Erhebliche Mängel sorgen für vorläufige Schließung
Es war der Anfang vom Ende des Nibelungenmuseums, als die Stadt bei einer Pressekonferenz im Januar 2020 über die erheblichen Mängel in selbigem informierte. Nach einer Brandschutzprüfung in diesem Jahr erfolgte nun die vorläufige Schließung des Museums zum 31. März 2024. Über die Zukunft des Nibelungenmuseums entscheidet im April der Stadtrat.
Die Zukunft sieht aufgrund klammer städtischer Kassen nicht gut aus. Bereits bei der Kostenkalkulation im Jahr 2020 kamen Fachleute auf die stolze Summe von 835.000 Euro an Sanierungsausgaben. In einer turbulenten Stadtratssitzung entschied sich der Stadtrat damals mit der Mehrheit von SPD und CDU gegen eine Schließung des Museums. Im abschließenden Antrag einigten sich die Fraktionen darauf, dass die Verwaltung ermitteln solle, welche Maßnahmen für einen vorläufigen Weiterbetrieb notwendig seien. Von den Ermittlungen hörte man schließlich jahrelang nichts mehr und das Museum verfiel wieder in seinen Dornröschen- schlaf im Schatten der historischen Stadt- mauer. Im Ältestenrat der Stadt Worms wurde schließlich im Januar dieses Jahres die Entscheidung getroffen, das Haus per Notfallverordnung vorerst zu schließen. Zugleich ist es das vorläufige Ende eines von Beginn an kontrovers diskutierten Museums.
Es war im August 2001, als das Nibelungenmuseum nach zweijähriger Bauzeit und Kosten von rund 4,3 Millionen Euro seine Eröffnung feierte. Geliebt wurde es bereits zu diesem Zeitpunkt nur von wenigen Menschen. Der Entwurf, wie auch das Konzept, überzeugten nicht und brachten viele auf die Barrikaden. So kam es bereits am 12.09.99 zum ersten Bürgerentscheid in Worms mit dem Ergebnis: 3859 Stimmen für den Museumsbau, 12.417 Stimmen gegen das Museum. Gebaut wurde trotz der deutlichen Mehrheit der Gegner dann doch. Der Bürgerentscheid scheiterte damals am sogenannten Quorum, das besagt, dass 30 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben müssen. Erreicht wurde aber nur eine Beteiligung von 22 Prozent. Entstanden war das Museum aus dem Wunsch der Stadt heraus, das Thema auch in Verbindung mit den Nibelungen-Festspielen für den Tourismus ganzjährig darzustellen. Eine Idee, deren Notwendigkeit kaum jemand in Frage stellte. In Frage wurden indes der architektonische Entwurf sowie das Konzept des Museums gestellt.
SCHON ZU ANFANG VIELE PROBLEME
Da die Nibelungen letztlich auf einer Sage, gespeist aus historischen Verweisen, beruht, wurde das Museum zu einem multimedialen Ort. Ein damals mutiger und neuartiger Ansatz, den sich die Pariser Agentur HOGE und AUBER aus- gedacht hatte. Statt Exponate gab es viele In- formationen zu hören und zu lesen, versam- melt in zwei Wehrtürmen der Stadtmauer. Der erste Turm, der Sehturm, wurde dominiert von einem überdimensionierten goldenen Zepter, auch Rütelin genannt. Gespickt mit Bildern, die auf den Einfluss der Nibelungen auf die Popkul- tur verweisen, steht dieser als Symbol für den Nibelungenschatz. Begleitet wird der Rund- gang per Audioguide von der Stimme MARIO ADORFS, der diese dem unbekannten Dichter leiht. Im Hörturm befindet sich symbolisch die Schreibstube des Dichters. Dort wird der Besucher über Quellen und Bedeutung der damaligen Literatur informiert. Ebenfalls werden original Passagen zitiert. Das Highlight des ursprünglichen Museums war schließlich die Schatzkammer, die sich im Keller des Museums verbarg und die Besucher zu einem virtuellen Rundgang mit dem Drachen FAFNIR unterhalb von Worms lud. Die leider schon damals leicht veraltete Computergrafik und die schwierige Steuerung des computeranimierten Drachen ließen diesen Schatz jedoch bald zu einem ungeliebten Sorgenkind werden.
Aufgrund ständiger technischer Probleme wurde die interaktive Installation schließlich 2007 abgeschaltet. Im Anschluss wurde die Schatzkammer zu einem Mythenlabor, in dem es einmal mehr viel Theorie gab. 2014 folgte schließlich das Aus für den Aufzug, wodurch ein barrierefreier Betrieb nicht mehr möglich war. Eine Instandsetzung war allerdings auch damals schon nicht möglich. Wie die Verwaltung erklärte, blieb eine bundesweite Ausschreibung erfolglos. Der Grund: Keine Firma traute sich an die Konstruktionen der Franzosen ran. Eine Mitarbeiterin der Stadt Worms unterstrich bei dem Pressegespräch 2020 diese und weitere Eigenheiten der Architektur mit den Worten, dass dieses Museum so hätte nie gebaut wer- den dürfen. Doch nun steht es da. Damit verbunden die Frage, wie es mit dem Ort an sich weitergeht, aber auch mit den Nibelungen als Thema? Erste Gedanken hierzu äußerte Stadtrat MATHIAS ENGLERT in einer Pressemitteilung der Fraktion „Worms will weiter“: „Ein Abriss des Gebäudes wird für die Stadt ebenfalls nur schwer zu finanzieren sein, weshalb eine sinnvolle und nachhaltige Nutzung im Vordergrund stehen sollte“, stellt Englert fest. Fragen zu dem Umgang mit dem Gebäude an der Stadtmauer hat auch die Wormser SPD. Per Pressemitteilung erklärt die Partei: „Zu den Gremiensitzungen erwartet die SPD umfassende Informationen über die Hintergründe der geplanten Schließung. Zudem will man wissen, welche Kosten, beispielsweise für die Sanierung der Stadtmauer, trotzdem entstehen.“
DIE ZUKUNFT DER NIBELUNGEN
Viel wichtiger ist allerdings die Frage, wie die Verantwortlichen mit dem Thema Nibelungen um- gehen werden. Eine dauerhafte Präsentation ist gerade im Kontext mit den touristischen Bemühungen weiterhin unumgänglich. Doch vielleicht ist die Schließung nun auch die Chance, sich konzeptionell von dem kognitiven Ansatz zu entfernen. Ein Ansatz, den bereits die Ersteller des Tourismuskonzept 4.0 als Problem identifizierten. Dort heißt es in Bezug auf das Nibelungenmuseum: „Zudem ist es in seiner derzeitigen Präsentations- form lediglich einem gebildeten Publikum zugänglich. Hinzu kommt, dass die Stadt bislang hauptsächlich während der Festspielzeit vom Nibelungenprofil profitiert.“
Tatsächlich blieben die Besucherzahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Gerechnet hatte man jährlich mit rund 40.000 Besuchern. Laut Angabe der Stadt waren es durchschnittlich 18.000 Menschen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil war dabei den zahlreichen Schulen zu verdanken, die das Nibelungenmuseum besuchten. Auf große Resonanz stießen zudem die Ferienspielangebote des Museumsteams, was im Übrigen auch für die Angebote im Museum der Stadt Worms im Andreasstift gilt. Dort, im geschichtsträchtigen Umfeld der Wormser Vergangenheit, dürfte auch der geeignetste Ort sein, den Nibelungen eine neue Heimat zu geben. Das sieht derzeit auch „Worms will weiter“ so: „Eine gesonderte Ausstellung im städtischen Museum Andreasstift sei denkbar und wünschenswert.“ ENGLERT ergänzt: „Hier sollte in Zukunft darüber nachgedacht werden, ob Requisiten oder Kostüme der Nibelungenfestspiele als Exponate dienen können. Das wäre endlich was zum Anfassen.“
Kostüme gab es zeitweise tatsächlich auch mal im Nibelungenmuseum, allerdings nicht aus dem eigenen Wormser Festspielfundus, sondern aus einer Aufführung von Wagners „Ring des Nibelungen“ im Nationaltheater Mannheim. Die Musik dazu konnte man zuletzt ebenso per Tablet im Museum genießen. Nur einen Verweis zu den Festspielen, den suchte man in der Ausstellung vergeblich. Am 24. April kommt der Stadtrat zusammen, um über die Zukunft des Museums und die Nibelungen zu diskutieren. Das ist die Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und nahbarere Ansätze zu finden. Die Frage wird allerdings auch sein, woher das Geld für einen Neuanfang kommen soll?
Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf