Autor: Bernd Werner
Während der Versammlung unserer Gruppe zur Feier des Welthumanistentags am 21. Juni in der Mainzer Fußgängerzone wurde ich Zeuge einer recht lebendigen Diskussion, in der u. a. die Frage debattiert wurde, was eigentlich der Hauptunterschied zwischen einem Theologen und einem Philosophen sei. Diese Frage ist von grundlegender Bedeutung für uns Humanisten. Für uns besteht der entscheidende Unterschied darin, dass Philosophen immer ausschließlich auf der Suche nach Wahrheit sind und dies auch nur sein können, weil sie davon überzeugt sind, dass man sich ihr nur annähern kann, während Theologen – egal welcher Konfession – davon fest überzeugt sind (d. h. „glauben“), die Wahrheit gefunden zu haben; und zwar nicht nur für sich selbst, sondern für alle Menschen.
„Die Wahrheit beginnt zu zweien“ – mit dieser Aussage hat der Philosoph Karl Jaspers (1883-1969) pointiert die Gegenposition zu Theologen vertreten, die aufgrund ihrer Überzeugung letztlich nur noch missionieren können. Er hat also bezüglich der Erkenntnistheorie die, wenn man sie so nennen will, „Philosophenposition“ formuliert.
Dieser Position, nicht aber irgendeinem einzelnen Philosophen, fühlen sich Humanisten verpflichtet. Auch aus unserer Sicht können wir Menschen uns „Wahrheit“ immer nur annähern, – z. B. in einem und durch ein gelungenes Gespräch. Deshalb wird auch am Anfang der Gespräche, die wir in unserem Kreis führen, nicht eine von vornherein feststehende Wahrheit verkündet, die wir dann im Grunde nur noch erläutern. Im Zentrum unserer Gespräche steht vielmehr zunächst ein (nicht vorgegebenes) Sachthema – und darauf folgt eine (zumeist vielschichtige) Diskussion. Also: Gespräch statt Monolog, Dialog statt Predigt. So ein Gespräch ist bisweilen anstrengend, weil kontrovers und fordernd; aber dafür fast immer aufschlussreich und anregend. Ist es doch schon bisweilen eine schwierige Aufgabe, das Geschehen im unmittelbaren eigenen (engeren oder größeren) Umfeld korrekt und präzise zu analysieren.
Auch für Jaspers war eine offene Kommunikation herausfordernd. Erst recht herausfordernd aber war für ihn die Konsequenz, die sich aus dieser Einsicht ergibt:
„Daher muss ich ständig mich in Zweifel ziehen, darf nicht sicher werden“ – und an anderer Stelle führte er aus: „Selbstgewissheit ist die verführendste Form der unwahrhaftigen Selbstbehauptung.“
Gemäß dieser Einsicht zu leben und eben auch zu diskutieren fühlen wir Humanisten uns verpflichtet. Und sei es noch so schwierig. Wir machen dies aber auch deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass wir der „Wahrheit“ in einem guten, offenen Gespräch oftmals viel besser näherkommen können als in einem gedanklichen Monolog.
Die Suche nach Wahrheit ist und bleibt folglich immer eine Herausforderung. Das alleinige Kriterium der Wahrheitsfindung in der heutigen Zeit ist für Humanisten der offene, kontroverse, aber eben dadurch auch voranbringende Diskurs.
Bernd Werner,
Für den Humanistischen Verband Deutschland (HVD), Landesverband RLP, Gruppe Worms
Hinweis: Wer sich für humanistische Themen interessiert, ist an jedem letzten Sonntag des Monats zu unserem Humanisten-Frühstück ab 9:30 in Worms, Speyerer Str. 87 herzlich eingeladen. Ohne Agenda oder festen Rahmen lebt das Treffen von dem, was jeder an Themen, Neugierde und Erwartungen mitbringt. Klicken Sie auch unsere Homepage an: www.hvd-rlp.de
Im September werden wir uns am Sonntag, dem 25.09.2016, um 9:30 Uhr treffen.