Ein Rückblick auf 40 Jahre „Die Funzel“

Es gibt wahrscheinlich keine zweite Kneipe, die das Etikett „Kult“ so verdient hat wie jene, die gezeigt hat, dass es ein Leben hinter dem Bahnhof gibt. Im letzten Monat feierte „Die Funzel“ mit einer zweitägigen Konzertsause ihr 40. Jubiläum.

1983 öffnete „Die Funzel“ erstmals ihre Tür. Gegründet von Studenten der damaligen FH entwickelte sich das Lokal schnell zum urigen Szenetreff. Für viele Schüler und Studenten wurde die Eckkneipe wie zu einem zweiten Wohnzimmer, inklusive einer etwas gammeligen Couch, die jahrelang eine Ecke in der Funzel zierte. Früh entwickelte sich die Kneipe auch zu einem kreativen, aber auch politischen Schmelztiegel. Alternative Parteien hielten dort ihre Stammtische ab und junge Menschen fanden sich zu Bands zusammen, die oftmals in der „Funzel“ auch gleich ihr Debüt rockten. Eine davon waren „THE DÖFTELS“ rund um WO! Kolumnist und Schauspieler Peter Englert. Insofern war es nur konsequent, dass die Wormser Funzel-Matadoren auch auf dem 40. Geburtstag ordentlich rockten. Ganz gemäß der Tradition, auch als Konzertstätte in Worms aktiv zum Kulturleben beigetragen zu haben, veranstalteten die Funzel Inhaber PATRICIA und CHRISTIAN STAATS an zwei Abenden vier Konzerte (15. & 16.9.).

Patricia und Christian Staats

EIN ERINNERUNGSWÜRDIGES WOCHENENDE

Die Geburtstagssause einläuten durfte in der gut gefüllten Funzel die Band LAST MATE. Seit 2019 beschallt das Trio seine Zuhörer mit ordentlichem Wumms im 4/4 Takt. Die Soundregler mächtig aufgedreht, sorgten die drei Männer dafür, dass jeder in der unmittelbaren Umgebung der Funzel Bescheid wusste: Hier wird gerockt! Neben flotten selbstgeschriebenen Punkrockern verbeugten sich Last Mate mit Coverversionen wie dem College Punk Klassiker schlechthin, „Basket Case“ von Green Day, vor ihren musikalischen Helden. Stilistisch hätte der Bruch mit den nachfolgenden DÖFTELS nicht größer ausfallen können. Irgendwo zwischen Glamrock, Schlager, Disco und NDW hat die Band längst ihr eigenes musikalisches Universum geschaffen. Strahlender Mittelpunkt und zugleich Konstante der Band ist freilich der Sänger Peter Englert. Seine Premiere als neuer Döftels-Schlagzeuger feierte an diesem Abend Falko Eckey, der den bisherigen Drummer Johannes Schembs ablöst. Zugleich war das Konzert auch für den einen oder anderen Anwesenden ein nostalgischer Abend. So erzählte Christian Staats WO! gegenüber, dass er bereits vor 16 Jahren das erste Konzert der Döftels in der Funzel erleben durfte. Ein Moment, den er nie vergessen hat. Umso mehr freute er sich, dass er heute nicht einfach Gast war, sondern gemeinsam mit seiner Frau Patricia Gastgeber sein konnte. Zwar sprang Peter Englert nicht aus einer Geburtstagstorte, dennoch ließ er es sich nicht nehmen, der Kult-Kneipe ein Geburtstagssternchen, inklusive Wunderkerzenmeer und Geburtstagshütchen, zu widmen. So wurde ein altbekannter „Flippers“-Schlager kurzerhand in „40 Jahre die Funzel“ verwandelt und alle sangen lauthals mit. Gerührt zeigten sich die beiden Inhaber auch von Tag zwei, den sie gemeinsam mit den Bands LOWER CONTROL und BEDDONG feierten. Letztere Band setzt sich ausnahmslos aus Funzel Stammgästen zusammen und textete eigens für diesen Tag so manchen wohlbekannten Song um.

Lower Control

STAMMGÄSTE UND GESCHÄFTSFÜHRERKOLLEKTIVE

Mit dem Ehepaar Staats erlebte „Die Funzel“ 2020 ihren siebten Inhaberwechsel. Nach der Gründung durch die Studenten, denen „Die Funzel“ auch das Fahrrad an der Decke verdankt, wechselten sich zumeist Geschäftsführerkollektive ab, die oft aus zwei bis drei Personen bestanden. Im Laufe der Jahrzehnte wurde insbesondere WILLY ROHR zum Gesicht der Funzel, der zusammen mit URSUAL MAJEWSKI von 1989 bis 2017 das Leben hinter dem Bahnhof prägte. Mitten in der Corona-Krise übernahm schließlich das Ehepaar STAATS die Kneipe von FELIX JÄGER. Was alle eint, ist, dass sie alle zuvor Stammgäste der Kneipe waren. Während der Corona Maßnahmen eine Kneipe zu führen, war keine leichte Aufgabe, wie das Paar im Gespräch mit WO! zugibt. Umso dankbarer sind sie, dass die Stammgäste in dieser Zeit eine wichtige Stütze waren und heute noch sind.

Mittlerweile hat sich das Geschäft wieder normalisiert, sodass beide auch wieder vermehrt Konzerte planen. Alleine im Oktober gibt es drei Gastspiele (7.10 OPPOWER (CLASSIC ROCK/METAL COVER), 15.10. LUTZ DRENKWITZ (SOLO KÜNSTLER), 28.10. HIP-HOP-KONZERT (MOMASTER, YOUNG SADI). Von Altersmüdigkeit ist bei der „Funzel“ also nichts zu spüren.

Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf