Deutschland ging im Januar demonstrieren. Waren es zunächst die Bauernproteste, die die Medienberichte beherrschten, gingen kurze Zeit später Hunderttausende in Anti-Rassismus-Demos auf die Straßen. Denn binnen weniger Tage hatte sich der Protest gewandelt. Stand zuvor die mangelhafte Arbeit der Ampelregierung im Fokus der Kritik, richtete sich der Protest nun gegen die menschenverachtenden Absichten aus rechten Kreisen. Was war passiert?
Ereignisreiche Wochen liegen hinter Deutschland. Das Jahr war noch jung, als die Bauernproteste ein paar Tage lang den Verkehr lahm- legten und eindrucksvoll zeigten, was möglich ist, wenn sich ein ganzer Berufsstand zusammenrottet und seinen Ärger über politische Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Kurz danach streikten die Mitarbeiter der Deutschen Bahn, weshalb Hunderttau- sende verspätet oder gar nicht zur Arbeit erschienen. Als dann auch noch Schnee und Eis über das Land kamen und für Chaos sorgten, hatte man einmal mehr das Gefühl, dass in Deutschland gar nichts mehr so richtig zu funktionieren scheint. Vor allem überraschte, wie sehr sich weite Teile der Bevölkerung mit den Bauern solidarisch zeigten, obwohl man deren Protest durchaus kritisch sehen kann, schließlich resultiert ein nicht unerheblicher Teil des jährlichen Gewinns eines Landwirtes aus staatlichen Subventionen. Andererseits kann man die deutschen Landwirte nicht deutlich schlechter stellen als die weltweite Konkurrenz, wenn man will, dass weiter- hin Gemüse aus der Region in den deutschen Supermärkten angeboten wird. Außerdem muss man fest- halten: Wer sich über Klimakleber echauffiert, die mit ihren Protestaktionen den Verkehr lahmlegen, kann nicht gleichzeitig die Form der Bauernproteste gutheißen. Aber vermutlich wollten andere Berufs- gruppen mit ihrer Solidarität für die Bauern lediglich zum Ausdruck bringen, dass auch sie mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind. Eine Randnotiz ist hierbei, dass sich Teile der AfD diese Proteste zu Nutzen machen wollten und sich solidarisch mit den Bauern zeigten, obwohl ihre Politik alles andere als bauernfreundlich ist.
Die Stimmung schlägt um
Just in dem Moment, als man das Gefühl hatte, dass die negative Stimmung überschwappt und zu befürchten stand, dass immer mehr Menschen auf die Straße gehen, um ihren Unmut über die Regierung zum Ausdruck zu bringen, kam es zu einer spektakulären Enthüllung, die medial hohe Wellen schlug. Das Medienunternehmen „Correctiv – Recherchen für die Gesellschaft GmbH“ berichtete von einem geheimen Treffen von Leuten aus der rechten Szene, bestehend aus rechtsextremen Aktivisten, einflussreichen Geschäftsleuten und AfD-Politikern, das Ende November 2022 im Landhaus Adlon in Potsdam stattfand. Auch einzelne Mitglieder der CDU und der Werteunion seien vor Ort gewesen. Von den Teilnehmern wurde hierbei über einen „Geheimplan gegen Deutschland“ oder die Pläne für die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland gesprochen. Um an diese Informationen zu gelangen, hatte „Correktiv“ im selben Hotel eingecheckt und versteckte Kameras aufgestellt. Diese Recherchen, die von AfD-Politikern als „Stasi-Methoden“ bezeichnet wurden, lösten ein politisches Beben quer durch alle Partei- en aus. Die Empörung im bürgerlichen Lager war dementsprechend groß.
Die Rolle von Correctiv
Verwunderlich ist hierbei, dass ein vermeintlich neutrales Reporternetzwerk wie „Correctiv“ nicht die Regierungsarbeit unter die Lupe nimmt, so wie man das erwarten könnte, sondern stattdessen eine Oppositionspartei beschattet. Die Verwunderung weicht etwas, wenn man sieht, dass es ausgerechnet die Regierungsparteien sind, die über ihre Stiftungen zu den regelmäßigen Spendern des gemeinnützigen Netzwerks zählen. Zudem hat „Correctiv“ zwischen 2020 und 2023 ca. 2,6 Millionen Euro an Zuwendungen aus Steuergeldern erhalten. Wofür eigentlich? Um Hintergründe einer Oppositionspartei zu enthüllen? Wäre das nicht die Aufgabe der gewöhnlichen Presse und nicht einer spendenfinanzierten, gemeinnützigen Organisation? Aber unabhängig von der fraglichen Rolle, die „Correctiv“ einnimmt, stehen die Enthüllungen, die Insider nicht wirklich überrascht haben. Im Übrigen beschreibt der hierbei häufig gefallene Begriff „Remigration“ den Teil eines Migrationsprozesses, bei dem Menschen nach einer beträchtlichen Zeitspanne in einem Land in ihr Herkunftsland zurückkehren, was per se nichts Verwerfliches ist. Das Treffen in Potsdam hat aber gezeigt, dass es in Deutschland rechte Strömungen gibt, die am liebsten ethnische Säuberungen durchführen und alle mit Migrationshintergrund abschieben wollen, freilich ohne zu erklären, wie ein Land mit 84 Millionen Einwohnern noch funktionieren soll, wenn man mal eben 30 Millionen Menschen ausweist? Dass an solchen Treffen AfD-Leute teilnehmen, zeigt, wie tief die Partei in rechtsextreme Strukturen verstrickt ist. Das macht die Partei für Demokraten unwählbar. Und womöglich hat dies auch potentiellen AfD-Wählern die Augen geöffnet, dass man es bei der AfD tatsächlich mit einem Wolf im Schafs- pelz zu tun hat.
Bis hierhin und nicht weiter
Von daher war es richtig zu sagen: „Bis hierhin und nicht weiter!“ Dass sich in Deutschland Hundert- tausende auf den Straßen versammelt haben, war wichtig, um zu zeigen, dass die politische Mitte stärker ist, als ein paar Krakeeler auf rechten Demos. Trotzdem stellt sich die Frage, warum „Correctiv“ mit den Enthüllungen bis Mitte Januar gewartet hat, obwohl besagtes Treffen bereits im November stattfand? Hat man nur den besten Zeitpunkt abgewartet, um die Ampelregierung, quasi die eigenen Geldgeber, ein wenig aus der Schusslinie zu nehmen? Stattdessen richtet sich nun der Zorn gegen eine Partei, die gar nicht in der Regierungsverantwortung steht. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch so bleibt. Das nimmt aber die anderen Parteien nicht aus der Pflicht, mit einer besseren Politik dafür zu sorgen, dass die AfD nicht noch weiter erstarkt.
Kommentar: Frank Fischer