Den meisten Wormsern ist der Fischmarkt wahrscheinlich vor allem als behelfsmäßiger Parkplatz bekannt, den man bei schlechtem Wetter nur mit Gummistiefeln betreten konnte. Zum Leidwesen vieler Anwohner gehört diese rustikale Brachfläche seit wenigen Wochen der Vergangenheit an, denn dort entstehen eine Kita sowie Wohnungen.
Es ist noch ein Bauvorhaben aus der Ära Kissel, das aktuell unter der Leitung der städtischen Wohnungsbau GmbH in den Startlöchern steht, das Projekt Fischmarkt. Entstehen soll an dieser Stelle ein Gebäudekomplex, der eine siebengruppige Kindertagesstätte beherbergt, 36 Wohnungen, von denen die Hälfte mietpreisgebunden sind, also Sozialwohnungen, sowie eine Tiefgarage. Zusätzlich ist ein Mietercafé geplant. Konzeptionelles Vorbild für das ehrgeizige Projekt ist das „Bielefelder Modell“. Die Besonderheit des Bielefelder Modells ist ein quartiersbezogener Ansatz des Wohnens mit Versorgungssicherheit ohne Betreuungspauschale. Das bedeutet, dass das Wohnquartier älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen komfortables und barrierefreies Wohnen ermöglichen soll, gleichzeitig soll es ein Ort der Kommunikation werden, der allen Menschen in der Nachbarschaft offensteht. Stadtratsmitglied Christian Engelke (Bündnis 90/Die Grünen), der auch im Aufsichtsrat der Wohnungsbau sitzt, erklärt hierzu: „Das Bielefelder Modell ist zukunftsweisend für die Stadtentwicklung und kann aus unserer Sicht nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den Stadtteilen umgesetzt werden“.
Kissels Plan sah ursprünglich vor, einen Investor für die Bebauung dieser Brachfläche zu begeistern. Bedingung war allerdings, dass man neben Wohnraum auch eine Kita baut. Letztlich fand sich niemand, der unter diesen Voraussetzungen bauen wollte. Als Retter in der Not erwies sich abermals die Wohnungsbau GmbH (siehe auch WO! 01/2018), was allerdings bei einigen Stadtratsmitgliedern auf Kritik stieß. Klaus Karlin (CDU) erklärte WO! gegenüber mehrfach, dass er es unverantwortlich findet, dass die Wohnungsbau sich mit einem derart aufwendigen Projekt beschäftigen müsse, da der Bau einer Kita eigentlich nicht zum Handlungsschwerpunkt der sozialen Wohnungsbaugesellschaft gehöre. Christian Engelke begrüßt wiederum die Entscheidung, dass die Wohnungsbau GmbH das Projekt übernommen hat: „Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hat bereits bei den Kitas im Liebenauer Feld und der Gibichstraße bewiesen, dass sie erfolgreich und kosteneffizient Kitas bauen kann. Der Geschäftsführer Stefan Hoffmann und das Team der Wohnungsbaugesellschaft sind verlässliche Partner für die soziale Infrastruktur in dieser Stadt.“ Kritik gab es zuletzt von vielen Anwohnern, da der Wegfall der Parkfläche die ohnehin angespannte Parksituation in dieser Ecke zusätzlich verschärft. Die Stadt hat wiederum Recht, wenn sie darauf verweist, dass dieser Platz zu wertvoll sei, um ihn den Autos zu überlassen. Bis zur Bombardierung von Worms am Ende des Zweiten Weltkriegs stand im Übrigen an dieser Stelle ein mehrgeschossiges Wohngebäude, sodass man sagen kann, dass mit der Bebauung eine der letzten Kriegslücken geschlossen wird. Zudem ist sowohl die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum als auch von neuen Kita-Plätzen für Worms mehr als wichtig. David Hilzendegen, ebenfalls Stadtratsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen, warnt allerdings, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, da auch nach Fertigstellung dieses Projekts immer noch ein großer Bedarf an Kita-Plätzen und bezahlbarem Wohnraum besteht. Die Bauzeit soll drei Jahre betragen. Geplant ist das Projekt mit einem Budget von 17 Millionen Euro. Die Stadt wird im Anschluss als Mieter der Kindertagesstätte auftreten.