Während der Rheinland-Pfalz-Tag aufgrund der ausufernden Kosten nicht die erhoffte Promotion für Kissel im Hinblick auf die OB-Wahl brachte, sollte es im Spätsommer Terence Hill richten. Die Begleitumstände des Besuchs eines Weltstars brachten Kissel aber nicht unbedingt neue Wählerstimmen. Manche behaupten sogar, dass diese Aktion der nächste Sargnagel auf Kissels Weg zur angestrebten dritten Amtszeit war.

Anfang Mai war bekannt geworden, dass Terence Hill im August eine Tournee durch Europa unternehmen würde, um seinen neuen Film „Mein Name ist Somebody“ vorzustellen. In Deutschland standen Open Air Kinos in mehreren Großstädten auf dem Plan. Dresden, Berlin, Hamburg, Nürnberg, München. Der mittlerweile 79-jährige Terence Hill würde überall persönlich erscheinen und zu den Fans sprechen. „Da fehlt eigentlich nur noch Worms“, dachte sich der Wormser Oberbürgermeister Kissel. Als dieser kurz danach Kontakt zum Management von Terence Hill aufnahm, da war er ein halbes Jahr vor der OB-Wahl bereits voll im Wahlkampfmodus und wollte seinen jüngeren Wählern etwas Besonderes präsentieren. Er erzählte dem Manager des Weltstars von dem Wormser Künstler Peter Englert, der vor zwei Jahren eine Brücke scherzhaft in Terence-Hill-Brücke umbenannt hatte, was ein bundesweites Echo fand. Kissel wies auf das Mitwirken von Mario Girotti in einem Nibelungen-Film hin. Kurzum: Es wäre doch eine tolle Sache, wenn Terence Hill auf seinem Tourplan noch Worms mit einstreuen würde. Sein Management äußerte Bedenken, ob eine Stadt wie Worms für einen solchen Ansturm überhaupt gewappnet wäre. Wenn Terence Hill nach Deutschland kommt, werden Zehntausende von überall her dorthin strömen, so die Prognose des Managements, die im Übrigen auch weitestgehend eingetreten ist. Selbstbewusst entgegnete ihm Kissel: „Das können wir auch.“ Kissel erzählte vom anstehenden Rheinland-Pfalz-Tag mit geschätzten 300.000 Besuchern, den Nibelungen-Festspielen und vom Jazz & Joy. Tatsächlich wirkten Kissels Überzeugungskünste und auch Worms bekam den Zuschlag für einen Exklusivbesuch. Anfang Juni ließ Kissel auf einer Pressekonferenz die Bombe platzen. Terence Hill kommt nach Worms und wird im Wormatia Stadion seinen neuen Film vorstellen. Zuvor würde er natürlich auch noch „seine“ Brücke einweihen. Sofort ging die Meldung viral und verbreitete sich in Windeseile in den Sozialen Medien. Vermutlich war die Reaktion Vieler bei Facebook nicht unbedingt im Sinne Kissels, die dem OB unterstellten, die Lorbeeren ernten zu wollen, die doch eigentlich Peter Englert zustehen, dank dessen Satireaktion die Sache erst ins Rollen kam. Tatsächlich hatte Kissel Englert bereits vier Wochen vorher informiert und es war auch von Anfang an geplant, dass dieser bei der Brückeneinweihung dabei sein würde. Der entscheidende Fehler Kissels war ein anderer. Nach der PK wurde eine Pressemeldung verschickt, in der Kissel ankündigte, der Brücke zukünftig einen Doppelnamen geben zu wollen, nämlich Karl-Kübel-Terence-Hill-Brücke. Noch am selben Tag verbreiteten Zeitungen und Nachrichtenmagazine bundesweit die Meldung, dass die Stadt Worms einer Brücke den Namen des Westenhelden geben würde. Abends lief die Meldung im TV auf allen Kanälen, dazu ein eigens für Worms gedrehtes Video von Terence Hill, in dem dieser in die Kamera sagt: „Ist das wahr, dass ihr einer Brücke meinen Namen geben wollt? Ist das möglich? Wenn ja, ich komme gerne…“ Schon zwei Tage später musste Kissel öffentlich zurückrudern. Die Idee für eine tatsächliche Umbenennung war ein typischer Alleingang Kissels, nur diesmal ließen die anderen Stadträte durchklingen, dass sie ihre Zustimmung verweigern. Und so bleibt alles wie es ist, die Karl-Kübel-Brücke behält ihren Namen. Unausgesprochen blieb hierbei der Satz: „Aber Terence Hill kann natürlich trotzdem gerne kommen…“ Und jetzt ging der Shitstorm gegenüber Kissel in den Sozialen Medien erst so richtig los…

Er ist da
Am 24. August kam Terence Hill dann tatsächlich nach Worms. Anfangs war die Rede von einem Brückenfest, bei dem Tausende das Idol ihrer Kindheit begrüßen – letztendlich wurde Terence Hill mittags heimlich über die Brücke geschleust, nur die Presse wurde kurz vorher über die Uhrzeit informiert. Ein paar hundert Schaulustige hatten sich aber trotzdem an der Karl-Kübel-Brücke eingefunden. Danach durfte sich Mario Girotti in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Abends im Wormatia Stadion warteten 5.000 Fans auf den Weltstar, der für seine Begrüßungsworte auf einen wackeligen Stuhl steigen musste, damit ihn wenigstens ein Bruchteil seiner Fans sehen konnte. Im Vorfeld der Filmpräsentation gab er noch ein kleines Interview, das zwar über Lautsprecher, aber nicht über die Leinwand übertragen wurde. So konnten ihn die Fünftausend, die es sich auf Decken auf einem Nebenplatz des Wormatia Stadions bequem gemacht hatten, wenigstens hören. Wie man einen Weltstar professionell empfängt, kann man sich in Videos aus München, Dresden oder Hamburg ansehen, wo an einem öffentlichen Platz eine eigene Bühne mit einer Sitzecke für Terence Hill aufgebaut wurde. Aus Kissels „Das können wir auch“, war ein „aber nicht ganz so gut“ geworden. Dass der 24. August 2018 dennoch für alle Beteiligten ein unvergesslicher Tag wurde, lag einzig und alleine an Terence Hill selbst, der dank seiner geradezu spürbaren Bodenständigkeit das Ganze mit einer unglaublichen Gelassenheit und Freundlichkeit gemeistert und hierbei einen ungemein sympathischen Eindruck hinterlassen hat. Bleibt noch die Frage: Warum sieht dieser Mann mit den stechend blauen Augen und diesem unverschämten Grinsen eigentlich immer noch aus wie früher?