder wenn Immobilien in bester Lage zum Verkauf stehen (wie im Fall Andreasquartier)? Andererseits schreckt es natürlich potentielle Investoren ab, wenn der Eindruck entsteht, dass die Sache politisch bereits im Vorfeld klar zu sein scheint. Zu gut dürften die Kontakte des ehemaligen Stadtratsmitglieds Brauer zur CDU-Spitze zu sein, als das da noch etwas verrutschen sollte.

Hat man „früher“ den Genossen gerne mal unterstellt, dass sie „parteinahe“ Investoren bevorzugt behandelt hätten, müsste man dann konstatieren, dass es bei der CDU nicht anders läuft.

Was den Wechsel an der OB-Spitze angeht, haben sich die Wähler darunter sicherlich etwas anderes vorgestellt, als dass die Klüngelei nun lediglich die Farbe wechselt – von Rot in Schwarz.