Eine Kommentar von unserem Redakteur Dennis Dirigo
Die Stimmung ist mies in diesem Land und das gilt auch für unsere Nibelungenstadt. Zumindest wenn man sich derzeit in die Niederungen sozialer Netzwerke, insbesondere Facebook, begibt. Dass nicht alles rund läuft im Konzern Worms, ist nicht zu verleugnen. Die Probleme sind mannigfaltig. Simples Motzen trägt allerdings eher weniger zur Lösung bei.
Als einst das Internet ans Netz ging und damit die Welt ein Stückchen mehr zusammenwachsen ließ, wurde es zunächst als heiliger Gral des Wissens und des demokratischen Austauschs gefeiert. Ab 1993 war es in Deutschland rein technisch möglich, dass Jeder in das World Wide Web eintauchen und sich in Chatrooms weltweit austauschen konnte. Heute, knapp 30 Jahre später, ist es so einfach wie nie zuvor, einen Zugang ins Netz zu finden und sich in den Social Media Kanälen zu verlieren. Soziale Netzwerke waren dabei einmal Hoffnungsträger für mehr gesellschaftlichen Austausch im Internet. Heute gehören dort aber auch Hass, Hetze und Shitstorms zum Alltag, unabhängig von der politischen Ausrichtung. Intoleranz ist längst zum Merkmal einer offenbar zerrissenen Gesellschaft geworden. In den vergangenen zwei Jahren der Corona Pandemie haben sich aktuelle Debatten noch stärker ins Netz verlagert, gleichzeitig begannen die Gräben zwischen den Meinungen immer weiter auseinanderzuklaffen. Fast scheint es, als hätte sich die Meinung durchgesetzt: Wer am lautesten schreit, hat eben Recht! Das Muster dieser Debatten ähnelt sich dabei unabhängig vom Thema. Eine Nachricht wird auf einer Seite gepostet. In den Kommentarspalten sammeln sich die ersten Meinungen. Oftmals ist bereits an dieser Stelle festzustellen, dass der dazugehörige Artikel – bis auf die Überschrift und den „Teasertext“ – nicht gelesen wurde. Schlagwörter reichen aus, um den Kommentierenden dazu zu bewegen, seine „Meinung“ kund zu tun. Nun könnte dies die Basis für eine aus- gewogene Diskussion sein, an deren Ende im besten Fall eine Erkenntnis steht; unabhängig davon, ob man Recht oder Unrecht hat oder die Wahrheit in der berühmten Mitte liegt. Doch soweit kommt es zumeist gar nicht, denn zwischenzeitlich geht es vielen einzig darum, Recht zu behalten. Damit einhergehend eine ablehnende Haltung gegenüber allen Argumenten, die eben dieses vermeintliche Recht gefährden können. Das sieht dann so aus, dass man den verbalen Gegner entweder in einer politischen Ecke verortet, egal ob „Nazi“ oder „linksversifft“, man versucht, die Diskussion ins Lächerliche zu ziehen („war ja nur ironisch gemeint und Sie haben das nicht verstanden!“) oder lässt am Ende schlicht und ergreifend das „Basta“ regieren („Das ist halt meine Meinung“).
„Das braucht kein Mensch!“
Eine Debatte, die in Worms auf diese Art und Weise bereits seit Jahren geführt wird, ist jene rund um die Notwendigkeit der Nibelungen Festspiele. Ja, die Festspiele kosten die Stadtkasse Geld, genauer gesagt 1,7 Millionen Euro pro Jahr. Und ja, die Stadt ist verschuldet. Diese beiden Fakten miteinander kombiniert, führen bei nicht wenigen zu dem Schluss, dass die Festspiele abgeschafft gehören. Beliebtes Argument: „Das braucht kein Mensch. Wird als blöder!“ Immerhin zeigte sich in der Diskussion auf einer Wormser Medienseite, dass die Person zumindest einmal ein Stück gesehen hat. Danach entschied sie sich dazu, zukünftigen Vorstellungen fern zu bleiben und unterstrich dies mit einem Ver- weis auf die Kosten. In der Diskussion zeigt sich wiederum, dass die Person überhaupt keine Ahnung hatte, wie hoch die Kosten bzw. der Nutzen sind. Stattdessen wurde von unterschiedlichen Kommentatoren gefordert, dass man das Geld besser in Schultoiletten investiere solle oder dass man „Die Tafel“ damit unterstützen könne. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Der Hinweis, dass das Geld bei Nichtdurchführung der Festspiele im Haushalt schlicht und ergreifend eingespart wird und damit keine einzige Toilette mehr entsteht, aber eben ein Wirtschaftsfaktor verloren geht, wird zumeist einfach ignoriert. Was nicht ins Bild passt, wird ausgeblendet. Nachdem mehrere Kommentatoren darauf verwiesen, dass sie sehr gerne zu den Festspielen gehen und diese als Bereicherung sehen, sowohl kulturell als auch wirtschaftlich, folgte der Griff in die Kiste des Zynismus. Mit einem „das freut mich für Sie und andere“, quittiert mit einem Tränen lachenden Emoji, werden letztlich alle wohl- wollenden Bürger/innen abgekanzelt. Nicht minder eindrucksvoll geriet in derselben Diskussion jener Kommentar: „Der ganze Scheiß sollte einfach endlich abgeschafft werden!!! Nehmt euch ein Beispiel an dsds …da is dann wohl ab nächstem Jahr auch Schluss!“ Diskussion erledigt, Meinungsaustausch abgebrochen. In Zahlen bedeutet dies, dass die kommentierenden Personen den rund 20.000 Besuchern der Festspiele in diesem Jahr jegliche Kompetenz ab- sprechen. Das ist natürlich fernab von jeglicher Diskussionskultur. Im Übrigen ereilte den erstmals ausgetragenen „Schlager Bäm“ auf dem Wormser Festplatz ein ähnliches Schicksal. Auch hier formierten sich schnell Kommentatoren, die Schlager unnötig finden und eine Absetzung des Events forderten fernab von jeglicher Toleranz gegenüber anderen Geschmäckern und Vorlieben. Das Zauberwort heißt indes Reflexion, versehen mit einer ordentlichen Prise Toleranz. In dieser Art zu argumentieren, könnte man sich als nicht autofahrende Person konsequent gegen jeden Straßenbau oder Parkhausbau aussprechen. Diese Liste ließ sich unendlich weiterführen, das wiederum würde aber zu nichts führen, weshalb wir weiterhin in unserem Magazin auch unpopuläre Meinungen vertreten werden, in der Hoffnung, dass vielleicht irgendwann in naher Zukunft die Menschen sich wieder aufeinander zu bewegen, um miteinander und nicht gegeneinander zu diskutieren.