Staatliche Hilfen, die sich als Luftlöcher entpuppen
Als die Corona-Pandemie im letzten Jahr ausbrach, da waren es vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die sich als große Retter der deutschen Wirtschaft darstellten. Mit einer „Bazooka“ aus Hilfsleistungen sollten die aufgrund des Lockdowns ins Schlingern geratenen Unternehmen unterstützt werden. Trotz dieser vollmundigen Ankündigungen macht sich knapp ein Jahr später bei vielen Geschäftsleuten Frust und Wut breit.
Dabei war das Hilfspaket, das die Bundesregierung im Frühjahr 2020 geschnürt hatte, das größte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Etwa 1,455 Billionen Euro umfasst das Rettungspaket für die Jahre 2020 und 2021 und entspricht damit 42 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes aus 2019, dem Jahr vor der Krise. Tatsächlich handelt es aber bei den meisten Hilfen vorerst nur um theoretische Ausgaben, denn mehr als die Hälfte der Summe umfasst die von Bund und Ländern übernommenen Bürgschaften. Auch die staatlichen Hilfen für Unternehmen wurden bisher nur zu einem Bruchteil tatsächlich abgerufen. Dazu kommen Kurzarbeitergeld, gestiegene Kosten im Gesundheitsbereich sowie internationale Hilfsgelder (z.B. an den 750 Milliarden Euro schweren Corona Hilfsfonds der EU). Zudem fiel die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland bis Jahresende um 412.000 Menschen, davon wurden 399.000 als Arbeitslose gezählt, die die Sozialsysteme zusätzlich belasten. Die Corona-Pandemie hat also zweifelsohne ein sehr großes Loch in die Kassen der Bundesrepublik Deutschland gerissen. Dass die tatsächlichen Ausgaben des Staates aber weitaus niedriger waren als 1,455 Billionen Euro, errechnete das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Das IWH geht davon aus, dass Bund und Länder in Wirklichkeit im letzten Jahr nur 127,7 Milliarden Mehrausgaben hatten, für 2021 geht man von einer ähnlichen Summe aus. So sind in dem gesamten Hilfspaket u.a. 24,6 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen vorgesehen, von denen nur 8 Prozent abgerufen wurden. Von den November- und Dezember-Hilfen, in denen notleidende Unternehmen 75 Prozent des Umsatzes der beiden Monate aus 2019 beantragten konnten, wurden bis Jahresende sogar nur 4 Prozent der versprochenen 39,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Das mit 500 Milliarden Euro auf dem Papier mächtigste Hilfsinstrument, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, gab bisher sogar nur 7,9 Milliarden Euro (2 Prozent) seiner Hilfen wirklich aus. Einzig die im Frühjahr als erstes erlassenen Soforthilfen für kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler fanden zu 76 Prozent ihren Weg an die Empfänger.
GEHT’S DER WIRTSCHAFT ZU GUT?
Wenn sich Deutschlands führende Politiker fragen, warum bisher nur ein Bruchteil der Hilfen abgerufen wurde, ist die einfachste Erklärung, dass die Gelder gar nicht benötigt werden, weil es der Wirtschaft offensichtlich besser geht als erwartet. Gegen diese These spricht allerdings, dass Deutschlands Unternehmen bereits kräftig in Form von sinkenden Umsätzen für die Corona-Pandemie bezahlen mussten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die Umsatzeinbußen für 2020 auf 212 Milliarden Euro, bis zum Ende der Krise rechnet man mit 391 Milliarden Euro. Wobei diese Summe nach oben offen ist, je nachdem wie lange die Einschränkungen der Wirtschaft noch anhalten. Bereits der noch verhältnismäßig kurze Lockdown im Frühjahr hat die Wirtschaft knapp 36 Milliarden Euro gekostet. Der aktuell seit Anfang November geltende Lockdown, der Mitte Dezember noch einmal verschärft wurde, schlägt Woche für Woche mit 3 bis 5 Milliarden Euro zu Buche. Sollte es zu einem noch härteren Lockdown kommen, der auch noch andere Wirtschaftszweige beinhaltet, kann man diese Summe locker verdoppeln. Von daher könnte man nun wirklich nicht behaupten, dass es Deutschlands Unternehmen aktuell gut gehe. Die Diskrepanz zwischen angebotenen und tatsächlich ausgezahlten staatlichen Hilfen erklären Wirtschaftsvertreter mit den bürokratischen Hürden, sowie der zu langsamen Auszahlung der Mittel. Viele Unternehmen warten immer noch auf die angekündigte November-Hilfe, die vielerorts erst im Februar ausgezahlt wird. Für besonders hart getroffene Branchen – wie der Gastronomie, der Reisebranche oder der Veranstaltungsbranche – dürfte diese Hilfe bereits zu spät kommen. Wie viele tatsächlich überlebt haben, wird man erst nach dem Ende des zweiten Lockdowns sehen, wenn einige Gewerbetreibende ihren Laden gar nicht mehr aufschließen.
ZWEIFEL AN GLAUBWÜRDIGKEIT DES STAATES
Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesregierung gleich mehrfach die Bedingungen zur Auszahlung der Überbrückungshilfe II – zum Nachteil vieler Unternehmen – geändert hat. Weil bei der Ausgestaltung der Hilfen nicht das EU-Beihilferecht ausreichend bedacht wurde, musste man auf Druck aus Brüssel nachträgliche Änderungen vornehmen. So steht seit Dezember im Kleingedruckten, dass die Überbrückungshilfe lediglich ein „Beitrag zu den ungedeckten Fixkosten eines Unternehmens“ sei. Ein Unternehmen braucht ungedeckte Fixkosten, muss also einen Verlust gemacht haben, um die Überbrückungshilfe zu erhalten. In der Öffentlichkeit hatten Altmaier und Scholz stets den Eindruck erweckt, als sei nur der Umsatz die Bemessungsgröße für die Erstattung. Im Übrigen gelten diese Vorgaben der Fixkostenhilfe auch für die Unterstützung aus dem November und Dezember, wo man maximal den aufgelaufenen Verlust ersetzt bekommt, einen höheren Umsatzausfall aber nicht. Hinzu kommt, dass viele Hilfen schlichtweg zu unattraktiv sind. Dass ein Soloselbständiger wegen 739.- Euro Unterstützung für neun Monate Verdienstausfall erst gar keinen Antrag stellt, hat aber nicht nur etwas mit Stolz zu tun, sondern ebenso mit der Tatsache, dass nach Abzug der Kosten für den Steuerberater, der den Antrag stellen muss, bei vielen kaum noch etwas von der staatlichen Hilfe übrigbleibt. Der Vizepräsident des Bundesverbandes der Steuerzahler, Valentin Schmid, reagierte dementsprechend mit harscher Kritik auf die rückwirkende Verschärfung der Corona-Überbrückungshilfen durch die Bundesregierung. Dass die Überbrückungshilfen, anders als angekündigt, nur für tatsächlich Verluste in Form ungedeckter Fixkosten gezahlt werden sollen, sei für die betroffenen Unternehmen fatal, sagte Schmid und führte weiter aus: „Wir erwarten eine erhebliche Zahl von Unternehmenszusammenbrüchen, die tendenziell zu steigen droht, wenn nun nachträgliche Einschränkungen vorgenommen werden.“ Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer wirft der Bundesregierung Wortbruch vor: „Dass die Bundesregierung ständig rückwirkend die Regeln ändert, ist eine absolute Frechheit und in einem Rechtsstaat ein bemerkenswerter Vorgang. Kleine Unternehmen zahlen so in vielen Fällen sogar mehr für den Steuerberater als sie hinterher an Hilfe bekommen“, kritisiert der FDP-Politiker und warf den verantwortlichen Ministern von SPD und CDU Versagen vor: „Für dieses stümperhafte Vorgehen ist das Duo Infernale Peter Altmaier und Olaf Scholz persönlich verantwortlich.“
DIE STIMMUNG IN DER GESCHÄFTSWELT IST MISERABEL
Dementsprechend ist die Stimmung in der Wirtschaftswelt derzeit miserabel, viele Selbständige reagieren mit Frust und Enttäuschung, weil sie es zwar bisher geschafft haben, mit staatlicher Hilfe einigermaßen passabel durch die Corona-Pandemie zu kommen, aber spätestens mit der fälligen Rückzahlung bereits überwiesener Abschlagszahlungen direkt in die nächste Krise schlittern. Enttäuschend war vor allem die Art und Weise, wie die Änderungen kommuniziert wurden. Klammheimlich änderten das Bundesfinanzministerium und das Wirtschaftsministerium in den vergangenen Wochen gleich mehrfach die Bestimmungen im Frage-Antwort-Katalog der beiden Ministerien im Internet. Dementsprechend überraschend trafen viele neue Regelungen vor allem die Steuerberater, die ihren Mandaten anschließend erklären mussten, was von den vollmundigen Versprechungen der Politik übriggeblieben war. Während Finanzminister Olaf Scholz bei den November- und Dezember-Hilfen einzelnen Branchen pauschal 75 Prozent Ausgleich für deren Umsatzausfälle versprochen hatte, waren anschließend die bürokratischen Hürden derart hoch, dass ein Großteil der Betroffenen keinen Anspruch hatte. Von daher kann man den Frust in der Geschäftswelt nachvollziehen, wenn man schon nicht mal mehr den Versprechen der Politik trauen kann, die öffentlich über schnelle und unbürokratische Hilfe fabuliert, aber hintenrum den Geldhahn zudreht. Wie ein Versicherungsvertreter, der einem im Schadensfall nachträglich auf das Kleingedruckte hinweist. Wer weiter existieren will, muss sich also zwangsläufig weiter verschulden, ohne zu wissen, wann sein Geschäft wieder normal weiterläuft. Wem es schon vor Corona schlecht ging, der hat nun keine Chance mehr. Die Horrormeldungen aus der Geschäftswelt nehmen deshalb auch im Jahr 2021 kein Ende. Die Steakhousekette Maredo schließt alle Läden, die Parfümeriekette Douglas sperrt bundesweit 500 Filialen ab, H&M entlässt 800 Mitarbeiter, auch Jack & Jones, Vera Moda und anderen Modefirmen geht’s schlecht. Während Gastronomie und Einzelhandel schon seit Längerem kränkeln, machten zuletzt auch die Friseure und Fitnessstudios bundesweit auf ihr Schicksal aufmerksam. Es brodelt in der Geschäftswelt, weil es so langsam auch bei denen ans Eingemachte geht, deren Geschäft vorher gut lief. Derweil schrumpft der Mittelstand in Deutschland mit jedem weiteren Tag Lockdown immer weiter.