Bärengasse Wormser Altstadt

Bereits im September 2022 stellte der SPD-Arbeitskreis „Innenstadt“ einen Prüfantrag zur Verkehrsberuhigung in der Wormser Altstadt. Im Innenstadtausschuss wollten die Antragsteller endlich über den Stand der Dinge informiert werden. Das Ergebnis dieser Informationen sorgte am Ende für einen lautstarken Eklat. 

Geprüft werden sollte konkret die Umwandlung der Altstadt in ein reines Anliegergebiet. Begründet wird der Antrag damit, dass die Anwohner unter der Verkehrsbelastung leiden und die verwinkelten Straßen offenbar gerne als Abkürzung verwendet werden. Parallel zu diesem Antrag sorgt das Thema bereits seit Längerem für enormen Diskussionsstoff zwischen Stadtverwaltung und Anwohnern. Teils öffentlich geführte Diskussionen in den Weiten von Facebook, werfen der Stadtverwaltung immer wieder bewusstes Nichtstun aufgrund des hohen Ausländeranteils vor. Einige Anwohner folgten dann auch der Sitzung im Ratssaal. Was sie zu hören bekamen, war allerdings nicht das, was sie hören wollten. Die Stadtverwaltung erklärte in Person von DIETER HERRMANN, dem stellvertretenden Leiter des Bereiches Sicherheit und Ordnung, dass es keine Gründe gebe, an der bisherigen Regelung et- was zu ändern.

Auch bei einer Begehung mit den Anwohnern sei keine Mehrbelastung erkennbar gewesen. MARIA UNTERSCHÜTZ (SPD) konterte, dass diese Begehung unter der Woche am Tage gewesen sei. Die Hauptbelastungszeit sei jedoch der Abend. Dabei verwies sie auf viele PKW-Fahrer, die zum Besuch in einer der umlie- genden Gastronomieadressen einen Parkplatz suchen. TONI RAS (AfD) schlug Bodenschwellen für die oft genannte Bärengasse vor. Das wiederum erklärte HERRMANN aufgrund des Kopfsteinpflasters als nicht möglich. Verworfen wurde auch die Idee mit Pollern, da diese zu teuer seien. Zudem verwies HERRMANN darauf, dass dreiviertel des Verkehrs aus der Altstadt selbst käme. Das hätte zumindest eine Verkehrszählung aus dem Jahre 2009 ergeben. Vielleicht ist dies ein Grund, erneut zu zählen. Für die Anwohner heißt das aktuell, dass sich nichts ändern wird. Eine Antwort, die diesen offensichtlich nicht passte. Mit einem lautstarken „Bullshit… das ist doch lächerlich“ verschwand FLORIAN DIECKMANN, Anwohner und Bewerber der Grünen für einen Sitz im Stadtrat, aus dem Ratssaal.

Demokratie ist kein „Bullshit“ – Ein Kommentar

Es ist nicht unüblich, dass es im Rahmen einer politisch geführten Debatte im Ratssaal auch zu emotionalen Ausbrüchen kommt. Auch das ist ein Teil von Demokratie und des Menschseins. Es ist aber durchaus unüblich, als Gast am Ende einer Debatte lautstark den Saal zu verlassen und dabei noch seine verbale Ablehnung gegen- über der Stadtverwaltung und der demokratisch geführten Diskussion auszudrücken. Ins- besondere, wenn man als Spitzenkandidat bei den Kommunalwahlen in ein solches Gremium, den Stadtrat, einziehen möchte. Das Perfide an FLORIAN DIECKMANNS Äußerungen, sowohl im Rat als auch in einem zehnseitigen Dossier nebst Anhang, das vor der Sitzung verteilt wurde, ist das Bedienen sowohl rechter als auch linker Narrative. Einerseits bedient er das Klischee rechter Gedanken, „die da oben machen ohnehin, was sie wollen“. Andererseits handelt und spricht er auch in dem Sinne, dass einzig und allein die Anwohner – inklusive er selbst – das Recht auf Wahrheit haben und unterstreicht seine ideologische Überlegenheit.

Es mag sein, dass die Stadtverwaltung faktengeprägter auf die Anfrage hätte reagieren müssen, anstatt den Behördenleiter von seinen privaten Erfahrungen in der Altstadt erzählen zu lassen, die ihn eben zu dem Schluss kommen lassen, dass es keine Veränderungen braucht. Hier ist Kritik angebracht, die auch in der Ausschusssitzung geäußert wurde. Nicht angebracht ist es allerdings, Amtsträgern im obengenannten Schreiben Machtmissbrauch vorzuwerfen und der Verwaltung zu unterstellen, weniger zu tun, da in der Altstadt überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund wohnen. Mit diesem Vorwurf konfrontierte er Bürgermeisterin STEPHANIE LOHR bereits im Juni 2023. In einem öffentlichen Post bei Facebook schrieb er: „Wess? Geistes Kinder sind eigentlich diese Leute der Wormser Ordnungsbehörden, die auf dem Hauptschulweg der Ernst-Ludwig-Schule seit Montag die Ampelanlage auf dem Rheintorplatz außer Betrieb setzen (…)“ Weiter heißt es dort: „Ist das der auf Bundesebene diskutierte strukturelle Rassismus der Verwaltung, weil es ja zu 90% Kinder mit Migrationshintergrund sind? Oder einfach nur Phlegmatismus? In jedem Fall verantwortungslos.“

Vorwürfe statt Diskurs

Auch hier zeigte sich schon eine kompromisslose Sichtweise, die nur wenig Spielraum zulässt. Die angesprochene Ampelanlage fiel übrigens nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt und wurde bereits zuvor schon einmal repariert. Aber interessiert das jemanden, der davon über- zeugt ist, die Wahrheit zu kennen und zudem weiß, wie es besser geht? Mit der provokant gewählten Überschrift versehen „Wie man eine bessere Bürgermeister*in sein könnte“ wurde ein umfangreiches Manuskript vor Beginn der Sitzung im Foyer des Rathauses persönlich verteilt. Die Vorwürfe gegenüber der Verwaltung und Bürgermeisterin wiegen schwer. Spaltung, Einschüchterung bis hin zu Gaslighting, Nichtstun und Machtmissbrauch. Das ist harter Tobak und gehörte bisher eher zu den Klassikern extremistischer Gruppen. Im demokratischen Prozess, und dazu gehört auch der Umgang mit einer Stadtverwaltung, ist es notwendig, Kritik zu üben. Diskussionswürdige Themen gibt es reichlich. Es sollte allerdings nicht dazu gehören, Menschen öffentlich der vorangegangenen Behauptungen zu bezichtigen. Schon gar nicht, wenn man ab Sommer Teil dieses Prozesses sein möchte.

Zu diesem Prozess der Demokratie gehört es immer wieder, dass das Ergebnis am Ende von dem abweicht, was der jeweilige Antragsteller möchte. Das kann frustrierend sein und dauert mitunter viele Jahre, denn schließlich sind die Irrwege der Bürokratie allzu bekannt. Indem jemand seine vermeintlich politi- sche Ohnmacht allerdings dadurch Ausdruck verleiht, dass er ehrab- schneidende Dossiers verteilt und beim Abgang ein wortgewaltiges „Bullshit“ durch den Ratssaal schleudert, drückt er deutlich seine Ablehnung gegenüber Bürgermeisterin und Verwaltung aus. Dies erkennend, fand seine Partei in einer Stellungnahme kurz darauf deutliche Worte: „Als Ratsmitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Worms distanzieren wir uns vom Auftreten des Politischen Geschäftsführers und Spitzenkandidaten der Wormser Grünen, Florian Dieckmann, in der Sitzung des Innenstadtausschusses und von seinem Flugblatt, das inzwischen auch in den sozialen Medien geteilt wurde“. Zudem erklären sie: „Wir halten den Ton, der in den vergangenen Tagen angeschlagen wurde, jedoch für einer politischen Debatte nicht angemessen. Gerade uns GRÜNEN ist eine konstruktive, wie diskriminierungsfreie Wortwahl auch ein politisches Anliegen.“

Dass DIECKMANN wiederum die Kritik seiner Partei nicht verstanden hat, zeigte seine Reaktion auf diese Mitteilung bei Facebook: „Beschimpft wurde übrigens nicht. Es wurde kritisiert und protestiert. Aber Protest ist nie gefällig.“

 

Text, Kommentar und Fotos: Dennis Dirigo

Lesen Sie hier die Stellungnahme der Stadtratsfraktion Die Grünen Worms: https://wo-magazin.de/zur-diskussion-ueber-die-verkehrsprobleme-in-der-altstadt/