11. August 2018 | Herrnsheimer Schlosspark:

Als sich vor rund elf Jahren eine Gruppe junger Menschen zusammenschloss, um gemeinsam die Wormser Theaterwelt zu bereichern, ahnten sie wahrscheinlich nicht einmal im Entferntesten, dass sie eines Tages mal ihre eigenen Festspiele inszenieren würden. Inselfestspiele nannte die Theatergruppe Szene9, die vormals unter dem Namen DOMino spielte, ihr Projekt, in dessen Mittelpunkt das Stück „Genesis“ stand.

Der Weg zu diesen Festspielen war steinig und schwer, schließlich hatte man sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, „Genesis“ inmitten des Weihers im Herrnsheimer Schlosspark zu inszenieren. Wahrscheinlich könnten alle Beteiligten über die bürokratischen Hürden, die es zu nehmen galt, ein eigenes Theaterstück schreiben. Nach Wochen und Monaten des Bangens und vielen Gesprächen war es schließlich im August soweit, und für vier Tage verwandelte sich die Rousseauinsel in eine naturalistische Theaterbühne. Nach den Aufführungen muss man diesem kleinen Stück Natur zugestehen, sich bestens als Bühne zu eignen, auch wenn die Nutzung eines Opernglases durchaus angebracht war, um das Minenspiel der Darsteller im Detail erkennen zu können. Aber mal Hand aufs Herz, von der Empore im Theater ist auch nicht jede Regung zu erkennen. Regisseur Christian Mayer war sich allerdings dieser Herausforderung bewusst. Ähnlich wie man bei den Festspielen durch geschickt geführte Bewegungsabläufe die Breite der Bühne vorm Dom nutzt, entschied sich Mayer dazu, seine Darsteller die Breite der Insel erspielen zu lassen. Doch am Anfang stand erstmal ein kleines Tänzchen, das allerdings auch symptomatisch für die weniger gelungene Seite der Inszenierung war. Ein Mann lebt auf einer Insel einsam und alleine, es ist der gefühlte Robinson Crusoe Traum. Man kann einfach tun und lassen, was man will. Und für was entscheidet sich der Einsiedler? Klar, für ein ausgelassenes Tänzchen zu den Klängen des Las Ketchup Sommerhits „Asereje“. Zugegeben, Co-Regisseur und Hauptdarsteller Benedikt Schulz begeisterte zwar mit einer ungewöhnlichen und lustigen Performance, die aber so gar nicht in den Fortlauf der Geschichte passen wollte und auch nicht mehr aufgegriffen wurde, kurzum, eine echte Nummernrevue.

Der Charakter des Stücks änderte sich nach dem lockeren Intro schlagartig. Von Unheil kündende Streicher begleiteten eine Überfahrt zur Insel. Die musikalische Grundlage lieferte hierbei Schostakowitschs 8. Streicherquartett, eine schwermütige Nummer, die den düsteren Grundton für die folgenden zwei Stunden setzte. Sechs Menschen befinden sich auf dem Boot. An Land angekommen, bewegten sie sich getragenen Schrittes in Richtung des Einsiedlers, der sich nach seinem Tänzchen erstmal schlafen gelegt hat. Das Motiv der Inselbesucher wird schon bald klar, nämlich die Tötung des Mannes. Seine Schuld: er hat die Welt mit seiner Idee ins Chaos gestürzt. Es folgen Diskussionen, Fragen, aber kaum Antworten. In einem stakkato-haften Duktus verfasst, spielten sich die engagierten Darsteller die Dialogbälle zu. Problem hierbei war allerdings, dass Schwab vergas, dem Zuschauer in diesen Dialogen ausreichend Informationen mitzugeben, um ihn mitfiebern zu lassen. Natürlich muss nicht jedes Geheimnis gelüftet, jede Geschichte auserzählt werden, ein bisschen mehr hätte es aber gerne sein dürfen. Zu viele Fragezeichen taten sich im Laufe der Geschichte auf, während die zentrale Botschaft bereits früh gesetzt wurde. Mit dem bedeutungsschweren Satz, „nicht der Mensch ist das Problem, sondern die Menschen“, bewegte sich „Genesis“ in Richtung existentialistisches Drama. Die Menschheit hatte sich offenbar selbst ausgelöscht. Warum, weshalb, wieso? Weil sie es eben können! Gerne hätte man mehr über die Welt, die verhängnisvolle Idee und auch über die Personen auf der Insel erfahren, doch leider blieb dies alles schemenhaft. Dass das Stück trotzdem funktionierte, lag vor allem am Ensemble und an der Regie. Auch vermochte die eine oder andere Storywendung zu überraschen. Andererseits bekamen die Figuren wenig Hintergrund mit auf die Insel. Das hinderte die jungen Darsteller allerdings nicht daran, ihre Figuren soweit möglich mit Leben zu füllen und mit Verve zu spielen. Die Regie setzte das kammerspielartig angelegte Stück dynamisch um und schaffte so Spannung zu vermitteln, wo auf dem Papier keine zu finden war. Dass am Ende alles ein wenig tumultartig vonstatten ging, erinnerte sogar ein wenig an das große Vorbild, die Nibelungen-Festspiele. Dort überschlagen sich auch kurz vor Schluss die Ereignisse, aber im Gegensatz zum nibelungischen Vorbild, gab es hier sogar ein echtes Happy-End.

Fazit: Ein zartes Pflänzchen im Boden der Insel kündete vom zaghaften Beginn einer neuen Ära. Die dürfte auch für Szene9 mit diesem Stück begonnen haben. Schließlich hat man sich formal und darstellerisch deutlich in Richtung professionelles Theater bewegt. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal auch mit einem Stück, das weniger Fragezeichen aufwirft und diese durch echte innere Spannung ersetzt.