Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Schüler die Abiturprüfung nicht schaffen. Am Eleonoren-Gymnasium betraf das einen von 85 Schülern und im Gauß- Gymnasium erreichten zwei Schüler von 130 nicht das Jahrgangsziel. Ungewöhnliches passierte indes an der Nelly-Sachs-IGS. Dort fielen ganze 16 Schüler von insgesamt 61 durch die Prüfung.
Ungewöhnlich deshalb, weil gerade die Integrativen Gesamtschulen sich damit rühmen, ihren Schüler eine besondere Betreuung zu bieten. Zugleich ist es auch ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk, denn in Rheinland-Pfalz gibt es diese Schulform seit zehn Jahren. Zurück geht die Schulreform auf die damalige rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen. Ziel der Reform war es, die klassische Hauptschule aufzulösen und in eine Gesamtschule einzubinden, die den Schülern neue Perspektiven eröffnen sollte. Im Falle der früheren Kerchensteiner Hauptschule hieß das, dass man seit zehn Jahren unter neuem Namen dort auch den Realschulabschluss oder das Abitur bekommen kann. Um nicht alle gleichermaßen zu fordern, wird ab der 7. Klassenstufe differenziert durch ein unterschiedliches Leistungsniveau. Auf der Homepage heißt es, dass man durch verbale Beurteilungen und Entwicklungsgespräche dem Schüler zusätzlich Auskunft über das Lern- und Arbeitsverhalten gibt, mit dem Ziel, Schüler – entsprechend ihres Bildungsstands – in die passende Richtung zu lenken. Insofern stellt sich natürlich die Frage, wie es zu der hohen Zahl kommen könnte? Eine Frage, mit der sich auch die Eltern konfrontiert sahen. Die wandten sich an das Bildungsministerium. Die Schüler wiederum erhoben gemeinsam einen Widerspruch und baten um eine neutrale, unabhängige Prüfung. Die erfolgte schließlich durch die Außenstelle der Schulaufsicht in Neustadt. Die Behörde räumte zwar ein, dass es sich um einen „bemerkenswerten Vorgang“ handle, kam aber nach der Befragung der Lehrer zu dem Schluss, dass es kein Fehlverhalten gab. Gleichwohl erkannte man, dass die Angelegenheit durchaus brisant sei. In dem Schreiben vom 11. Juli räumte man ein, dass man durch die intensive Beschäftigung dieses Falls konkret auf Handlungsfelder gestoßen sei, die es gilt, mittel- und langfristig das Leitbild und die Schulprogrammarbeit zu überarbeiten. Was das genau bedeutet, das ließ die Behörde offen.
In einer Anfrage unseres Magazins an den Wormser Bildungsdezernenten Waldemar Herder erklärte dieser, Kenntnis von dem Vorfall zu haben und fügte hinzu, keine näheren Aussagen treffen zu können. Stattdessen verwies er uns ebenso an die Schulaufsicht. Ein schwerer Vorwurf der Schüler war, dass sie eine für die Prüfung notwendige Mathematikklausur an einem Samstag während des Tages der Offenen Tür schreiben mussten. Hierbei sei es immer wieder zu Lärmbelästigungen durch Lautsprecherdurchsagen und der allgemeinen Lautstärke gekommen. Wir fragten nach! Die Schulbehörde weist diesen Vorwurf zurück und erklärt: „Die Kursarbeit wurde in einem abgetrennten Bereich geschrieben, das gesamte Stockwerk war für Besucher gesperrt, die Schulklingel war abgestellt. Kurze Durchsagen zur Eröffnung des Tags der Offenen Tür gab es, diese fielen jedoch wesentlich kürzer aus als z.B. das Pausenklingeln. Auch der Pausenlärm blieb an diesem Tag völlig aus – der gesamte Trakt war stillgelegt.“ Ebenso als haltlos bezeichnet die Behörde die Kritik der Schüler, dass man das Abitur an der IGS bewusst schwerer gestaltet hätte, um zu demonstrieren, dass auch an einer Gesamtschule das Abitur nicht im Vorbeigehen überreicht wird. Die Behörde verweist darauf, dass die Anforderungen für das Abitur an der Nelly-Sachs-IGS nicht höher oder niedriger seien als an den Gymnasien. Die Kritikpunkte der Schüler sind vielfältig und ausführlich formuliert. Was auch immer im Einzelnen passierte, die Schilderungen legen nahe, dass es einige organisatorische Schwierigkeiten gab, die für den einen oder anderen Schüler gravierende Störungen zur Folge hatten. Die 16 Schüler werden letztlich mit dieser Erfahrung leben müssen und haben zumindest die Nelly-Sachs-Schule mit der Fachhochschulreife verlassen. Der Schule und auch den zukünftigen Abituranwärtern bleibt zu wünschen, dass man aus dem Vorfall entsprechende Lehren zieht.