Am 21. Februar jährte sich zum 75. Mal die Erinnerung an die Nacht, in der Worms kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs zum ersten Mal nach einem Fliegerangriff der Royal Air Force einem Flammenmeer zum Opfer fiel. Am 18. März folgte ein weiterer Angriff. Rund um diese Tage fanden und finden mehrere Gedenkveranstaltungen statt, darunter eine bewegende Matinee mit Dr. Jörg Koch, Karl-Heinz Deichelmann und Paul Streich.

Die Dreiteilung der beliebten Matinee Veranstaltungen, die zumeist im Heylshof Museum stattfinden, ist dabei ein bewährtes Stilmittel und erlaubt es, das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln wahrzunehmen. Während der Historiker Koch entsprechend seiner Profession die belegten Fakten näher bringt, lässt Deichelmann Dichter und Zeitzeugen sprechen, derweil bei Streich am Klavier die passenden Noten erklingen. Auch in der Matinee blieb man sich diesem Rezept treu und verwob die Ebenen zu einer eindringlichen Vorstellung, die daran erinnerte, wie viel Leid der Zweite Weltkrieg über die Welt brachte. „Es gibt kein Datum in der Wormser Geschichte, dass sich so sehr in das kollektive Gedächtnis gebrannt hat“, resümiert Dr. Koch zu Beginn und ergänzt: „Es besteht kein Zweifel daran, wer den Krieg begonnen und die Verantwortung für die Zerstörungen hat, Adolf Hitler“. Dennoch fand Koch auch kritische Worte und nannte die Angriffe auf die zivile Bevölkerung nicht nachvollziehbar, da der Krieg bereits militärisch verloren war. Lange Zeit war Worms für die Alliierten uninteressant. Wie Koch berichtete, gab es zuweilen verirrte Bomber, die eigentlich die BASF als Ziel hatten. Doch das änderte sich, als im November 1944 die Alliierten eine Prioritätenliste zur Bombardierung anlegten und Worms dabei in den Fokus geriet. Das Hauptziel waren der Ludwigsplatz und die Lederfabriken. Um 20:27 Uhr warfen schließlich 111 Flieger ihre Bomben auf die Stadt. Innerhalb von 20 Minuten verwandelte sich die Stadt in ein flammendes Inferno. Die Domglocken waren zerschmolzen, die Kirchen komplett ausgebrannt und zahlreiche Häuser zerstört. 239 Menschen, überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen, starben. Die Trefferquote lag bei 70 Prozent. Das einzige Gebäude, das in der Innenstadt noch stand, war die Adler Apotheke. Selbst nach dieser Katastrophe hielten bei den anschließenden Trauerfeierlichkeiten am 2. März die NSDAP Funktionäre an ihren Durchhalteparolen fest. Am 18. März 1945 folgte schließlich kurz nach 9 Uhr die zweite Bombardierung. Dieses Mal durch die Amerikaner. Im Visier hatte man den Wormser Norden und den Hafen. 141 Menschen starben. Insgesamt ließen rund 700 Zivilisten während des Krieges in Worms ihr Leben, 64 Prozent aller Wohnungen waren zerstört und 8.000 Menschen obdachlos.
Karl-Heinz Deichelmann rezitierte indes Autoren, die mit den Mitteln der Kunst versuchten, das Dritte Reich zu verarbeiten. Deichelmann fragte mit den Worten des 1927 geborenen Schriftstellers Bernhard Seeger: „Wie konnte es soweit kommen? Was haben wir falsch gemacht?“. Mit den Sätzen des Dichters Walter Bauer gab er zugleich die Antwort: „Eines Tages werden wir aufwachen und wissen, dass wir zu wenig getan haben oder das Falsche. (…) Wir werden uns dann eines Glanzes erinnern, der uns blendete vor vielen Jahren, so, dass wir erschauerten.“ Musikalisch begleitet wurde der Vortrag von Paul Streich, der Gustav Mahlers vollorchestrale Sinfonie Nr.5 cis – moll in ein intimes, fast schon kammermusikalisches Stück verwandelte, das die Tragik dieser beiden schrecklichen Tage für die Besucher musikalisch spürbar machte. Am Ende schloss der Abend mit einem kraftvollen Vortrag. Deichelmann verlieh Borcherts wütendem Gedicht „Dann gibt es nur eins“ eine Dringlichkeit, die daran gemahnte, dass kriegslüsterne Menschenfänger zeitlos sind: „Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre. dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“