25. September bis 03. Oktober 2015
Wormser Innenstadt:
Wir haben es an dieser Stelle schon öfters geschrieben und tun es auch jetzt wieder. Wer im Jahr 2015 behauptet, in Worms sei nichts los, dem ist wohl auch nicht mehr zu helfen. Von Jahr zu Jahr vergrößert sich das kulturelle Portfolio der Nibelungenstadt, so dass der kulturell Interessierte zu manchen Spitzenzeiten die Qual der Wahl hat. Neuester Zuwachs war das Pop Up Festival, das erstmals in der Wormser Innenstadt stattfand.
An neun Tagen konnte man, verteilt über die gesamte Innenstadt, 30 Veranstaltungen besuchen, die nicht in den bekannten Locations stattfanden, sondern in leer stehenden Geschäftsräumen. Denn das Pop Up wollte nicht einfach ein Kulturfestival sein. Vielmehr wollten das Team um Cheforganisator David Maier Fragen aufwerfen, neue Perspektiven und Bewusstsein schaffen. Und so vermischte sich in diesen Tagen „für junge Kultur, neue Perspektiven und andere schöne Dinge“, wie sich das Festival erweitert bezeichnete, Kunst, Politik und Gesellschaft im besten Sinne. Los ging es mit einer Ausstellung, die zugleich den angestrebten Anspruch unterstrich. Mit der Fotoausstellung der Fotografin ESTELLE ARMKNECHT wollte man das Thema Asyl in den Mittelpunkt stellen. Armknecht porträtierte auf den großflächigen Fotos Menschen, die in Worms Asyl suchen. Diese Fotos, zur Eröffnung auf dem Obermarkt präsentiert, wurden anschließend für die Dauer des Festivals in 30 Wormser Geschäften ausgestellt. Das Thema Asyl stand auch in dem Theaterstück „ASYL-MONOLOGE“ im Zentrum, das von der „Bühne für Menschenrechte aus Berlin“ in der AfA Passage aufgeführt wurde. Ebenso waren auch verschiedene Asylanten als ehrenamtliche Helfer in das Team integriert. Ein weiteres Ziel des Festivals war es, durch die Spenden der Besucher, alle Veranstaltungen kosteten keinen Eintritt, Deutschkurse bezahlen zu können. Wie Initiator David Maier einräumte, war dies allerdings nicht möglich, da die Spenden weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Am Besucherandrang konnte das nicht gelegen haben, denn der war zeitweise über den Erwartungen, wie zum Beispiel bei der Veranstaltung „HEUTE BIN ICH IM KINO“. Mit Unterstützung der Wormser Kinowelt wurde der Film „Heute bin ich Samba“ in einem leer stehenden Geschäft in der Stephansgasse, das eigens für diesen Tag in ein Kino verwandelt wurde, gezeigt. Hier war der Zuspruch sehr groß, so dass das Team Besucher wegschicken musste. Insgesamt stimmte die Besucherfrequenz bei allen Veranstaltungen, wenn auch David Maier einräumte, dass man nicht unbedingt jene erreicht hätte, die man wollte. Dem Unterhaltungswert tat das indes keinen Abbruch. Es ist schwer, aus diesem bunten Programmcocktail einzelne Highlights zu benennen. Waren es die Schaufensterkonzerte von MATS HEILIG oder ERICA am ersten Festivalsamstag, der POETRY SLAM in einem Laden der Kaiser Passage, der sich durch seine Bissigkeit von den üblichen Slams abhob, die PRE WORK PARTY in einem leer stehenden Obstladen mit Musik des DJ Kollektivs KOMMA LAUT, eine Kurz-Vernissage mit dem Künstler ACHIM BARTMANN im selbigen Obstladen oder die pädagogisch absolut unkorrekte Lesung mit PETER ENGLERT, JOERN HINKEL und einer Flasche Wodka in der gut besuchten AfA-Passage?
Natürlich gab es auch ein paar kleinere Geburtswehen wie der etwas unübersichtliche erste Festivalsamstag, der möglicherweise von festen Programmzeiten profitiert hätte. Aber genau dies wollten die Macher an jenem Tag nicht. Vielmehr wollte man den Passanten unter dem Namen „CIRQUE DE FUSSGÄNGERZONE“ ein spontanes Programm bieten, was es den Programminteressierten natürlich etwas erschwerte. Das schmälerte letztlich nicht den positiven Gesamteindruck, der eine Wiederauflage absolut wünschenswert macht. Mindestens ebenso wünschenswert ist, dass bei einer Neuauflage die Spendenbereitschaft etwas großzügiger ausfällt. Am Rande des Festivals gab es am letzten Samstag auch eine sehr gut besuchte Veranstaltung in der Musikkneipe BB ON THE ROCKZZ, die sich ebenfalls mit dem Thema Asyl beschäftigte. Neben ordentlich rockenden Bands kamen an diesem Abend auch Betroffene zu Wort, die von ihren teils grausamen Schicksalen erzählten.
Fazit: Ein neues Festival, das für reichlich Gesprächsstoff sorgte und einmal mehr zeigte, was für eine kulturell bunte Stadt Worms ist. Eine Neuauflage ist unbedingt wünschenswert.