Es gibt mit Sicherheit leichtere Möglichkeiten, sein Geld zu verdienen, als als Oberbürgermeister der Stadt Worms. Adolf Kessel machte bereits im Wahlkampf kein Geheimnis daraus, dass sein Lebensweg diesen Job eigentlich nicht mehr vorsah. Dennoch stellte er sich bewusst dieser Herausforderung und wurde schließlich bei der Stichwahl mit 73,1 Prozent von den Wormsern zum neuen Oberbürgermeister gewählt.
In unserem Magazin kommentierte der erfahrene Berufspolitiker den Weg ins Rathaus mit dem Satz: „Durch meine Tätigkeit im Landtag bin ich politische Arbeit und vor allem 12 bis 14 Stunden Arbeitstage gewohnt. Das hilft, diesem Amt gerecht zu werden“. Es war ein erdrutschartiger Sieg, der beispiellos ist in der jüngeren politischen Geschichte der Stadt Worms, da selten zuvor die wahlberechtigten Bürger so eindeutig bei einer Wahl dafür votiert haben, den bisherigen Amtsinhaber in den Ruhestand zu schicken. Adolf Kessel hierzu: „Es war bei der Wahl eine Wechselstimmung zu spüren, wobei ich auch nicht mit so einem gewaltigen Unterschied gerechnet hätte“. Sein Vorgänger Kissel hinterlässt ein zwiespältiges Erbe, das den neuen Oberbürgermeister vor große Herausforderungen stellt. Natürlich werden die wegweisenden Entscheidungen vom Stadtrat getroffen. Dennoch hat ein Oberbürgermeister als Chef der städtischen Verwaltung weitreichende Kompetenzen; so darf er den Rat durch Widerspruchsrecht und Beanstandungspflicht zur Selbstkontrolle anregen. Das heißt, dass er einem Ratsbeschluss widersprechen kann, wenn er befürchtet, dass dieser das „Wohl der Gemeinde“ gefährdet. Zudem weiß Kessel eine knappe Parteimehrheit im Stadtrat hinter sich. Während bei Kissel die SPD stärkste Fraktion im Stadtrat war, ist dies nun mit einem Platz mehr die CDU (15 Sitze). Die Erwartungen bei den Wormser Bürgern, was Adolf Kessel angeht, sind gemischt. Nicht wenige befürchten die Fortsetzung einer Stadtpolitik, die in den vergangenen Jahrzehnten durch die beiden großen Fraktionen SPD und CDU geprägt wurde. Andere wiederum hoffen, dass Kessel es schafft, die Gräben, die durch Kissels „Basta-Politik“ entstanden sind, zu überwinden. Bürgernähe ist hier ein Schlagwort, das gerne genannt wird. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der CDU Mann diesem Anspruch eher gerecht wird als sein Vorgänger. Kessel gilt als bodenständig, was sich auch in seinen Reden niederschlägt. Statt wortgewaltige Reden zu schwingen, wie der begabte Rhetoriker Kissel, sind Kessels Reden von sachlicher Nüchternheit geprägt. Doch am Ende seiner Legislaturperiode im Jahr 2027 muss auch Kessel sich vor allem an harten Fakten messen lassen.
Wir haben deshalb Themenfelder gebündelt und die Herausforderungen, die auf Stadtrat und Oberbürgermeister in den nächsten Jahren warten, kurz und knapp zusammengefasst:
Schulden
Dass die Stadt Worms finanzielle Probleme hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Insgesamt beläuft sich der Schuldenberg auf rund 480 Millionen Euro. Dringend notwendige Projekte lassen sich zwischenzeitlich ohne Fördergelder von Bund und/oder Land nicht realisieren. Die Kommunalpolitik klagt seit Jahren darüber, dass sie aufgrund vielfältiger zugewiesener Maßnahmen von Bund und Land chronisch unterfinanziert sei. Die Haupteinnahmequelle einer Stadt ist indes die Gewerbesteuer. Die sprudelte in den letzten Jahren und ermöglichte es, dass die jährliche Neuverschuldung gedrückt werden konnte. Aktuell weist der Haushalt ein Defizit von rund 11 Millionen Euro aus. Die Gewerbeflächen sind jedoch rar, um neue größere Firmen anzusiedeln und mit einer Rezession ist zu rechnen. Hier sind in den nächsten Jahren kreative Lösungen und Kessels Verhandlungsgeschick gefragt. Die Weichen sind mit dem Ziel, den Tourismus zu fördern und vermehrt kleinere Start-ups zu umwerben, gestellt.
Sicherheit und Ordnung
In den letzten beiden Wahlkämpfen war es ein präsentes Thema. Kessel formulierte im Wahlkampf das Ziel, einen 24 Stunden Dienst bei der Ordnungsbehörde zu etablieren. Eine Aufgabe, die natürlich nicht sofort umsetzbar ist. In der Zusammenarbeit mit der Wormser Polizei dürften Kessels Wissen und Kontakte als ehemaliger Kriminalbeamter von Nutzen sein.
Kindertagesstätten, Schulen und günstiger Wohnraum
Auch hier scheint die Stadt in einer Zwickmühle zu stecken. Der Bedarf ist ungebrochen hoch und die Plätze bzw. Wohnungen rar. Kissel entschied sich für den leichtesten Weg und verpflichtete die Wohnungsbau GmbH zu mehreren Bauprojekten, wie zuletzt den Bau eines Mehrfamilienhauses mit Kita und Tiefgarage am Fischmarkt. Kessel und mehrere Stadträte kritisierten diese Maßnahme, da die Wohnungsbau GmbH durch dieses aufwendige Bauprojekt auf Jahre gebunden sei. Lösungen finden sich möglicherweise in einer stärkeren Kooperation mit Unternehmen und Investoren, wobei die Abhängigkeit von Investoren auch Risiken birgt. Eine Herausforderung wartet auch hinsichtlich der anstehenden Schulsanierungen. Hier sprach Kessel bereits von einer Prioritätenliste, die erstellt werden muss. Außerdem formulierte er das Ziel, Bauamt und den Gebäudebewirtschaftungsbetrieb zusammenzulegen, um die Arbeit wieder effizienter zu gestalten. Hier kann er mit Unterstützung der SPD rechnen, da auch die Stadtratsfraktion bereits hierzu anregte.
Verkehr
In Worms unterwegs zu sein, kann oft mühselig sein. Baustellen, zu viele Autos auf zu engen Straßen und ein schlechtes Radnetz erschweren oftmals die Fortbewegung. Ein neues Verkehrskonzept, das im Frühling vorgestellt wurde, sollte Lösungen bieten, tat es aber nicht. Kessel möchte in den nächsten Jahren vor allem das Radnetz ausbauen, um zugleich einen stärkeren Akzent auf ein umweltgerechtes Verkehrskonzept zu legen. Umstritten ist der Punkt, ob man die Innenstadt zu einer verkehrsberuhigten Zone entwickeln sollte. Die CDU propagierte diese zuletzt in ihrem Kommunalwahlkampf. Klar ist aber auch, dass in den nächsten Jahren damit zu rechnen ist, dass sich die Zahl der Autos nicht verringern wird. Eine wichtige Bedeutung könnte hierbei dem öffentlichen Nahverkehr zukommen. Derzeit machen allerdings hohe Tarife und eine schlechte Taktung diesen für viele Bürger unattraktiv. Nicht zuletzt stellt sich auch die Gretchenfrage, ob es Aufgabe der Stadt ist, Parkraum zu schaffen. Kissel beantwortete diese Frage mit einem klaren „Ja“. Wohin das allerdings führen kann, zeigt die unendliche Posse um das Parkhaus am Dom. Auch hier sind neue Konzepte gefragt.
Kommunikation
Ein Thema, das uns ganz besonders am Herzen liegt. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Oberbürgermeisters, den Bürgern seine Politik zu erklären. Kissel tat das zwar, dennoch hatten viele Bürger, besonders seit dem umstrittenen „Haus am Dom“, das Gefühl, nicht immer die wahren Gründe für dessen Entscheidungen zu erfahren. Kissel verschanzte sich gerne hinter Paragrafen und wechselnden Begründungen. Kritik wurde unwirsch beantwortet oder beiseite geschoben. Wir als WO! könnten zu diesem Thema sicherlich viele Seiten füllen, tun wir aber nicht, da dies hoffentlich der Vergangenheit angehört. Politik sollte letztlich an maximaler Transparenz interessiert sein. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass unter Kessel auch ein neuer Kommunikationsstil ins Rathaus einzieht. Die Zeit wird es weisen!