Sahin Cokbilir

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Sahin Çokbilir ist leidenschaftlicher Musiker, der mit seiner Baglama, einem türkischen Saiteninstrument, nicht nur orientalische Lebensfreude vermittelt, sondern auch eine Brücke zu seiner Heimat, der anatolischen Türkei, schlägt. Doch Çokbilirs kreatives Interesse geht über die Musik hinaus. 2021 feierte der Kurzfilm „The Ant and the Human“ seine Premiere, für den er das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle spielte.

Am Anfang stand die Idee und die basierte, wie soll es bei Çokbilir anders sein, auf einem Lied. Geschrieben hatte er das Kinderlied „Die Ameise und das Kind“ in einer Zeit, als er als Lehrer arbeitete. Aus dem Kind wurde in dem Film allerdings ein Mann, genauer gesagt ein Soldat, und der wird gespielt von Çokbilir, der mit Anfang 60 damit sein Schauspieldebüt gab. Bis dato dürften ihn die Menschen in erster Linie durch seine folkloristische Musik kennen. Dieser Liebe widmet er, neben seiner Frau und seiner erwachsenen Tochter, fast sein ganzes Leben. Dabei sah das Schicksal zunächst für ihn einen beruflichen Werdegang in der Industrie vor. Der junge Mann folgte 1980 seinen Eltern nach Deutschland. Die waren wenige Jahre zuvor dem Ruf Deutschlands nach Gastarbeitern gefolgt. Im Zuge eines Familiennachzugs wechselte der frischgebackene Abiturient Sahin von seiner Geburtsstadt Gaziantep nach Worms. Sein jüngerer Bruder hatte diese Möglichkeit nicht mehr, da das Programm kurz danach beendet wurde. Für Sahin Çokbilir könnte man im Nachhinein sagen, dass das Glück war, denn 1988 wurde sein Bruder Vater eines Sohnes, der schließlich 32 Jahre später Regie bei dem Film führte. In Deutschland angekommen, erlernte der junge Türke zunächst die Sprache und absolvierte eine Ausbildung zum Dreher.

Bereits 1984 zog es ihn aber für ein Studium wieder zurück in die Heimat. In Izmir studierte er in der Abteilung für Deutsch Bildungswissenschaften. Schließlich nahm ihn ein Freund mit zu einem Konservatorium, wo er seine Begeisterung für die Musik und insbesondere die Baglama, eine Langhalslaute, entdeckte. Sechs Jahre verbrachte er in Izmir. „Hier bin ich Mensch geworden“, verrät er im Gespräch mit WO! und ergänzt: „Diese Zeit hat mich geprägt. Dort entstanden Freundschaften, die bis heute halten“. Zurück in Deutschland wollte er in München weiterstudieren. Da das Leben in München teuer war und der junge Mann Geld verdienen musste, kehrte er wieder nach Worms zurück, wo der studierte Lehrer erst- mal bei der mittlerweile stillgelegten 3 K-Möbelfabrik arbeitete. Eine kurze Zeit später gelang es ihm, als Vertretungslehrer zu arbeiten. Etwas enttäuscht erzählt Çokbilir, dass er gerne länger als Lehrer gearbeitet hätte, aber keine Festanstellung bekam. Schließlich begann der Deutsch-Türke, sich komplett auf die Kunst zu konzentrieren. Er betrieb folkloristische Studien, die er in einem Buch veröffentlichte und begann, Musik aufzunehmen.

Fünf CDs wurden bisher veröffentlich, auf denen er spielt und zum Teil singt. Manchmal selbstgeschriebenes, manchmal eine Adaption traditioneller Stücke. Nebenbei tritt er regelmäßig auf, auch in Worms. Zuletzt ist er insbesondere als Gastmusiker unterwegs, gemeinsam mit den Wormser Weltmusikern von Kamohelo, um mit orientalischen Klängen eine kulturelle Brücke zwischen Orient und Okzident zu schlagen. Bei der Wormser Kulturnacht am 25. Juni ist er auf der Bühne am Obermarkt gleich zweimal zu hören. Einmal solo ab 19 Uhr und später mit Kamohelo. Der Film reist indes weiter um die Welt und heimst derweil ziemlich viele Preise ein. So gewann der Film bereits  bei Festivals in den USA, Italien, Russland und der Türkei. Erzählt wird die Geschichte eines Soldaten, der die Bekanntschaft mit einer Ameise macht. Diese Begegnung wird beider Leben verändern. Auch für Sahin Çokbilir war der Dreh ein Erlebnis, das ihn geprägt hat. So denkt er bereits darüber nach, auf den Kurzfilm einen Langfilm folgen zu lassen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Wenn alles gut läuft, wird erstmal der Kurzfilm in Worms gezeigt.

Text: Dennis Dirigo, Fotoquelle: KVG Foto 2: Szenenbild aus “The Ant and the Human”