Text: Frank Fischer, Dennis Dirigo
Man muss das Festival sicherlich nicht grundsätzlich in Frage stellen, aber es ist auch nicht verkehrt, sich Gedanken über die eine oder andere Sache zu machen. Als begeisterte Besucher des dreitägigen Festivals haben wir uns im Folgenden verschiedene Fragen zum vergangenen „Jazz & Joy“ gestellt und uns gleichzeitig Gedanken über die Beantwortung selbiger gemacht. Anlass ist nicht alleine die diesjährige Besucherzahl, die – trotz eines Rückgangs gegenüber dem Vorjahr – dennoch gut war, sondern vielmehr die Frage, was aus unserer Sicht optimiert werden könnte.
Warum waren trotz bestem Wetter „nur“ 18.000 Besucher beim „27. Jazz & Joy“?
Insgesamt gab es diesmal 16.400 zahlende Besucher, mit Presse, Offiziellen, Freikarteninhabern oder Zaungästen, wobei hierzu nicht nur die Zaungäste bei den kostenpflichtigen Konzerten zählen, sondern ebenso die Besucher der kostenfreien Konzerte an der Jugendherberge, kommt man letztendlich auf knapp 18.000 Besucher. Das sind zwar 3.000 weniger als im Vorjahr – und das trotz besten Wetterverhältnissen – allerdings entfallen davon alleine 2.600 auf das Sonderkonzert. Im Vorjahr bei „The Boss Hoss“ (4.800) waren es deutlich mehr Besucher als bei Sportfreunde Stiller (2.200). Fairerweise sollte man aber anfügen, dass die Sportfreunde Stiller – laut Branchenkennern – deutlich weniger an Gage eingestrichen haben dürften als Boss Hoss.
Sollte man den Namen „Jazz & Joy“ ändern, weil manche Besucher damit nicht assoziieren, dass mit „Joy“ auch andere Musikrichtungen gemeint sind?
Die Untertitelung mit „27. Internationales Musikfestival“ verrät zwar, dass es um das Thema „Musik“ im Allgemeinen geht, allerdings dürfte auch dieser etwas hölzerne Untertitel nicht dazu beitragen, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Wie KVG-Geschäftsführer Sascha Kaiser erklärt, möchte man aber genau diese Gruppe ebenfalls ansprechen. Die zeige sich jedoch von dem Namen irritiert, da man in erster Linie „Jazz“ damit assoziiere. Andererseits ist der Name „Jazz & Joy“ eine etablierte Marke, die man natürlich nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf. Insofern keine leichte Aufgabe für die Organisatoren, den richtigen Weg zu finden.
Hauptproblem: Zu wenig „Joy“ für den gemeinen Wormser?
Während bei den Jazzkonzerten auf dem Platz der Partnerschaft und am Weckerlingplatz oder bei den traditionell eher weltmusikalischen Konzerten auf dem Schlossplatz an beiden Tagen durchweg gute Resonanz verbucht werden konnte, gab es im Joy-Bereich diesmal zu wenig Zündendes. In den Vorjahren gab es einfach griffigere Namen wie Laith al Deen, Bosse, Max Herre, Selig, Joy Denalane, MIA, Gregor Meyle, Stefanie Heinzmann oder Judith Holofernes. In diesem Jahr hat man zudem ein wenig die Zielgruppe der 30 – 50-Jährigen vernachlässigt, die sich für Jazz noch zu jung fühlen und denen das Joy-Programm zu Pop-lastig war.
Problemfall: Marktplatz
Speziell am Sonntag herrschte auf dem Marktplatz überwiegend gähnende Leere. Während Milow als Headliner am Samstag den Verkauf von Tageskarten kräftig angekurbelt haben dürfte, fehlte am Sonntag im Joy-Bereich schlichtweg ein bekannter Name. Katharina Busch spielte nachmittags – bei brütender Hitze – auf einem menschenleeren Marktplatz – und selbst zum Abschlusskonzert von Alex Clare, der mit „Too Close“ einen aktuellen Chart-Hit vorweisen konnte, verirrten sich nur ein paar hundert Besucher zur größten Bühne des Festivals. Wie im obigen Text beschrieben, war das Programm in den letzten Jahren für diesen Platz deutlich besser aufgestellt. Das ist auch notwendig, da der Platz aufgrund seiner Lage, etwas abseits von den anderen Bühnen, nicht als natürlicher Teil der Flaniermeile betrachtet werden kann und zudem eine gewisse Größe aufweist.
„Problem“: Die kostenfreie Bühne an der Jugendherberge
Erschwerend kam hinzu, dass die zweite klassische „Joy-Bühne“ an der Jugendherberge – bei freiem Eintritt – mit einem derart starken Programm aufwartete, dass so mancher keine Veranlassung sah, eine Karte für das normale Festival zu erstehen. Auf der Renolit-Bühne standen die Zuhörer am Samstag bei den Konzerten von „The Offbeat-Service“, „The Zipheads“ oder „DeWolff“ bis auf die Straße. Auch das Sonntagsprogramm war mit Acts wie „Paucker“ oder „SMAF“ hochkarätig bestückt, während sich auf den Marktplatz nur die wenigsten Festivalbesucher verirrten.
Sollte man die kostenfreien Konzerte an der Jugendherberge abschaffen bzw. in das normale Festival integrieren?
Klares NEIN. Diese Bühne wird seit Jahren dafür genutzt, um Leute an das Festival heranzuführen, die normalerweise kein „Jazz & Joy“ besuchen würden (Stichwort: junge Leute). Das Ganze verbunden mit der Hoffnung, dass diese – bei entsprechendem Angebot – auch ein Ticket für das normale Festival erwerben. Im Jahr 2013, wo zuletzt 21.000 Besucher gezählt wurden, standen alleine fünf Wormser Bands auf den Bühnen, diesmal nur eine. Warum nutzt man die kostenfreie Bühne – nicht nur, aber in erster Linie – als Talentforum für junge Musiker aus der Region? Die hierbei eingesparten Gagen könnte man dafür nutzen, um einen zugkräftigen Namen für den Marktplatz zu verpflichten, der auch am dritten Tag eine gewisse Frequenz garantiert.
Ist der Platz der Partnerschaft ein „Problemfall“?
Früher fanden Jazzkonzerte im Kreuzgang des Andreasstiftes statt. Der kann seit einiger Zeit wegen Sanierungsarbeiten nicht mehr genutzt werden und wird von vielen schmerzlich vermisst. Dennoch ist das Ausweichen der Jazzkonzerte auf den „Platz der Partnerschaft“ prinzipiell ein Zugewinn, sorgte doch im Andreasstift die limitierte Anzahl an Plätzen immer wieder für Ärger. Aber es gibt es auch auf dem „Platz der Partnerschaft“ Einschränkungen. So schwappen immer wieder Soundfetzen vom Schlossplatz oder gar Marktplatz rüber, die besonders intime Konzerte stören können. Hier gilt es, weiter auszuloten, ob dies verhindert werden kann. Für die Gastronomen zeigte sich der Platz – besonders in den Pausen – als schwierig, da der Weg außerhalb der Konzerte nicht zur Flaniermeile gehörte. Das könnte sich im nächsten Jahr ändern, wenn die Baustelle vor dem „Haus am Dom“ weg ist und damit der Zugang zu diesem Platz auch von der Südseite möglich ist.
Bei MILOW waren am Festivalsamstag deutlich mehr Besucher als beim Sonderkonzert der SPORTFREUNDE STILLER am Freitag. Hätte deshalb nicht besser MILOW das Sonderkonzert bestreiten sollen?
NEIN, denn der Vergleich hinkt gewaltig. Das Sonderkonzert der Sportfreunde Stiller kostete im Verkauf 37,70 Euro und bewegte sich damit im üblichen Rahmen, was die Eintrittspreise bei deren Konzerten der laufenden Tour anging. Milow dagegen konnte man sich im Rahmen des normalen Festivalprogramms ansehen und im günstigsten Fall eine Tageskarte für den Samstag für gerade mal 20.- Euro im Vorverkauf erwerben. Das ist deutlich günstiger, als wenn man sich Milow in diesem Jahr z.B. in Gießen oder Rosenheim (jeweils ca. 42.- Euro) anhören will. Von daher war Milow ein echtes Schnäppchen und hat deshalb als letzter Höhepunkt am Samstag gut doppelt so viele Festivalbesucher an den Marktplatz gezogen wie die Sportfreunde Stiller. Ob dies bei einem Sonderkonzert und einem höheren Eintritt (alleine für Milow) ebenfalls der Fall gewesen wäre, sei einmal dahingestellt. Auch hier ein Zahlenvergleich: Im Rahmen seiner aktuellen Tour ist Milow im Mai im Mannheimer Capitol vor 1.200 Besuchern aufgetreten. Die Sportfreunde Stiller waren im Rahmen ihrer „Sturm & Stille“-Tour im Mannheimer Maimarktclub zu Gast, wo mit knapp 2.600 Besuchern gut doppelt so viele Zuhörer waren.
Wie steht es um das Rahmenprogramm und das gastronomische Angebot?
Obwohl einzelne Beschwerden nie ausbleiben werden, stimmt das kulinarische Paket insgesamt. Auf dem Schlossplatz konnte man leckere afghanische Spezialitäten von „Natural Gourmets“ probieren, vor der Dreifaltigkeitskirche war die „Grillbar“ von Patrick Boos aufgebaut. Erfreulich ist auch, dass in erster Linie einheimische Gastronomen für die kulinarische Versorgung der Besucher zuständig sind. Während der „Platz der Partnerschaft“ schon seit Jahren fest in der Hand des „Wormser Fischgeschäftes“ ist, gab es auf dem Marktplatz Pizza, Pommes und Calamari von „Da Pietro“. Am Weckerlingplatz erhielt man leckere Crepes und Flammkuchen von „Johann Nock“, auch eine Cocktail- und Cappuccino-Bar waren aufgebaut, dazu konnte man mediterrane Speisen vom „Ristorante Ambiente“ oder eine herzhafte Dubs-Wurst von der „Wormser Wurstwerkstatt“ genießen. Auf dem Domvorplatz gab es vegetarische und mediterrane Bratwurst von „Kiwanis Worms,“ „Eis Simoni“ war mit einem „Frozen-Joghurt“-Stand vertreten und alle wurden sie flankiert von regionalen Weingütern. Keine Frage, das „Drumherum“ stimmt.
Fazit: Auch im 27. Jahr ist Jazz & Joy allemal ein Ticket wert und braucht den Vergleich mit anderen Festivals nicht zu scheuen. Der Ticketpreis ist nach wie vor „skandalös günstig“ (O-Ton OB Michael Kissel) und die familienfreundliche Atmosphäre sucht in der Region ihresgleichen. Dennoch ist es mehr als richtig, wenn KVG-Geschäftsführer Sascha Kaiser ankündigt, sich gemeinsam mit dem Team Gedanken darüber zu machen, an welchen Stellen das Festival verbessert werden kann. Keine Frage, die Veranstalter stehen durchaus vor mannigfaltigen Problemen (steigende Gagen der Künstler, zunehmende Sicherheitsauflagen, Berücksichtigung individueller Interessen der Anwohner, Wetterkapriolen und vieles mehr), allerdings sind wir optimistisch, dass „Jazz & Joy“ auch im kommenden Jahr zu den Kultur-Highlights in Rheinhessen gehören wird und hoffen, dass wir mit unseren Gedanken durchaus den ein oder anderen Anstoß geben können.
Entwicklung der Besucherzahlen Jazz and Joy in den letzten fünf Jahren:
2013 = 21.000
2014 = 16.000
2015 = 17.000
2016 = 21.000
2017 = 18.000