„Wohnen, Leben, das sind Emotionen“
Wormser Wohnungsbau GmbH feiert 75. Jubiläum

Moderator Dr. Markus Wolsiffer im Gespräch mit Kevin-Julian Fuhr
Manch einer genießt sein 75. Jubiläum ganz unter dem Einfluss salbungsvoller Grußworte, doch nicht so die Wormser Wohnungsbau GmbH. Statt eines ausschwei- fend nostalgischen Blicks in die Vergangenheit der städtischen Gesellschaft, gab es einen schonungslosen Blick auf die Wormser Realität und am Ende einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.
Ganz ohne einen kurzen Blick in die Vergangenheit ging es natürlich nicht. So erinnerten zunächst die Festredner, darunter WALDEMAR HERDER (Aufsichtsrat Wohnungsbau), ADOLF KESSEL (Oberbürgermeister), TIMO HORST (Stadtentwicklungsdezernent), DORIS AHNEN (Finanz- und Bauministerin RLP) sowie Moderator DR. MARKUS WOLSIFFER in ihren Beiträgen an die Ursprünge und vor allem an die gesellschaftliche Bedeutung des städtischen Unternehmens in Verbindung mit günstigem Wohnraum. Denn der ist knapp, wobei sich im Laufe des Abends zeigte, dass dies nicht das einzige Problem ist, mit dem sich Stadt und Wohnungsbau in den kommenden Jahren auseinandersetzen müssen. Gegründet wurde die Wormser Wohnungsbau 1950 als Folge der Nachkriegszeit. Im Laufe der Jahre wurden zahllose Wohnobjekte gebaut, deren Bestand teils heute noch das Stadtbild prägt.
Oberbürgermeister Kessel erinnerte in seiner Rede an aktuelle Projekte, wie die Modernisierung des Altbestands Alzeyer Straße, bei dem mehr als 10 Millionen Euro investiert wurden, oder auch den Neubau Fischmarkt. Insgesamt, so Kessel, leben in Worms rund zehn Prozent der Menschen in Immobilien der Wohnungsbau. Der Grußworte empfangende Geschäftsführer FUHR bedankte sich im Gespräch mit Moderator WOLSIFFER zunächst für die Unterstützung des Wohnungsbau-Teams in schwierigen Zeiten. Schwierig, da die finanzielle Situation der Wohnungsbau bei seinem Arbeitsantritt im April 2023 nicht gut aussah, ebenso galt es, den Sanierungsstau anzugehen. Eigentlich kommt FUHR aus der Finanzwirtschaft, genau genommen aus dem Immobilienmanagement, also nicht gerade aus einem Bereich, in dem soziale Verantwortung eine Rolle spielte. Ganz in diesem Sinne wollte WOLSIFFER auch wissen, was den geborenen Saarländer dazu trieb, die Branche zu wechseln? FUHR brachte es mit zwei Sätzen auf den Punkt: „Wohnen, Leben, das sind Emotionen“ und „Irgendeinen Millionär irgendwie noch reicher zu machen, darin sah ich keinen Sinn.“
Dass er seine Aufgabe nicht nur darin sieht, stoisch den Wohnungsmarkt zu bebauen, sondern diesen auch zu analysieren, verdeutlichte er schließlich beim anschließenden Höhepunkt der Jubiläumsfeier. Nein, das war natürlich keine Torte in Form eines #wormsliebe Herzes, sondern eine detailgenaue Wohnimmobilienstudie, die in den Politikerreihen für ange- spannte Gesichter sorgte. Erstellt wurde sie im Auftrag der Wohnungsbau durch das renommierte Berliner Unternehmens empirica, das bereits für die Stadt Worms die hochinteressante, kürzliche veröffentlichte Sozialraumanalyse erstellte (siehe WO! 04/25) und von Prof. Dr. HARALD SIMONS vorgestellt wurde. Das vermeintlich Gute vorweg: Worms wächst und ist im Vergleich zu den benachbarten Städten jung und es werden mehr Kinder geboren. Doch nun zur schlechten Nachricht: Die Stadt verfügt über eine vergleichsweise niedrige Bautätigkeit. Das sieht SIMONS vor allem an der Preisstruktur. So wohnen 38 Prozent der Mieter in Wohnungen, die unter 6 Euro pro Quadratmeter liegen. Baukosten wiederum steigen und bei dieser Preisstruktur sei es schwierig, Geld für Reinvestitionen zu verdienen. So wird eben nicht gebaut.
Für die Mieter, die überwiegend in Wohnungen der Wohnungsbau leben, bedeutet das, wie Simons es sagt: „Alter Mietvertrag ist Wertpapier“. SIMONs empfiehlt den Anwesenden das sehr unpopuläre Modell der Mieterhöhungen. Dem gegenüber steht allerdings wieder die soziale Situation in Worms. So verweist der Professor auf die hohe Arbeitslosigkeit, den niedrigen Anteil an Akademikern, aber auch auf den drasti- schen Zuwachs an Menschen mit Migrationshintergrund, oder wie er es sagt: „92 Prozent aller Städte im Umland (Frankfurt, Mannheim, Mainz etc.) haben einen geringeren Anteil“. Zwar räumt er ein, dass das Ein- kommen im Durchschnitt leicht gestiegen ist, allerdings im genannten Umland stärker. Stärker sind dafür auch im Umland die Mieten gestiegen. Darin sieht wiederum die Studie Chancen, einkommensstärkere junge Familien anzuziehen. Doch dafür fehle es an entsprechenden Angeboten. Das wiederum sieht FUHR als Chance, die man nun ergreifen müsse. In unserer Dezember Ausgabe werden wir ausführlicher auf diese Studie eingehen, die im Grunde präzisiert, was viele Bürger bereits erkannten. Und der Wohnungsbau, aber auch der Stadt, stehen große Herausforderungen bevor. Am Ende gab es dann doch noch für das Un- ternehmen eine Geburtstagstorte, allerdings ohne Herz.
Text: Dennis Dirigo, Foto: Andreas Stumpf