Überstunden, Arbeiten am Wochenende und in der Nacht: Für die rund 800 Beschäftigten des Wormser Gastgewerbes ist das alles andere als ungewöhnlich. Ebenso wenig für die 310 Mitarbeiter in der Ernährungsindustrie. Damit die Belastung jedoch erträglich bleibt, schreibt das Arbeitszeitgesetz maximale Arbeitsstunden und Ruhepausen vor. Genau darum fürchtet nun die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG Darmstadt und Mainz warnt mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD davor, dass es zu einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes „durch die Hintertür“ kommen könnte – mit erheblichen Folgen für Tausende Beschäftigte in der Region.
„Flexibilität im Job kann nicht einseitig auf Kosten der Beschäftigten gehen“, macht NGG-Geschäftsführer Guido Noll deutlich. Auf dem heimischen Arbeitsmarkt sei hier längst etwas aus der Balance geraten: So leisteten Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz im vorletzten Jahr 40,4 Millionen Überstunden – 61 Prozent davon unbezahlt. Dies geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann hervor (Bundestags-Drucksache 19/70). Rechnet man die Überstunden in Vollzeit-Jobs um, entspricht das in Rheinland-Pfalz demnach knapp 25.000 Arbeitsplätzen.
„Auch in Worms subventionieren Beschäftigte jeden Tag Unternehmensgewinne durch Gratis-Stunden. Statt immer wieder zu fordern, die Arbeitszeiten zu lockern, sollten die Arbeitgeber die vorhandene Mehrarbeit lieber auf mehr Schultern verteilen und neues Personal einstellen“, fordert Noll. An die GroKo-Verhandler von CDU/CSU und SPD appelliert der Gewerkschafter, kein „Herumdoktern“ am Arbeitszeitgesetz zuzulassen. Im 28-seitigen Sondierungspapier ist von einem neuen „Rahmen“ die Rede, um den „vielfältigen Wünschen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden zu können“.
Für Noll steht fest: „Das Arbeitszeitgesetz legt Mindeststandards für den Schutz von Gesundheit und Privatleben fest. Hier brauchen wir keine neuen Experimentierräume.“ Flexible Lösungen im Betrieb ließen sich per Tarifvertrag vereinbaren. In der Gastronomie hätten sich etwa Arbeitszeitkonten bewährt, so Noll. „Damit kann eine Hochzeitsfeier im Lokal auch mal länger gehen – ohne dass Köche und Kellner vor Arbeit umfallen.“ Text: NGG / Guido Noll Geschäftsführer der NGG-Region Darmstadt & Mainz