Kritik zu „WOW, die Zukunft ist unser“

21. September 2024 | Vereinsheim SV Horchheim in Worms: Vor zwei Jahren lernten wir bei „Nibelunge neu besunge“, was ein Dramödical ist. Nun ist aus dem Genre ein Verein geworden und der präsentierte sein erstes Stück, das auf den Namen „WOW, die Zukunft ist unser!“ hörte. Am Ende des Abends, so viel sei vorweggenommen, konnten die Zuschauer ebenfalls nur „Wow“ sagen.

Bekanntgeworden aus der Wormser Fastnacht, beschlossen im Frühjahr dieses Jahres die „Zuckerschnute“, sich aus dem Schatten der Fastnacht zu lösen, um ähnlich wie bei der gefeierten Aufführung „Nibelunge‘ nei besunge“ – ein Stück auf die Bühne zu bringen, das für sich alleine steht. In gerade mal vier Monaten entstand so das zweieinhalbstündige, temporeiche Stück „WOW, die Zukunft ist unser“. Lohn dieser Strapazen waren ein dreimal ausverkauftes Sportheim des SV Horchheim und begeisterte Zuschauer. Noch bevor das Stück die Zuschauer in das Jahr 2324 entführte, fasste die 2. Vereinsvorsitzende Susanne Rotter die Formel des Vereins zusammen: „Singe, Spiele, Danze, Lache“. Und ganz in diesem Sinne bescherte das spielfreudige Ensemble den Gästen eine Inszenierung, die von einer simplen, aber dennoch sympathischen Geschichte zusammengehalten wurde.

Die Prämisse ist schnell erzählt. Das Stück spielt 300 Jahre in der Zukunft. Worms heißt zwischenzeitlich WOW und wird ausschließlich von Frauen bewohnt, die im Retortenglas gezüchtet werden. Die einzigen Männer sind Roboter, die bestimmte Funktionen zu erfüllen haben. Zwei Freundinnen fragen sich schließlich, wie die Welt war, als es noch Männer gab, mit denen man Spaß haben und die man lieben konnte? Als sie eine Zeitmaschine entdecken, beschließen sie, diese zu nutzen und schwuppdiwupp finden sich beide im Worms der Gegenwart inmitten der Marktwinzer wieder. Diese Rahmenhandlung diente dabei als Grundgerüst für eine ideenreiche Inszenierung, die mit viel Augenzwinkern das Worms der Gegenwart aufs Korn nahm, aber auch zuweilen das Weltgeschehen.

Wobei, immer wenn das Weltgeschehen in den Fokus rückte, verdüsterte sich die Tonlage des Stücks. So zum Beispiel, als die beiden Freundinnen eine Zeitkapsel finden. Darin enthalten eine Wormser Zeitung, eine Liebfrauenmilch und eine Videobotschaft. In der sinniert ein junger Mann, Maxim, über die düstere Lage der Welt, ehe er damit schließt, dass er dennoch nicht den Kopf in den Sand stecken möchte. Ähnlich ernsthafte Töne schlug das Stück auch in Bezug auf soziale Medien, aber auch Trump oder den Rechtsruck an. Ein kluger Satz aus der Feder der Autorinnen Mechthild Vogel und Sandra Hoh zum Zustand der Menschheit lautete dann auch: „Der Mensch braucht immer was, woran er glauben kann, damit er nicht selber denken muss.“ Dieser Anspruch des Stückes stand zuweilen im Konflikt mit den klamaukigeren Elementen, bei denen durchgängig Vogels Wortwitz und ihre Begeisterung für die „Muddersprooch“ aufblitzte. In einem musikalisch von der Band Cabrio toll begleiteten Song, zur Melodie des Josh Groban Hits „You raise me up“, widmete die Autorin der „Muddersprooch“ eine kleine Hymne.

Ebenso im Fokus des satirischen Treibens stand das allseits bekannte „Gemeckere“. Pointiert aufs Korn genommen wurde dies besonders in einer Szene, als Bürgermeisterin Stephanie Lohr einfach nur die Marktwinzer besuchen möchte. Doch dieser Besuch endet schließlich mit einem Klagelied der frustrierten Bürgermeisterin („Eier dummes Gemecker geht ma uff die Magron, isch kanns nimmer hern“). Neben Singen und Spielen stand mindestens ebenso ebenbürtig das Tanzen auf dem Programm des Abends. Die mitreißend choreografierten Nummern sorgten berechtigterweise jedes Mal für starken Szeneapplaus und rundeten zugleich das professionelle Gesamtbild der Aufführung ab. Dazu gehörten auch die fantasievoll gestalteten Hintergrundbilder. Insbesondere im ersten Teil, der im Worms der Zukunft spielte, schafften es die KI generierten Bilder perfekt, die nötige Atmosphäre zu schaffen. Ein besonderer Lacher war hierbei sicherlich der Wormser Äschebuckel, der zwischenzeitlich zur Cannabis Plantage umfunktioniert wurde.

Fazit: „Wir haben noch viel vor in der Stadt“, erklärte zu Beginn die 2. Vereinsvorsitzende. Was bei anderen eine Drohung sein könnte, entpuppte sich nach Ende des Stücks vielmehr als Versprechen. Auch wenn zuweilen die tonalen Schwankungen das Stück ein wenig aus dem Gleichgewicht brachten, überwog letztlich die großartige Leistung aller Beteiligten, sodass auch der Rezensent am Ende nur „Wow!“ sagen kann.

Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf