Stadt Worms und weitere Akteure stellen erste Maßnahmen vor

Nachdem die Stadt Ende Februar schließlich ei- nen konkreten Förderantrag stellte, gab es nun das Startsignal aus Berlin. In Zahlen bedeutet das, dass die Stadt in den nächsten drei Jahren 2,34 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung gestellt bekommt. Die Stadt selbst muss weitere 260.000 Euro beisteuern, die be- reits blind vom Stadtrat im vergangenen April geneh-

migt wurden. Doch was passiert nun, damit die strau-

 

 

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Es ist nichts weniger als ein Meilenstein, dass die Stadt nun einen finanziellen Geldsegen des Bundes erwartet. So zumindest sah es Bürgermeisterin Stephanie Lohr bei einem Pressegespräch. Verbunden mit diesem Meilenstein ist die Hoffnung, dass Worms bereits im kommenden Sommer ein bisschen mehr Wow sein könnte.

Das Geld ist das Ergebnis einer Interessensbekundung innerhalb eines Förderprogramms mit den Namen „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (wir berichteten WO! 3/22). Nachdem die Stadt Ende Februar schließlich einen konkreten Förderantrag stellte, gab es nun das Startsignal aus Berlin. In Zahlen bedeutet das, dass die Stadt in den nächsten drei Jahren 2,34 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung gestellt bekommt. Die Stadt selbst muss weitere 260.000 Euro beisteuern, die bereits blind vom Stadtrat im vergangenen April genehmigt wurden. Das was passiert nun, damit die strauchelnde Innenstadt wieder erstrahlt? Klar ist, dass diese Probleme keine singulären der Stadt Worms sind. Egal, wo man sich derzeit umschaut, die Entwicklung der Innenstädte folgt derzeit eher einem Negativtrend. Oberbürgermeister Adolf Kessel und Bürgermeisterin Stephanie Lohr stellten nun im Rahmen eines Pressegesprächs mit Vertretern des Steuerungskreises Innenstadt, des Stadtmarketings und mit Tim Wiedemann, Geschäftsführer der IHK Rheinhessen, erste Ideen vor. Zunächst gab es allerdings viel Eigenlob bezüglich der gefühlt unzähligen Arbeitskreise und Konzepte, mit denen man den Patient Innenstadt behandeln möchte. So schwärmte OB Adolf Kessel: „Mit der Förderzusage haben wir einen sehr wichtigen Meilenstein erreicht. Dank der hervorragenden und vorausschauenden Vorarbeit des Steuerungskreises Innenstadt sind wir in der Lage, sofort in die Umsetzung zu gehen.“ Konkret bezog sich die Vorarbeit auf das gemeinsam entwickelte Konzept „Worms Innenstadt morgen und übermorgen“.

Doch was bedeutet die sofortige Umsetzung?

Zunächst einmal werden zwei neue Stellen mit dem Geld geschaffen. Zum einen eine Citymanagerin, die sich explizit mit dem Leerstand in der Innenstadt beschäftigen soll, sowie einen Kommunikationsmanager. Beide Stellen sind bereits besetzt, werden dem Stadtmarketing angegliedert und nehmen ihre Arbeit am 1. November auf. Eigentlich gibt es bereits bei der Stadt eine Mitarbeiterin, die sich mit dem Thema Leerstand auseinandersetzen soll. Stephanie Lohr räumte jedoch ein, dass das Verhältnis zwischen Stadt und Immobilieneignern zwischenzeitlich sehr belastet sei, , sodass die Kommunikation oftmals nicht zum Erfolg führe. Joachim Kramer, Wirtschaftsförderung der Stadt Worms, ergänzte, dass es schließlich auch ein Leerstandproblem in den Stadtteilen gäbe, sodass die zuständige Mitarbeiterin sich auch weiterhin mit dem Thema befassen müsse. Erfolg verspricht sich die Stadt und das Stadtmarketing, das bei diesem Termin durch Kai Hornuf und Helmut Emler vertreten wurde, von einem Konzept, das vorsieht, Personen bei der Neugründung eines Ladengeschäfts in der Innenstadt monetär zu unterstützen. Das heißt, die Stadt beteiligt sich an die Mietkosten, was wiederum vom Umsatz abhängig gemacht werden soll. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vermieter eine um 15 Prozent reduzierte Miete verlangen und der Raum nicht größer als 300 Quadratmeter ist. Die Verträge sollen auf zwei Jahre begrenzt werden, in der Hoffnung, dass daraus ein dauerhaftes Mietverhältnis entsteht. Ob es allerdings einen entsprechenden Bedarf gibt, muss erst noch geklärt werden. Wie Hornuf bei dem Termin erklärte, möchte man jetzt damit beginnen, eine Liste mit potentiellen Interessenten zu erstellen. Geld soll auch in Richtung einer Marketingagentur fließen. Nachdem man bereits zur Unterstützung des Konzepts eine Mainzer Agentur beauftragte, soll einmal mehr Geld in ein Marketingkonzept investiert werden. Zwar betonten alle Verantwortlichen, dass man natürlich nicht irgendetwas Austauschbares möchte, schaut man sich allerdings die Marketingkonzepte anderer Städte in der Region an, fällt genau diese Austauschbarkeit auf. Widersprüchlich ist das auch, da Lohr zu Beginn der Veranstaltung erklärte, dass man nicht wolle, dass „Externe etwas aus der Schublade ziehen und uns verkaufen“.

Stadt als Begegnungsstätte

Investieren möchte die Stadt auch in die Begrünung der Innenstadt, denn Stephanie Lohr möchte erreichen, dass die Innenstadtentwicklung auch zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit beiträgt. Hierzu möchte man ein sogenanntes „Grünes Zimmer“ durch die Innenstadt schicken. Das soll eine mobile grüne Oase sein, in der man sich zu dem Thema „Umgang mit Hitze und Klimaschutz“ informieren kann. Die „Chill-Out-Oase“ mit Bildungseffekt soll bereits im kommenden Frühjahr ihre Reise durch die Fußgängerzone antreten. Ein ähnliches Projekt gab es bereits 2021 in Darmstadt. Zudem sollen von dem Fördergeld öffentliche Plätze instandgesetzt und gegebenenfalls die Bodenbeläge ausgetauscht werden. Ebenfalls ist ein Projekt angedacht, bei dem weibliche Persönlichkeiten im öffentlichen Raum vorgestellt werden. Entwickelt wird dieses Vorhaben von der Gleichstellungsstelle. Geplant ist das alles im Rahmen eines verknüpfenden Veranstaltungs- und Nutzungskonzeptes mit neuen oder abgewandelten Nutzungs- und Veranstaltungsformaten. Grundsätzlich sei das Förderkonzept auch offen für bestehende Unternehmungen. Eingebunden in die Planung ist auch Kulturkoordinator Dr. David Maier, der leider an diesem Termin nicht teilnahm und es dementsprechend keine weiteren Informationen zu geplanten Kulturveranstaltungen gab. Für Joachim Kramer ist zumindest klar, dass die Zukunft der Stadt als Begegnungsstätte zu sehen ist. Oberbürgermeister Adolf Kessel fasste wiederum zusammen: „Unser Ziel für die Innenstadt ist eine urbane Kombination unterschiedlichster Angebote, eine multifunktionale Mischnutzung aus Einkaufen, Kultur, Erlebnis, Wohnen, kulinarischer Vielfalt, Kommunikation und Erholung“. Große Worte zum Ende des Gesprächs, doch irgend- wie drängte sich dennoch der Eindruck auf, dass es ein weiter Weg ist, bis Worms vielleicht mal „wow“ wird. Im Zeitalter der multiplen Krisen ist das auf jeden Fall ein ehrgeiziges Unterfangen.

WO! meint: Zunächst mal ist es erfreulich, dass Berlin die Stadt Worms in den nächsten drei Jahren mit Fördergeldern zur Innenstadtentwicklung unterstützen wird. Das Ziel ist es, die Innenstadt als Einkaufs- und Aufenthaltsort wieder attraktiver zu machen. Gebeutelt von etlichen Krisen, einer veränderten Gesellschaft und einem ebenso veränderten Kaufverhalten scheint eine Rückkehr zu den goldenen Zeiten des Einzelhandels nahezu ausgeschlossen. Insofern sind neue Ideen gefragt. Doch die Ideen, die derzeit in der Bundesrepublik und auch in Worms gewälzt werden, gleichen sich zumeist. Selbiges gilt für gefällige Schlagworte wie „die Stadt als Begegnungsstätte“. Die Wahrheit ist, dass die Stadt schon längst eine Begegnungsstätte ist, allerdings anders, als sich die Politik das wünscht. Jahrzehntelang hat man in Worms den Fehler gemacht, die Innenstadt zu ghettoisieren. In keinem anderen Stadtteil findet sich so viel Einkommensarmut wie in der Kernstadt. Das wirkt sich auch auf das Kaufverhalten und die Atmosphäre aus. Billigshops sind längst an der Tagesordnung und werden auch nicht wieder verschwinden. Die Inflation wird ihren Teil dazu beitragen, dass sich diese Entwicklung verstärken wird. Auch das „Worms wird wow“ Konzept hat keine Antworten darauf, wie man mit der veränderten Bevölkerungsstruktur umgeht oder das migrantische Worms stärker einbinden möchte. Das Problem ist jedoch, dass es ohne diese mittlerweile 38 Prozent Bevölkerungsanteil nicht mehr gehen wird. Oftmals wirken insofern der Kampf von Stadt oder Stadtmarketing wie jener des legendären alternden Ritters Don Quichotte mit den Zeichen der Moderne, also den berühmten Windmühlen. Zwar schafft man mit der Etablierung zweier neuer Stellen ein stückweit Doppelstrukturen, da es bereits Menschen gibt, die sich mit den jeweiligen Themen beschäftigen, dennoch besteht die Hoffnung, dass neue Köpfe vielleicht ein wenig Leben in das Thema Innenstadtentwicklung bringen. Dennoch ist es bitter nötig, fernab der ausgetretenen Pfade und der Hoffnung, dass mal wieder ein Marketingkonzept einer externen Agentur die Stadt beleben könnte, mutig voran zu gehen und Entscheidungen schnell zu treffen. Das bisher vorgestellte Konzept ist allenfalls eine Symptombehandlung, wird aber nicht die Lösung sein. Dazu müsste man sich stärker mit der veränderten Gesellschaftsstruktur befassen und irgendwie drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass man dies nicht möchte oder nicht kann.