Randale in der Innenstadt sorgen für Fassungslosigkeit
Die Zeit ist derzeit wahrlich nicht arm an Momenten, in denen man an seinen Mitmenschen zweifelt. Und Hand aufs Herz: Zwar besagt die offizielle Kriminalstatistik, dass die Gesamtzahl der registrierten Straftaten rückläufig ist, doch das ändert nur wenig an einem jahrzehntealten Imageproblem, dass Worms nun mal ein hartes Pflaster ist.
Entscheidend für die Wahrnehmung der Menschen ist nicht, dass die Zahl der KFZ-Aufbrüche als auch die Wohnungseinbrüche rückläufig sind, aber die Aufklärungsquote konstant hoch. Entscheidend für die Wahrnehmung ist die sogenannte Straßenkriminalität. Darunter versteht die Polizei Sachbeschädigungen, Raub, Körperverletzungen auf öffentlichen Wegen oder Plätzen, Diebstähle, Erpressung sowie Sexual- delikte. Abgesehen vom zweiten Corona Jahr 2021 registriert die Polizeidirektion der Stadt Worms durchschnittlich rund 1.500 Straftaten im Jahr. Nicht minder interessant sind die Rauschgiftdelikte, die oftmals wiederum im Zusammenhang mit der Straßenkriminalität stehen. Auch hier bewegt sich Worms auf einem konstant hohen Niveau, ohne jedoch besondere Auffälligkeiten zu den Nachbarstädten, wie Ludwigshafen oder Mainz, aufzuweisen. Im Jahr 2022 hat die Polizei in Rheinland-Pfalz 241.779 Straftaten in der Statistik erfasst. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Zunahme um 11,3 Prozent. Die Fallzahl liegt allerdings mit dieser Entwicklung wieder auf einem ähnlichen Niveau wie im Jahr 2019, also vor Corona. Für Worms wurde die abschließende Statistik für das Jahr 2022 bis zum Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. Aber auch wenn die Zahlen scheinbar stagnieren, scheint der Ton innerhalb der Gesellschaft rauer geworden zu sein. Fast schon symptomatisch hierfür stehen alleine vier Wochen von Fastnachtsamstag bis Mitte März. In diesem Zeitraum sorgten mehrere Meldungen in der Innenstadt für kollektive Fassungslosigkeit. Die Politik, namentlich CDU und SPD, nutzten wiederum die Gelegenheit, um eine Diskussion über Videoüberwachung zu etablieren.
Schlüsselraub und Schläge für den Chef
Es war eigentlich ein Tag, an dem man als Polizist eher damit rechnet, dass es aufgrund eines hohen Alkoholpegels zu Schlägereien oder Belästigungen kommt, denn am Fastnachtsamstag hatten mehr als 1.000 Besucher auf dem Obermarkt ihren „Spass uff de Gass“. Begleitet wurde die ausgelassene Straßenfastnacht von zahlreichen uniformierten Polizisten sowie von Mitarbeitern der Ordnungsbehörde. Diese marschierten in kleinen Teams immer wieder durch die Stadt. Man könnte meinen, dass es nur wenige Tage in Worms gibt, an denen man sich sicherer fühlen kann. Für das Team des beliebten Cafés „Coffee Brothers“ bestand kein Grund zur Sorge, auch dann nicht, als ein junges Pärchen das Lokal betrat. Doch dann beobachtete eine junge Praktikantin des Cafés, dass das Pärchen gegen 14:30 Uhr im hinteren Toilettenbereich einen Schlüssel stahl. Eiligst entfernten sich die zwei aus dem Lokal. Die Praktikantin folgte ihnen und rief beim Verlassen den Kollegen noch zu, dass diese den Schlüssel gestohlen hätten. Sich der Verantwortung für die Praktikantin bewusst, folgte Inhaber Jan Medert der jungen Frau und den vermeintlichen Dieben. Vor dem Modehaus Jost forderte man den Schlüssel zurück. In diesem Moment wurde Medert von hinten attackiert und niedergeschlagen. Es folgte die Flucht der mittlerweile vier Täter, ein Krankenhausaufenthalt für den Café Betreiber und schließlich eine Anzeige zunächst gegen Unbekannt. Die Täter wurden zwischenzeitlich identifiziert. Für Jan Medert war es das erste Mal in seiner zehnjährigen Laufbahn, dass er tätlich angegriffen wurde. Im Gespräch mit WO! ist er froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist und erklärt zudem, dass er positiv von dem Zusammenhalt und der Unterstützung vieler Mitmenschen überrascht war. Zu dem Fall selbst möchte er sich aktuell nicht mehr äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Ein TikTok Trend führt zu Vandalismus
Zur Anzeige kam es zwar nicht bei den Zwischenfällen rund um die Filmvorführung von „Creed III: Rocky‘s Legacy“, dennoch ist Kinobetreiber Patrick Mais im Gespräch geschockt über das verrohte und respektlose Verhalten, das er im Zusammenhang mit den Filmvorführungen erleben musste. Bereits bei der ersten Vorführung am 2. März zeigte sich, dass etwas anders war. Dass Popcorn und leere Kartonagen sich auch mal auf dem Boden verteilen, ist normal. Dass allerdings ausnahmslos alle im Kino gekauften Produkte im Anschluss auf dem Boden zu finden sind, eher nicht. Wie Patrick Mais im Gespräch mit WO! erzählt, sei dies aber noch ziemlich harmlos gewesen. Im Laufe der nächsten drei Aufführungen steigerte sich der Grad der Verdreckung. Der Kinochef schildert dementsprechend entsetzt: „Die Fotos, die wir aufgenommen haben, sind vom Freitag. Am Samstag sah es noch schlimmer aus. Jede einzelne Reihe im Kino 3 war von vorne bis hinten komplett verschmutzt. Es sah aus, als hätten die Besucher absichtlich das Popcorn mit den Füßen in das ausgeschüttete Cola hinein-getreten.“ Mais weiter: „Am Ende der Vorführung klebte Popcorn im Vorhang und das Zugseil des Vorhangs wurde massiv beschädigt, sodass wir ein neues einfädeln mussten.“ Mitarbeiter Dieter Keller erzählt, dass er zwei Tage damit beschäftig war, den Saal wieder komplett sauber zu bekommen. Als Mais während der Samstagabendvorstellung den Saal betrat, erlebte er pure Anarchie, wie er erzählt. Die Menschen kletterten über die Sitze, unterhielten sich oder telefonierten so lautstark, sodass sie die wenigen verbliebenen Zuschauer, die tatsächlich den Film schauen wollten, rücksichtlos störten. Vor der fünften und letzten Vorführung gab es schließlich eine Ansprache, zudem blieb Patrick Mais während der Vorstellung im Saal. Zwar gab es an diesem Abend keine weiteren Störungen, allerdings entschied sich der Kinobetreiber, den Film abzusetzen. Auslöser für diesen Vandalismus war eine fragwürdige TikTok Challenge, die das Ziel verfolgte, die Kinobetreiber zum Abbruch der Vorstellung zu nötigen. In anderen Städten gingen die Randale so weit, dass es zum Teil zu Massenschlägereien kam. Davon blieb Worms verschont, dennoch ist Mais entsetzt und fragt sich, wohin diese Verrohung noch führen kann und was als Nächstes passiert? Vor allem stellt er sich die Frage, was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn bewusster Vandalismus, Egoismus und Rücksichtslosigkeit als Heldentaten in den Sozialen Netzwerken abgefeiert werden?
Gesprengter Fahrkartenautomat
Vandalismus der ganz besonderen Art musste derweil die Deutsche Bahn erfahren. Gemeinhin sind in den letzten Monaten eher Geldautomaten in den Fokus von Kriminellen geraten. In der Nacht vom 10. auf den 11. März traf es allerdings einen Fahrkartenautomaten auf der Westseite des Hauptbahnhofs. In der Polizeimeldung hieß es hierzu: „Am Samstagmorgen wird eine Passantin auf einen lauten Knall aus Richtung Wormser Hauptbahnhof aufmerksam. Wenig später stellt sie einen beschädigten Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn fest. (…). Die Seitenwand des Automaten wird vermutlich mittels unbekanntem Sprengmittel aufgerissen und der Automat nahezu vollständig zerstört. An den Inhalt des Automaten gelangten die unbekannten Täter dennoch nicht. Sie konnten unerkannt flüchten.“ Geschätzt wird der Sachschaden auf 20.000 bis 30.000 Euro. Da der Vorplatz auf dieser Seite des Bahnhofs nicht videoüberwacht ist, gibt es nach dem jetzigen Stand keine Aufnahmen von den Tätern. Allerdings hoffen die Ermittler auf Videomaterial von Überwachungskameras anliegender Gebäude.
Schläge in der Kaiser Passage
Eigentlich ist Donnerstagabend um 17:30 Uhr nicht gerade der Zeitpunkt, an dem man beim Bummeln durch die Kaiser Passage damit rechnet, körperlich angegriffen zu werden. Aber genau das ist einem Besucher passiert. Aufgrund des hohen Besucheraufkommens versuchte ein bislang unbekannter Mann, sich an einem 46-jährigen Mann vorbeizudrücken, worauf dieser ihn ansprach. Daraufhin schlug der bislang unbekannte Täter dem 46-Jährigen mehrfach ins Gesicht und verletzte ihn hierdurch schwer, sodass dieser in ein spezialisiertes Krankenhaus gebracht werden musste. Der Tatverdächtige entfernte sich unerkannt von der Örtlichkeit, während die Ermittlungen aktuell weiterlaufen.
Fazit
Es mag sein, dass diese Ballung der Vorfälle ein Zufall ist, dennoch decken sich die Ereignisse mit dem Unsicherheitsempfinden vieler Wormser. Mit Lösungen tut man sich indes schwer. Zuletzt meldete sich die Stadt im August 2021 zu diesem Thema und verkündete, dass man derzeit an einem Sicherheitskonzept arbeite. Wann dies endlich vorliegt und was es letztlich beinhaltet, ist bislang noch nicht bekannt.
Text und Foto: Dennis Dirigo