Hilfe, das ist das Ende der Livemusik!
….oder etwa doch nicht?
„Die Musikindustrie steckt in der Krise“ diesen Satz liest man nicht erst seit gestern. Erst kamen das Internet und die Raubkopierer, dann mit Spotify & Co. auch noch der Niedergang des physischen Tonträgers. Dafür boomt das Live-Geschäft wie verrückt, alte Rockveteranen füllen nur so die Arenen und oft werden Preise jenseits von 100 Euro verlangt. Also alles Friede, Freude, Eierkuchen in der Musikwelt?
Mitnichten. Gerade kleinere Locations, Clubs oder Kneipen sind immer mehr von der Schließung bedroht. Hierzulande hat es den Schwimmbad Club in Heidelberg, das Beavers in Miltenberg oder auch die Kneip vor ein paar Jahren und zuletzt den Kanal 70 erwischt, um einige Beispiele aus unserer Stadt zu nennen. Die Gründe sind meist dieselben: zu wenig Publikum, zu hohe Auflagen, Lärmschutz, Renovierungsbedarf oder das Gebäude wurde an einen Investor verkauft. Oftmals hört man auch von Gastronomen und Musikern, dass die Leute nicht mehr bereit wären, für Musik Geld auszugeben. Hört man sich in der Wormser Kneipenszene um, liegt hier die Schmerzgrenze bei unter 8 Euro, sonst kommt angeblich keiner. Für kleine und junge Bands ist das ein echtes Problem. Die Auftrittsmöglichkeiten schrumpfen und viele Gastronomen sind immer weniger bereit, etwas zu riskieren. Oft endet dieses Thema in wilden Facebook-Diskussionen und Aufforderungen, Konzerte zu besuchen, Geld für Musik auszugeben und die Bands wieder richtig zu bezahlen. Wie früher halt. Das Problem liegt aber tiefer.
ABER WER HAT NUN DIE SCHULD AN DER GANZEN MISERE?
Das Internet mit den bösen MP3s, das böse Format-Radio, welches nur noch Max Giesinger spielt, die ausbleibenden Leute oder die Bands, die sich nicht auf moderne Zeiten einrichten können. Es ist wahrscheinlich noch gravierender. Schauen wir uns doch Worms mal genauer an. Früher in den 70er/80ern/90ern war die hiesige Szene sehr aktiv. Bands wie CREMATORY, STILL PATIENT?, AFRODISIA oder Musiker wie Kosho (Söhne Mannheims) und Patrick Schimanski stammen genau aus dieser Zeit. Sehr bekannt war in Worms das Rockhaus, welches viele Proberäume zur Verfügung stellte und als Spielwiese für viele Musiker diente. Der Kanal 70 hatte seine Hochzeit und im Haus der Jugend fand jeden Monat mindestens ein Konzert statt.
WIE SIEHT ES HEUTE AUS?
Das Haus der Jugend macht einmal im Jahr bei einem Bandwettbewerb namens „Rock’n’Pop Youngsters“ mit. Ansonsten herrscht dort Totenstille. Der Kanal 70 ist seit mehr als einem Jahr geschlossen und bei seiner eigentlichen Zielgruppe ziemlich in Vergessenheit geraten. Das hier erwähnte Rockhaus existiert schon länger nicht mehr. Momentan gibt es in der Steinstraße gerade einmal drei Proberäume, die der Stadt gehören und vom Kulturverein 90 betrieben werden. Diese Räume sind seit Jahren überbelegt und die Warteliste lang. Wie sollen aber hier neue Bands entstehen, wenn die geschützten Spielwiesen fehlen, wenn es keinen Platz zum Proben gibt und am Ende keine Förderung einer jungen Szene in Aussicht gestellt wird? Das Gleiche gilt im Prinzip für das dazugehörige Publikum. Als junger Mensch muss man mit der Liveszene in Berührung kommen, man will etwas erleben und natürlich auch seine Klassenkameraden auf einer Bühne sehen. Vielleicht will man nach so einem Erlebnis sogar selbst etwas gestalten. Momentan können das junge Menschen nur in der Schule, da alle anderen Kneipen durch die Raucherproblematik für Menschen unter 18 tabu sind. Für die Stadt könnte genau das langfristig zum Problem werden, denn das zukünftige Publikum für „Jazz & Joy“ und für „Das Wormser“ muss irgendwo herkommen und sich möglichst für eine Konzertkultur interessieren.
LICHT AM ENDE DES TUNNELS?
Was könnte man denn dagegen tun? Zuallererst müssen sich Institutionen wie die Stadt oder wie in dem Falle des Kanal 70 die Kirche bewegen, um zu zeigen, dass eine lebendige Szene gewünscht wird. Es müssen neue Proberäume und Förderungsmöglichkeiten her und ganz wichtig, das lang versprochene Jugendkulturzentrum muss endlich kommen, hier muss jetzt ein Impuls gesetzt werden. Hoffnung gibt der Name David Maier, der seit letztem Oktober sich die Stelle als Kulturkoordinator mit Volker Gallé teilt und bald gänzlich übernehmen wird. Der zukünftige Kulturmensch im Rathaus ist nicht nur gut verknüpft in der Musikerszene, sondern verfügt auch über das Netzwerk nach draußen, um etwas zu bewegen. Ein weiterer Hoffnungsschimmer könnte auch der Umzug von Heaven Records sein, die jetzt zentral Kultur in die Innenstadt bringen. Ein Lichtblick sind natürlich auch Kneipen wie seit Jahren die FUNZEL, der SCHWARZE BÄR, das BB ON THE ROCKZZ und CARROLLS IRISH PUB, die versuchen, die Liveszene zu beleben und sich als „Worms Rock City“ zusammengeschlossen haben. Eine lebendige Szene wäre für alle gut. Die Bands, das Publikum und vor allem für Worms, in dem ja angeblich nie was los sei.
In meinem Himmel
Letzter Schallplattenladen der Region zieht in die Innenstadt.
Es gibt Geschichten, die schreibt nur das Leben. Heaven Records ist ein kleiner Plattenladen, der seit 28 Jahren Schallplatten unter die Wormser Bevölkerung bringt. CDs, MP3s und Spotify, alles hat der kleine Laden überlebt. Das letzte Jahr sah für die beiden Heavens Oli und Jorg alles andere als gut aus. Im Sommer 2018 stand das Heaven kurz vor dem finanziellen Ruin. Es war nicht klar, ob es weitergeht. Aber Worms wäre nicht Worms, wenn man sich hier nicht helfen würde.
Über die Sozialen Netzwerke brach über die Hashtags #JederkaufteinePlatte und #HeavenisaPlaceinWorms eine Welle der Solidarität über den Laden herein und Heaven Records konnte gerettet werden. Worms hat einfach gezeigt, dass man einen Plattenladen haben möchte und es gingen viele schwarze Scheiben in dieser Zeit über die Ladentheke. Kurz danach im Herbst 2018 kam der nächste Schock. Das Gebäude in der Rheinstraße, welche das Heaven so lange beherbergte, wurde verkauft. Schon wieder standen dunkle Wolken am Horizont für die beiden Plattendealer. Doch manchmal hat man einfach ein kleines bisschen Glück im Leben. Durch eine Bekannte wurde der Kontakt zum Laden in der Stephansgasse hergestellt und auch die Vermieter spielten mit. Was dann im Januar folgte, war ebenfalls eine tolle Gemeinschaftsleistung. In knapp zwei Wochen zog der Laden in die neuen Räumlichkeiten und unzählige Freunde des kulturlastigen Ladens waren wieder zur Stelle. Nächtelang wurde gewerkelt, gemalt, geschleppt und einfach ein Wunder vollbracht. Für Worms ist dieser Umstand ein großes Glück. „Kultur für alle“ mitten in der Innenstadt. Das ist eine Entwicklung, die gefällt. Oder um es poetisch zu sagen: „Worms hat einen neuen Himmel.“
Die Rückkehr des Garagenrocks
CD-Kritik von Altrheinpower: „Erregende Sehnsucht“
Die Wormser Band „Altrheinpower“ um die Legende Heinz Balzer hat ihr neues Album „Erregende Sehnsucht“ veröffentlicht. Heinz Balzer? Altrheinpower? Kennen Sie nicht? Quatsch. Spätestens mit der Bearbeitung von „So lonely“ von Police (unter dem Titel „Salatöl“) hat sich die Band in die Herzen der Wormser gespielt. WO! hat mal reingehört.
Nun hat ALTRHEINPOWER zum 25-jährigen Bestehen ein neues Album veröffentlicht. Acht Werke hat die Band um Heinz Balzer (Bass, Gesang), Axel Hasenbrink (Gitarre, Gesang), Oskar Hack (Schlagzeug, Gesang) und Tom Riedlinger (Percussion) auf ihrem 6. Studioalbum untergebracht. Um das Ganze zu verstärken, hat man sich ins Studio noch Bernd Kulzer (Keyboards), Patricia Meurer und Nicole Düpre (beide Gesang) dazu geholt. Musikalisch ist das Album eben das was es ist. Garagenrock. Einfach, schlicht und rockig. Genau diesem Umstand ist auch der schönste Titel der Platte gewidmet, „Garagenrock“. Insgesamt erinnern die deutschen Dialekttexte und die Musik ein wenig an die Crackers oder manchmal sogar an die Rodgau Monotones. Auch ein paar Beatles Bearbeitungen sind mit „In die Brieh“ und „Kannst vergesse“ enthalten. Auf altrheinisch versteht sich. Man darf und soll das Album nicht ganz ernst nehmen, denn es soll einfach Spaß machen, ein bisschen albern sein und Freude verbreiten. Genau das tut es, allerdings fehlt dem Album irgendwie das gewisse Etwas. Ein Hit wie „Salatöl“ oder ein roter Faden hätten sichtlich gut getan, denn teilweise kann man mit Songs wie beispielsweise „Popsong“ nichts anfangen. Da fehlt dann einfach ein wenig der Heinz Balzer Charme von früher.