Nach neun Spieltagen ist Wormatia Worms auf dem harten Boden der Regionalliga Südwest gelandet. Während die bisher erreichten sieben Punkte ausschließlich gegen Topteams (Offenbach, Ulm, Mainz) erzielt wurden, hat der VfR gegen Teams auf Augenhöhe, wie zuletzt Bahlingen, Trier oder Barockstadt Fulda-Lehnerz, komplett versagt. Als Vierzehnter befindet man sich mitten in der Abstiegszone und muss nun im Oktober dringend wieder punkten.
So lief es im September für die Wormatia
Nach vier Punkten aus den ersten vier Spielen ging es am 5. Spieltag zuhause gegen den TSV Steinbach-Haiger, der als Vorjahresvierter auch in dieser Saison zu den Titelfavoriten zählt. Trotz der bis dahin besten Saisonleistung stand am Ende eine unglückliche 1:2-Heimniederlage, woran der Unparteiische keinen unerheblichen Anteil hatte. Nach der verdienten Pausenführung durch Nils Fischer (43.), zeigte Schiri Fabian Schneider aus Gelsdorf, der aufgrund seines theatralischen Gebarens beim Verteilen von gelben Karten bereits mit einem Pfeifkonzert von den Zuschauern in die Kabine verabschiedet wurde, auf den Elfmeterpunkt, nachdem Grimmer seinem Gegenspieler im Strafraum im letzten Moment den Ball vom Fuß gespitzelt hatte (58.). Und damit hatte das Pech der Wormatia noch kein Ende. Steinbachs Stock scheiterte gleich zwei Mal am glänzend reagierenden Cymer, ehe Firat im dritten Anlauf zur Führung traf. Anschließend war es bis zur Schlussphase eine absolut offene Partie, die aber kurz vor Schluss durch den Treffer von Gudra (88.) zugunsten der Gäste kippte. Die folgende Auswärtspartie beim 1. FSV Mainz 05 II. war gekennzeichnet von einer ganz schwachen ersten Halbzeit und einer bärenstarken zweiten Halbzeit des VfR. Nach einer Minute klingelte es bereits im Wormser Kasten nach einem sehenswerten Freistoßtor durch Rupil. In der Folge konnte sich der VfR bei Torhüter Ricco Cymer bedanken, dass man bis zur Halbzeit nur einen Gegentreffer kassiert hatte.
Nach der Pause brachte Trainer Mehring mit Köksal und Chkifa zwei neue Leute und es stand plötzlich eine Wormser Mannschaft, die nun feldüberlegen agierte und kaum noch Mainzer Angriffe zuließ, mit einer anderen Einstellung auf dem Platz. Trotzdem dauerte es eine halbe Stunde, bis Sandro Loechelt an alter Wirkungsstätte per Handelfmeter der verdiente Ausgleich gelang (75.) Drei Minuten später traf Grimmer zur Führung, die der kurz zuvor eingewechselte Kasper noch weiter ausbaute (90.+1). In der Nachspiel- zeit gab es noch den obligatorischen Gegentreffer (Jung, 90.+3), so dass am Ende ein verdienter 3:2-Auswärtssieg in Mainz zu Buche stand. Nach diesem Überraschungscoup und nunmehr 7 Punkten aus den ersten 6 Spielen kam dem Dienstag- abendheimspiel gegen den Bahlinger SC eine gewisse Bedeutung zu, schließlich hätte sich der VfR mit einem Dreier von der Abstiegszone absetzen können. Im bisher schwächsten Heimspiel fand der VfR gegen starke Bahlinger keinen wirklichen Zugriff auf das Spiel, so dass die frühe Führung durch Grimmer (20.) nicht allzu lange Bestand hatte (Häringer 31.). In der Schlussphase eines zerfahrenen Spiels hatten die Gäste dann einfach mehr zuzusetzen, so dass deren Siegtreffer durch Novakovic (82.) absolut verdient war.
Nach der zweiten 1:2-Heimniederlage in Folge mussten die Wormser vor dem Spiel beim SV Eintracht Trier 05 weiter in der Abstiegszone verharren und sollten dort nach einer verdienten 0:3-Auswärtsniederlage beim alten Rivalen auch bleiben. Aufgrund einer erneut ganz schwachen ersten Hälfte, in der lediglich Triers König durch einen sehenswerten Freistoß zur Führung der Gastgeber getroffen hatte (19.), brachte Mehring frühzeitig mit Köhler, Kasper und Neuzugang Lorenzen drei offensive Kräfte (53.). Tatsächlich spielte danach 20 Minuten lang nur die Wormatia und hatte durch Kasper auch eine hundertprozentige Chance zum Ausgleich, ehe König mit seinem zweiten Treffer für eine Vorentscheidung sorgte. Als kurz danach auch noch Wormatias Innenverteidiger Ferjani (77.) mit gelb- rot vom Platz musste, war der Drops gelutscht. Nicht ganz, denn in der Nachspielzeit (Wrusch 90.+3) kassierte der VfR noch seinen mittlerweile obligatorischen Gegentreffer. Am 24.09. musste Wormatia Worms schließlich zur SG Barockstadt Fulda-Lehnerz reisen, auf Platz fünf stehend der erfolgreichste der vier Aufsteiger. Unter der Woche wurde bekannt, dass mit Kasper und Fischer die beiden etatmäßigen Spitzen für längere Zeit ausfallen, auch Köksal, Grimmer und der gesperrte Ferjani mussten in Fulda passen, so dass Trainer Mehring seine Mannschaft auf vier Positionen änderte. Entsprechend nervös und fahrig wirkten die Wormser und mussten sich nach einer erneut ganz schwachen ersten Hälfte nicht wundern, dass die Gastgeber zur Pause mit 2:0 vorne lagen. Offensichtlich unzufrieden mit dem bisher Gezeigten, wechselte VfR-Coach Mehring in der Pause gleich vier Mal aus. Danach erhöhte die Wormatia den Druck, kam sogar zum Anschlusstreffer (Shehada 55.) und verpasste kurz danach den möglichen Ausgleich, um dann nach zwei individuellen Fehlern (67./78.) eine 1:4-Auswärtsklatsche gegen einen Mitaufsteiger zu kassieren – die dritte Niederlage der Wormatia in Folge.
Muss der Trainer hinterfragt werden?
Wenn man einem Trainerneuling, der das Umfeld bestens kennt, eine Chance gibt, sollte man nicht schon nach neun Spieltagen alles in Frage stellen. Aber natürlich gelten Vorschusslorbeeren für den Neuen auf der Trainerbank nicht unendlich, zumal die Geduld der Wormser Fans zuletzt auf eine harte Probe gestellt wurde. Keine Frage, die erzielten sieben Punkte gegen Offenbach, Ulm und Mainz waren auch der taktischen Meisterleistung des Trainers geschuldet, der sein Team perfekt eingestellt (gegen den OFC) oder in der Halbzeit erfolgreich umgestellt hatte (in Mainz). Gleichzeitig muss sich der Trainer aber auch einen Teil der sechs Niederlagen ankreiden lassen, weil man oftmals zu passiv ins Spiel gegangen ist und dann in der zweiten Halbzeit, trotz einer deutlichen Leistungssteigerung, nicht mehr die Wende schaffte (außer in Mainz). Zuletzt in Trier und in Fulda wechselte Mehring frühzeitig mehrfach durch, da er es zuvor offensichtlich nicht verstanden hatte, die beste Elf von Beginn an auf den Platz zu schicken. Vor allem aber war in den bisherigen Spielen keinerlei Spielsystem erkennbar. Reichte anfangs noch die Mentalität, um ein paar Punkte einzusacken, so war in den letzten drei Spielen eine erschreckende Qualität im Spiel nach vorne zu beobachten. Während sich andere Teams nach neun Spieltagen immer mehr einspielen, hinkt die Wormatia hinterher, weil die Kaderplanung erst Mitte September endgültig abgeschlossen wurde. Dass die Spieler auf einem unterschiedlichen (oder unzureichenden?) Fitnesslevel sind, zeigte sich bisher durch sechs Tore in neun Spielen, die man erst in der Schlussphase oder in der Nachspielzeit kassiert hat. Alleine dadurch gingen vier Punkte flöten. Zudem fällt auf, dass man in den meisten Spielen allenfalls eine Halbzeit lang überzeugen konnte. Das mag noch für die Oberliga reichen, aber für die Regionalliga ist das zu wenig.
Lotteriespiel Neuzugänge?
Was Neuzugänge angeht, ist dies bei der Wormatia schon seit Jahren das gleiche, von der Klassenzugehörigkeit unabhängige Spiel: Man schreitet sehr langsam mit der Kaderplanung voran. Auch diesmal muss sich die sportliche Leistung ankreiden lassen, warum man 8 der 15 Neuzugänge erst kurz vor oder weit nach Saisonbeginn verpflichtet hat? Bisher ist nur in Ansätzen erkennbar, dass der fußballerische Sachverstand der sportlichen Leitung für die Regionalliga ausreicht. Dass die Wormatia nicht über ein Scoutingsystem wie ein Topverein der Liga verfügt, dürfte klar sein. Von daher gewinnt man immer mehr den Eindruck, dass es vor allem Glückssache ist, ob ein Neuzugang einschlägt, als dass man es mit dem Ergebnis akribischer Arbeit zu tun hat. In den letzten drei Jahren in der Oberliga waren die meisten Neuverpflichtungen ohnehin dem Netz- werk von Meistertrainer Kristjan Glibo geschuldet. Zudem hatte der Verein nach dem durch eine Söldner-Truppe verbockten Abstieg aus der Regionalliga 2019 die Philosophie ausgegeben, dass man zukünftig in erster Linie Spieler aus der Region verpflichten möchte, die sich mit dem Verein identifizieren. Nach dem neuerlichen Aufstieg in die Regionalliga hat man dieses hehre Ziel offensichtlich wieder über Bord geworfen, wirkt doch der zusammengestellte Kader wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen mit Neuzugängen aus Aue, Rathenow, Bahlingen, Gießen, Koblenz oder Hildesheim. 4
Natürlich sollte man sich von der Illusion verabschieden, dass man einzig und allein mit Spielern aus dem Wormser Umland in der Regionalliga bestehen könnte. Trotzdem fragt man sich als Außen- stehender, ob man diese Spieler unbedingt wollte, weil sie in das Spielsystem des Trainers passen, oder ob sie – mangels Nachfragen anderer Vereine – von einem Spielerberater vermittelt und nach einem überzeugenden Probetraining kurzerhand verpflichtet wurden? Grundsätzlich ist es auch kein Problem, wenn man als Verein mit einem der niedrigsten Etats der Liga vertragslosen Spielern eine Chance gibt und auf einen Glückstreffer spekuliert. Aber warum hat man mit der Verpflichtung von Lucas Torres, Anil Gözütok oder Melvyn Lorenzen, von deren Qualität man offensichtlich überzeugt ist, bis vier Wochen nach Saisonbeginn gewartet und ihnen damit die Chance genommen, sich mit der Mannschaft einzuspielen und eine regionalligataugliche Fitness anzueignen?
Überhaupt fällt die Bilanz der Neuzugänge bisher ernüchternd aus. Von den zwölf externen Neuzugängen (drei Neue kamen aus der U21) war Ramzi Ferjani ein guter Ersatz für den verletzten M’voto, auf der linken Offensivseite konnte sich bislang Jannik Sommer einen Stammplatz ergattern, ohne jedoch den zu Nürnberg II abgewanderten Simon Joachims adäquat zu ersetzen. Auch der zumeist auf der rechten Angriffsseite eingesetzte Leistungsträger der Meistersaison, Noel Eichinger, der zum FSV Zwickau in die 3. Liga gewechselt ist, wurde bisher noch nicht ansatzweise ersetzt. Felix Hache, Reda Chkifa, Alexander Shehada und Anil Gözütok durften sich bisher auf dieser Position versuchen, von der Dynamik und Torgefahr eines Eichinger sind sie allesamt weit entfernt. Das ist auch das Kernproblem. Während ein Großteil der Stammelf in der Regionalliga aus der Meistermannschaft des Vorjahres besteht, konnten vor allem die Abgänge der beiden Schlüsselspieler Joachims und Eichinger nicht kompensiert werden. Zwar ist man in der Breite stärker geworden, aber die erste Elf ist schwächer besetzt als im Vorjahr. Vielleicht sollte man aber auch den Neuzugängen noch die Zeit geben, sich weiter zu entwickeln. Ehrlicherweise hat man aber in dieser Phase der Saison keine Zeit mehr, wenn man mitten im Abstiegskampf steckt und bereits einige unnötige Punkte verschenkt hat.
Jetzt müssen Punkte her!
Man wusste von Anfang an, dass es für einen Aufsteiger hart wird in der Regionalliga. Von daher hat der VfR in den ersten Spielen positiv überrascht, weil der Unterschied zur Regionalliga offensichtlich doch nicht so groß war. In den letzten drei Spielen war jedoch eine rückläufige Entwicklung zu beobachten und das ausgerechnet in den wichtigen Spielen gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte. Zum Glück für die Wormatia gibt es mit Hessen Kassel, Rot-Weiß Koblenz, Astoria Walldorf und den beiden Aufsteigern Freiberg und Trier noch weitere Teams, die sich punktemäßig auf einem ähnlichen Niveau bewegen. Aus diesen fünf Teams (zuzüglich der Wormatia) werden vermutlich die 3 bis maximal 5 Absteiger rekrutiert, die am Saisonende den Weg in die Oberliga antreten müssen. Es ist also nach neun Spieltagen gewiss noch nichts verloren. Im Oktober folgen auf dem Papier fünf lösbare Aufgaben, handelt es sich doch allesamt um Teams, gegen die man an einem guten Tag Punkte holen kann. Bekanntlich hat sich die Wormatia aber bisher ausgerechnet gegen die vermeintlich schwächeren Mannschaften besonders schwergetan. Jetzt ist vor allem Mentalität gefragt und dass Trainer Max Mehring eine Stammelf findet, auf die er im Abstiegskampf zählen kann.
Die nächsten Spiele von Wormatia Worms in
der Regionalliga Südwest:
SA, 01.10.22 | 14 Uhr: TSG Ho?enheim II (H) SA, 08.10.22 / 14.00 Uhr: Rot-Weiß Koblenz (A)
SA, 15.10.22 / 14.00 Uhr: FSV Frankfurt (H)
SA, 22.10.22 / 14.00 Uhr: SGV Freiberg (A )
SA, 29.10.22 / 14.00 Uhr: VfR Aalen (H)
Text: Frank Fischer, Foto (Lucas Torres): Andreas Stumpf