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Im Januar 2020 war der in Deutschland lebende gebürtige Russe Wladimir Kaminer zuletzt Gast im Gewölbekeller von Gut Leben am Morstein. Seitdem sind gerade mal zweieinhalb Jahre vergangen. Eine Zeit, die gereicht hat, dass die Welt nicht mehr dieselbe ist. Für Kaminer allerdings kein Grund, den Humor zu verlieren und sich als letzten ansprechbaren Russen zu bezeichnen.
Wer eine Lesung von dem leicht spitzbübisch wirkenden Autor besucht, weiß, dass dies kein Abend wird, bei dem einfach nur die besten Passagen aus dem neuesten Buch vorgetragen werden. Dementsprechend wirkte Kaminer auch zu Beginn seines Auftritts in Westhofen zunächst etwas unorganisiert. Eher, als sei der letzte Auftritt erst ein paar Wochen her, fragte er ins Publikum, wo er denn beim letzten Mal aufgehört habe? Das Publikum war sich unsicher. Und so gab es zu Beginn ein paar Wiederholungen, in deren Mittelpunkt seine Lieblingsthemen standen, nämlich Oma und seine beiden Kinder. Im geselligen Plauderton erzählte er zwischendurch immer wieder Pandemie Anekdoten. Wie er alleine am Bahnhof in Baden Baden stand, lediglich beobachtet von zwei Zeugen Jehovas, die sich offenbar in Anbetracht von Gottes Strafe irgendwie auch ein wenig freuten und ihn in ein Gespräch verwickelten, während auf Videoleinwänden Christian Drosten stumm in Dauerschleife über die große Bedrohung quasselte. Selbstverständlich äußerte sich der Autor auch zu Putin und wurde dabei für einen kurzen Moment ernst: „Ich glaube, nach allem, was Putin angestellt hat, wird er den Kreml nur mit den Füßen nach vorne verlassen“. Kaminer machte keinen Hehl daraus, dass er hofft, dass die Bürger/innen in seiner früheren Heimat aufwachen, weswegen er es derzeit auch Russen, die in Deutschland Zuflucht suchen, über das Internetradio ermöglicht, seine ehemaligen Landsleute aufzuwecken. Der Weg ist allerdings noch weit. Ein Ende durch kriegerische Handlungen sieht er allerdings nicht.
FAZIT: Es ist die Mischung aus dem schweren russischen Zungenschlag, der leicht naive Blick auf die Welt, gepaart mit einem Instinkt für die Pointe, die seine Vorträge live zum Erlebnis machen – auch bei seinem dritten Besuch in Westhofen. Ein vierter ist versprochen.
Text & Foto: Dennis Dirigo