Mehr als ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland ist die Verunsicherung in der Kulturbranche nach wie vor sehr groß. Wer möchte schon gerne in dieser Zeit ein Kulturprogramm auf die Beine stellen, ohne zu wissen, wie sich die Corona Situation in Deutschland entwickelt? Immerhin gibt es für den Herbst ein wenig Hoffnung. Während aus der Wormser Kulturnacht ein Kulturherbst mit vereinzelten Veranstaltungen werden soll, melden sich die Nibelungen-Festspiele mit einem Herbstprogramm zurück. Wie sieht bei den anderen Veranstaltern in der Stadt aus?
Als das Coronavirus Anfang März auch unser Land erreichte, da war besonders die Kultur- und Veranstaltungs GmbH der Stadt Worms gefordert, schließlich ist die KVG für die meisten städtischen Events zuständig. Dort wartete man zunächst ab, aber als schnell klar war, dass uns das Thema Corona noch länger beschäftigen würde, ging alles recht flott. Nacheinander wurden die Nibelungen-Festspiele, Jazz & Joy und zu guter Letzt auch noch das Backfischfest abgesagt. Derweil wurden die Wormser Kulturnacht und der Mittelaltermarkt Spectaculum in den Herbst verlegt. Letzterer wurde dann im August endgültig abgesagt. Von dem groß angekündigten Wormser Kultursommer war im Jahr 2020 nicht mehr viel übriggeblieben. Während also von städtischer Seite frühzeitig die Notbremse gezogen wurde, waren es vor allem private Veranstalter, die den Sommer über mit neuen Veranstaltungsformaten um Besucher buhlten. Allen voran Christian Ruppel, der zusammen mit Kinowelt-Chef Patrick Mais zunächst die weniger erfolgreiche „Carantena Arena“ auf dem Festplatz aus dem Boden stampfte, um dann mit dem „WOpen Air“ ein Format nachzulegen, das beim Publikum großartig ankam und im nächsten Jahr erneut stattfinden soll. Als Ersatz für ein entgangenes Backfischfest initiierten verschiedene einheimische Schausteller Ersatzfeste. Die Schaustellerfamilie Goebel feiert noch bis zum 4. Oktober das „Nibelungenland“ auf dem Festplatz mit Fahrgeschäften, Essensständen und Kirmesbuden aus ganz Deutschland. Derweil hatte die Familie Bauer im Wormser Wäldchen direkt vor dem Äschebuckel ihren Biergarten „Zum alten Bauer“ aufgebaut, während die Familie Nock versuchte, über einen „Festplatz to go“ auf dem Parkplatz des Wormatia Stadions einen Teil der entgangenen Einnahmen wieder reinzuholen. Für alle Veranstalter gilt aber in diesem Corona-Sommer: Die Einnahmen waren allenfalls der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Wie geht’s dem Lincoln Theater?
Auch in der beliebten Kleinkunstbühne am Obermarkt steht das kulturelle Leben seit März still. Für den Herbst sieht es nicht besser aus. Da man im Lincoln Theater aktuell nur knapp 60 der 225 Sitzplätze belegen darf, wurden fast alle Veranstaltungen in das gut vier Mal so große Wormser Theater verlegt, damit wenigstens zwischen 150 und 250 Personen anwesend sein können. Wirtschaftlich arbeiten kann man so allerdings nicht. Vor allem haben die Terminverlegungen, Absagen und Verlegungen ins Wormser Theater zur Folge, dass das Herbstprogramm im Lincoln Theater nahezu komplett ausfällt. Ohne Einnahmen wiederum hat es die von einem privaten Trägerverein geführte Kleinkunstbühne schwer, finanziell über den Winter zu kommen. Zwar hat die Vorsitzende des Vereins, Michaela Langner, erst kürzlich bei einer Benefizveranstaltung angegeben, dass die Finanzierung des Lincoln Theaters bis Anfang nächsten Jahres gesichert sei. Klar ist aber, dass man so ein Jahr wie 2020 nicht noch einmal verkraften wird.
Wann gibt’s wieder Kneipenkonzerte?
Dann gibt es in Worms noch einige Kneipen, die in der Vergangenheit das kulturelle Leben der Stadt mit Konzerten bereichert haben. Aber auch die haben nach wochenlangem Verdienstausfall heute noch mit den Nachwirkungen von Corona zu kämpfen. Von daher sind die Inhaber in erster Linie damit beschäftigt, ihr Geld mit dem normalen Kneipenbetrieb zu verdienen, was aufgrund der Corona bedingten Einschränkungen schon schwer genug ist. Zudem gab es in zwei Kneipen während der letzten Monate einen Besitzerwechsel. In der Funzel hat Felix Jäger den Stab an Patricia Vierheller weitergegeben. Zwar war dies auch schon vor Corona geplant, aber das Virus hat die Übergabe womöglich etwas beschleunigt. Im BB on the Rockzz hatte die seitherige Pächterin Sabine Anfang des Jahres beschlossen, ihre Kneipe aufzugeben. Mit Christian Fein war auch schnell ein Nachfolger gefunden, aber dann kam Corona und damit eine monatelange Behördenodyssee, an deren Ende der neue Besitzer schon wieder das Handtuch warf – wohlgemerkt, ohne auch nur einen Tag geöffnet zu haben. Die neuen Pächter, Dariah und Moritz, wollen der Kneipe unter der Brücke in den nächsten Monaten neues Leben einhauchen. Aber egal, ob Funzel, BB on the Rockzz, Schwarzer Bär oder Burger Kitchen – in allen Locations sind die Platzkapazitäten zu gering, um aktuell gewinnbringend Konzerte veranstalten zu können.
Unsicherheit ist groß
Einer, der in den letzten Monaten den Mut hatte, etwas zu wagen, ist Stefan Spies vom Gut Leben am Morstein in Westhofen. Unter Berücksichtigung der Corona-Verordnungen fanden dort über den Sommer verteilt kleine Kammerkonzerte, Auftritte von Kabarettisten oder Lesungen statt – zumeist in Verbindung mit einem Mehrgangmenü. Das Angebot wurde in einer kulturell armen Zeit sehr gut von den Besuchern angenommen. Das sollte eigentlich Mut für den Herbst machen, aber auch Spies ist unsicher, was die nächste Zeit bringen wird. Zwar laufen im Hintergrund bereits die Planungen für den Kulturherbst im Gut Leben am Morstein, aber auch Spies weiß, dass ihm ein Anstieg der Corona-Fallzahlen noch einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen kann. Ähnliches gilt für den unermüdlichen Christian Ruppel, der aktuell noch an seinem Termin fürs WinterVarieté festhält, das ab 2. Dezember im Kesselhaus stattfinden soll. Anfangs gab es auch einen regelrechten Ansturm auf die Karten. Mit den gestiegenen Corona-Fallzahlen in Worms sind aber auch die Kartenverkäufe eingebrochen. Auch bei der KVG ist man weiterhin vorsichtig. Der für Oktober geplante „Wormser Genussmarkt“ wurde abgesagt, für die „Wormser Weinmesse“ ist das Gleiche zu erwarten. Ob die „Wormser Rocknacht“ Anfang Dezember stattfindet, steht ebenfalls noch in den Sternen, zumal man mit Montreal einen Headliner verpflichtet hat, dessen Auftritt sich nur bei einem vollen Saal rechnet.
Aus Kulturnacht wird Kulturherbst
Dafür will man an der Austragung der Wormser Kulturnacht, die bekanntlich hauptsächlich von regionalen Kulturtreibenden bestritten wird, festhalten, wenn auch in modifizierter Form. Aus der Kulturnacht soll in diesem Jahr der „Kulturherbst“ mit mehreren Kleinveranstaltungen werden. Durch die anhaltenden Maßnahmen im Sinne der Corona-Bekämpfungsverordnung wäre die Umsetzung einer „klassischen“ Kulturnacht für alle Beteiligten mehr als schwierig geworden. Nach der offiziellen Verschiebung der Wormser Kulturnacht vom Juni in den Oktober hatten die Verantwortlichen der Kulturkoordination Worms sowie der Kultur und Veranstaltungs GmbH (KVG) gehofft, die beliebte Veranstaltung im bisher bekannten Format durchführen zu können. Doch mit Blick auf die gültige Corona-Bekämpfungsverordnung planen die Beteiligten derzeit mit einem neuen Veranstaltungskonzept: Statt die zahlreichen Kleinveranstaltungen in der gesamten Wormser Innenstadt am Abend des 24. Oktober zu bündeln, haben Kulturschaffende, Kirchen, Cafés, Vereine und alle anderen „Kultur-Aktiven“ die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum Projekte mit städtischer Unterstützung zu realisieren. So soll aus der bisherigen Kulturnacht in diesem Jahr ein „Kulturherbst“ mit diversen kleineren Veranstaltungen werden. Die Planungen für die finale Umsetzung sowie den terminlichen Zeitrahmen für die einzelnen Veranstaltungen laufen derzeit noch. Infos unter: www.kulturnacht.worms.de. Auch von den Nibelungen-Festspielen gab es kürzlich ein Lebenszeichen. Nachdem die Festspiele im Sommer ausgefallen sind, präsentiert man Ende Oktober ein dreitägiges „Herbstprogramm“ im Wormser Kultur- und Tagungszentrum. Bleibt festzuhalten, dass das kulturelle Leben in Worms nur sehr langsam wieder in Schwung kommt, schließlich hängt eine komplette Branche in der Luft und weiß nicht, wann es wieder in gewohnter Form weitergehen kann.