Komplizierte Koalitionsverhandlungen für Wormser Stadtrat

  1. Manchmal führt der Weg zu einer tragfähigen Beziehung erst über Umwege. Im Falle einer entscheidungsfähigen Koalition im Wormser Stadtrat war dieser Weg zwölf Monate lang. Doch frei nach dem Motto, was lange währt, wird endlich gut, scheinen sich nun alle Beteiligten auf der Zielgeraden zu befinden.

Es war der Abend des 9. Juni 2024, als allen politischen Akteuren klar wurde, dass die Ära der Wormser „GroKo“ ein Ende gefunden hat. 52 Sitze hat der Wormser Stadtrat zu vergeben. Um Beschlüsse zu fassen, wie das Verabschieden eines Haushaltes, Steuererhöhungen oder die Erschlie- ßung eines neuen Gewerbegebiets, ist eine einfache Mehrheit notwendig, sprich 27 der 52 Stimmen. Viele Jahrzehnte konnten CDU und SPD, mit einer klaren Mehrheit gemeinsam die Geschicke von Worms lenken. Schaut man sich indes die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre an, war bereits ein klarer Trend zu erkennen. Erreichte die SPD 1999 noch 23 Sitze, sind es 2025 nur 12. Auch die CDU verlor Sitze (1999: 23 Sit- ze, 2025: 13 Sitze). Neue Parteien hatten zwischenzeitlich auch die politische Landschaft von Worms aufgemischt. So erstarkten zuletzt die AfD (10 Sitze) und Worms will weiter (8 Sitze). Die FLP konnte immerhin ihren Anteil von einem auf zwei Sitze verdoppeln, während die FDP zwei Sitze halten konnte, ebenso wie „Die Linke“ ihren einen Sitz behielt. Größter Verlierer der Wahl waren „Die Grünen“ (von acht auf vier).

NEUE MEHRHEITEN GESUCHT

Für die beiden weiterhin größten Fraktionen, CDU und SPD, bedeutete das Ergebnis, dass sie neue Partner brauchen. Klar war anfangs nur, dass man auf keinen Fall mit der AfD und Die Linke zusammenarbeitet. Um eine stabile Mehrheit zu erreichen, kamen insofern nur „Worms will weiter“ und „Die Grünen“ in Frage oder noch eine weitere Variante. Während der Wormser SPD von Anfang an klar war, dass nur eine stabile Koalition zum Erfolg für Worms führen kann, verfolgte die CDU Kreisvorsitzende und Bürgermeisterin Stephanie Lohr einen weiteren Ansatz. So erklärte sie zuletzt im Gespräch mit WO!, dass es aus ihrer Sicht möglich sein muss, Mehrheiten mit wechselnden Konstellationen zu erreichen. Schließlich gehe es nicht um Parteipolitik, sondern um die Stadt. Dennoch räumt Lohr ein, dass es mit einem verlässlichen Partner einfacher ist. Und so nahmen CDU und SPD Gespräche mit „Worms will weiter“ auf, mit denen es in den Wahlprogrammen die meisten Überschneidungen gab. Doch schnell zeigte sich, dass alles seinen Preis hat. Mit einem sehr guten Wahlergebnis und entsprechendem Selbstbewusstsein ausgestattet, forderte „Worms will weiter“ eine Dezernentenstelle und somit einen Platz im Stadtvorstand. Wie sich zeigte, war das ein Preis, den vor allem die CDU nicht bereit war zu zahlen. Derzeit besteht der Stadtvorstand aus vier Personen (Oberbürgermeister, Bürgermeisterin, Stadtentwicklungsde- zernent und Bildungs- und Sozialdezernent). Zuletzt verabschiedete sich die Stadt von Petra Graen und damit auch von der Stelle des ehrenamtlichen Beigeordneten. Nach monatelangen Verhandlungen erwies sich die Stellenforderung als zunächst unüberwindbares Hindernis und die Gespräche endeten im Dezember.

AUFTRITT DIE GRÜNEN!

Frei nach dem Motto, neue Gespräche, neues Glück, nahmen CDU und SPD Gespräche mit den Grünen auf. Die verliefen zunächst ruhig und erfolgsversprechend, doch auch hier zeigte sich schon bald, dass auch „Die Grünen“ für ihre Stimmen einen Dezernentenposten forderten. Zudem sah vor allem die CDU inhaltliche Diskrepanzen. „Anfangs gab es Gemeinsamkeiten – doch je tiefer wir eingestiegen sind, desto deutlicher wurden die Differenzen, gerade in zentralen Fragen wie Migration, Wirtschaft und Gewerbeflächen“, schildert Lohr das Ende der gemeinsamen Gespräche. „Wir sind mit einer großen Kompromissbereit- schaft in die Verhandlungen gestartet und haben einen Vertrauensvorschuss geliefert, indem wir unsere Unterstützung bei wichtigen Entscheidungen zugesagt haben“, zeigt sich Carolin Cloos, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende, wiederum enttäuscht.

WO! gegenüber betont Lohr, dass die Entscheidung zwischen der Stadtratsfraktion und der Partei getroffen wurde. Dabei betont sie den ehrenamtlichen Charakter der politischen Arbeit auf kommunaler Ebene. Es sei für sie wichtig, dass sich die Ratsmitglieder auch menschlich mit der Zusammenarbeit identifizieren können und hier sei es eben zu Vorbehalten gekommen. Kritik für diese Entscheidung gab es aber auch von Seiten der SPD: „(…) Auch diese Gespräche scheiterten – erneut an der CDU. In der Folge ist der Stadtrat gelähmt, dringende Entscheidungen zum Haushalt konnten nicht getroffen werden, und selbst städtische Brunnen mussten abgeschaltet werden.“ Das sieht Lohr anders und betont, dass die Koalitionsgespräche nichts mit dem Haushalt zu tun haben und auch eine mehrheitsfähige Koalition nichts an der bishe- rigen Situation geändert hätte. Letztlich seien die Brunnen eine Entscheidung des Oberbürgermeisters gewesen.

Während die Brunnen aktuell noch trocken sind, haben CDU und SPD wieder Gespräche mit einem alten Bekannten aufgenommen, nämlich mit „Worms will weiter“. An der Forderung der Dezernentenstelle hat sich nichts geändert. „Nur wenn wir im Stadtvorstand vertreten sind, ist es möglich, wirklich gestaltend mitzuwirken“, begründet Fraktionsvorsitzender WWW Mathias Englert den Anspruch. Konkret geht es aktuell um einen ehrenamtlichen Kulturdezernenten. Hier sieht Englert zudem Potential im Zusammenhang mit der Tourismus- und Kulturwirtschaft. Wie Timo Horst und Dirk Beyer, SPD Fraktionsvorsitzender, gegenüber WO! erklären, sehen sie die Forderung als legitim und zeigen sich längst gesprächsbereit… Vielleicht wissen Sie, liebe Leser, schon mehr, wenn Sie diese Zeilen lesen.

Text: Dennis Dirigo