Verkehrserhebung der Stadtverwaltung in der Altstadt wirft Fragen auf
Bereits seit Längerem streiten Stadt und Bewohner der Altstadt über den Umgang mit dem Verkehr in selbiger. Während die Stadt keinerlei Anlass für Veränderungen sieht, sehen die Anwohner das anders. Längst hat dabei die Diskussion die Ebene der Sachlichkeit verlassen. Daran ändert auch eine Verkehrserhebung nichts, die mehr Fragen als Antworten liefert.
Der bisher vorläufige Höhepunkt dieses Konflikts war das unwürdige Auftreten eines Anwohners im Innenstadtausschuss (wir berichteten). Dort wurde gemäß eines Antrags der SPD Mitte über die Causa Altstadt einmal mehr diskutiert. Geprüft werden sollte konkret die Umwandlung der Altstadt in ein reines Anliegergebiet. Die Forderung der Anwohner lautet dementsprechend, die Altstadt für den Durchgangsverkehr zu sperren. Ein Anliegen, das die Stadt deutlich ablehnt und bereits in der Vergangenheit eine kleine Gruppe von Anwohnern dazu verleitete, der Stadt eine Form des strukturellen Rassismus vorzuwerfen. Die Begründung: Da in der Altstadt überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund leben, sei es der Stadt schlicht egal, etwas an der Verkehrssituation zu ändern. Die Verwaltung begründete hingegen die Ablehnung damit, dass es aus ihrer Sicht kein Verkehrsproblem gäbe. Als Faktengrundlage zog man eine Verkehrszählung aus den späten Nullerjahren heran, eine gemeinsame Begehung an einem Nachmittag unter der Woche sowie die persönlichen Beobachtungen des Leiters der Straßenverkehrsbehörde, DIETER HERRMANN. Letztlich eher fragliche Grundlagen für eine seriöse Diskussion. Enttäuscht von diesen Aussagen, schleuderte Anwohner FLORIAN DIECKMANN ein kräftiges „Bullshit“ durch den Ratssaal und verließ selbigen lautstark. Zuvor regte PETER ENGLERT (WWW) allerdings noch an, mit Hilfe eines Geschwindigkeitsanzeigers die Diskussion mit aktuellen Zahlen zu untermauern. Eigentlich eine gute Idee. In einer Pressemitteilung zur Auswertung der Erhebung heißt es schließlich: „Dazu wurden in der Zeit von Montag, 04., bis Sonntag, 10.03., in der Bärengasse durch ein Erfassungsgerät sowohl die gefahrenen Geschwindigkeiten als auch die Anzahl der auf der Fahrbahn passierenden Fahrzeuge erfasst.“ Erstaunlicherweise unternahm die Stadt allerdings nur eine Auswertung der Tage Dienstag bis Donnerstag. Orientiert habe man sich dabei an der Empfehlung für Verkehrserhebungen. Eine seltsame Entscheidung im Kontext mit einer Diskussion, bei der die Anwohner immer wieder auf die schwierige Situation am Wochenende verwiesen. Doch selbst wenn man nur die Auswertung der angegebenen drei Tage nimmt, scheint das Fazit der Stadt fragwürdig, dass keine verkehrsplanerischen Maßnahmen gerechtfertigt oder erforderlich sind.
Gezählt wurden in diesem Zeitraum 86 Fahrzeuge, die durchschnittlich mit 23 km/h durch die enge 30er Zone der Bärengasse fuhren. Die höchste gemessene Geschwindigkeit sei bei einem PKW mit 45 km/h registriert worden. Die Reaktion des Anwohners DIECKMANN ließ natürlich nicht lange auf sich warten. So kommentierte er auf unserer Facebook Seite: „Der Aussagewert dieser Messung ist im weiteren aus mehreren Gründen gering. (…) Da in der Woche der Messung in der Straße ein Gerüst gestanden hat und der Verkehr zudem am Dienstag durch die gelbe Tonne gebremst gewesen ist, sind die Daten sicherlich nicht repräsentativ.“ Das Wort „repräsentativ“ wird zwar von der Stadt nicht verwendet, dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass die Stadt nicht wirklich an einer konstruktiven Klärung interessiert ist. Vielmehr scheint es, als sei die halbherzige Auswertung eine Reaktion auf die oftmals emotional unsachliche Diskussion der vergangenen Monate. Das Problem hierbei, eine Stadt sollte sich nicht von Gefühlen leiten lassen. Es sollte im eigenen Interesse der Stadtverwaltung liegen, dieser Causa mit harten Fakten zu begegnen und nicht mit einer Verkehrserhebung, der deutlich das Etikett „Dienst nach Vorschrift“ anhaftet. Oder wie Dieckmann es leider treffend formuliert: „Dass die Stadtverwaltung nur das allernötigste tut (nämlich nur drei Tage misst und das dann gleich mit einer Vorschrift rechtfertigt), ist meines Erachtens Aus- druck eben genau jenes vollkommenen Fehlens von Gestaltungswillen.“ Sollte die verantwortliche Dezernentin, Bürgermeisterin STEPHANIE LOHR, ein Interesse an der Lösung dieses Problems haben, ist eine erweiterte Auswertung oder Wiederholung der Erhebung letztlich unumgänglich.
Text und Foto: Dennis Dirigo