Jahresrückblick 2023 Sport
Erst hatten die Fußballer 2022 in Katar versagt, die Damen taten es ihnen 2023 gleich und von der Leichtathletik WM ist Deutschland ohne eine einzige Medaille zurückgekehrt. Und da die Menschen in Deutschland gerne einfache Erklärungen bevorzugen, wurde der mangelnde Siegeswille einer Generation zugeschrieben, der die Motivation in nahezu allen Bereichen abhandengekommen ist. Haben wir also im Jahr 2023 das endgültige Ende einer einstigen Siegernation gesehen? Nicht ganz, es gibt noch Hoffnung…
Kurz nachdem die deutsche Delegation ohne eine einzige Medaille von der Leichtathletik WM in Budapest zurückgekehrt war, erschien im „Tagesspiegel“ der Artikel „KEINE NOTEN, KEINE MEDAILLEN, KEINE LEISTUNG MEHR: DAS LINKE MITTELMASS TRIUMPHIERT“, in dem Ex-Hochsprung-Legende Carlo Thränhardt eine Krise in der Leichtathletik erkennen will, die sich disziplinübergreifend nicht nur im Sport feststellen lasse, sondern die für die gesamte Gesellschaft wesenstypisch sei. „UNS IST DIE HÄRTE ABHANDENGEKOMMEN“ rätselte Thränhardt über die Ursachen und kam zu dem Schluss: „DEUTSCHLAND SCHMIERT GNADENLOS AB, UND WER GLAUBT, DIES HÄTTE NICHTS MIT EINER VORHERRSCHENDEN POLITIK ZU TUN, DIE ALLE EINST DEUTSCHEN TUGENDEN, DIE JEDE KLASSE, QUALITÄT UND JEDES NIVEAU VERTEUFELN UND IDENTITÄT IN JE- DER FORM ZUR BELIEBIGKEIT ERKLÄRT, DER MUSS MIT BLINDHEIT GESCHLAGEN SEIN.“
Derweil meldete sich der ehemalige Weltklassezehnkämpfer Frank Busemann zu Wort: „WIR SIND DABEI, LEISTUNG ABZUSCHAFFEN. WIR NEHMEN IMMER RÜCKSICHT DARAUF, DASS DAS SCHWÄCHSTE GLIED IN DER GRUPPE GUT DASTEHT.“ Zur anhaltenden Krise der deutschen Fußballnationalmannschaft äußerte sich kürzlich Kultstürmer Miroslav Klose, dass er bei der aktuellen Generation – trotz aller Qualität – oft das Gefühl habe, dass sich die Spieler sofort angegriffen fühlen: „DAS IST NICHT GUT. FEEDBACK, VOR ALLEM VON DEN EIGENEN KOLLEGEN, WAR FÜR MICH IMMER DAS WICHTIGSTE: FEHLERKULTUR, AUSTAUSCH“.
KEIN WETTBEWERB MEHR?
Irgendwie passte dazu die Meldung, dass dem Sport im Jugendbereich einige Reformen bevorstehen. Die Neugestaltung der Bundesjugendspiele sieht beispielsweise im Weitsprung vor, dass nicht mehr die tatsächliche Weite gemessen wird, sondern nur noch entscheidend ist, in welcher Zone man landet. Im österreichischen Fußball soll es bei Sechs- bis Zwölfjährigen keine Tabellen und Ergebnisse mehr geben. Auch der Spieler mit den meisten Toren wird nicht mehr ermittelt im Jugendbereich. Jeder, der schon einmal Sport gemacht hat, wird bestätigen, dass man seine Potentiale nur wecken kann, wenn man sich mit anderen Personen misst. Nebenbei bemerkt machen das gerade Kinder bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Von daher klingt die Abschaffung von Ergebnissen im Jugendbereich nach einer Idee von Leuten, die früher in der Schule als Letzte ins Team gewählt wurden und aus Rückschlägen rein gar nichts gelernt haben, die aber nun unsere Gesellschaft umgestalten wollen.
Auch und gerade der Umgang mit Sieg und Niederlage will gelernt sein und ist eine wichtige Lebensschule für junge Leute. Ob das Abschaffen von Wettbewerben das richtige Signal für ein später einmal selbstbestimmtes Leben ist, darf deshalb bezweifelt werden. Wenn man auf der Arbeit keine Leistung bringt, wird man schließlich auch gefeuert. Im Übrigen glaubt man in Deutschland immer wieder, dass nur wir alleine die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Aber dann folgen eine europaweite PISA-Studie, bei der wir gnadenlos abschmieren, oder zum wiederholten Male ein letzter Platz beim „Eurovision Songcontest“. Dann führt uns Europa wieder einmal gnadenlos vor Augen, dass längst nicht alles so gut ist, wie man in Deutschland glaubt.
IST ALLE HOFFNUNG VERLOREN?
Aber bevor man zu dem vorschnellen Urteil kommen konnte, dass früher sowieso alles besser war, kamen im September die deutschen Basketballer um die Ecke und holten zum allersten Mal in der Geschichte dieses Sports mit einer beindruckenden Mannschaftsleistung den WM-Titel nach Deutschland. Und Anfang Dezember sorgten die jungen Fußballer mit dem Gewinn der U-17-Weltmeisterschaft für Hoffnung, dass uns in absehbarer Zeit eine neue Generation mit Siegertypen bevorsteht. Deutschland hat also auch im Jahr 2023 das Siegen nicht verlernt, obwohl sich das Land immer mehr von einer Leistungsgesellschaft abwendet.
Auch für die Fußball-EM im eigenen Land besteht durchaus noch Hoffnung, wenn es Neu-Bundestrainer Julian Nagelsmann gelingen sollte, ein Team zu formen, das sich wieder der typisch deutschen Tugenden wie Einsatz, Wille und Leidenschaft bedient. Die Deutschen waren auch bei ihren vorherigen Titelgewinnen nicht immer die spielerisch beste Mannschaft des Turniers, aber eben das Team, das den Titel am meisten wollte. Womöglich steht uns dann 2024 ein neues Sommermärchen bevor, das dem gebeutelten Gastgeberland Deutschland guttun würde. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Text: Frank Fischer