LEBENSLÜGEN UND VERRAT

Eine abgeschiedene Insel, zwei Personen, die sich auf selbiger begegnen, und einen kraftvollen Dialog. Mehr brauchte der französische Autor Éric-Emanuel Schmitt nicht, um eines der meistgespielten Stücke der Moderne zu verfassen: „Enigma“.

Vom aufführenden Theaterensemble des Pfalztheater Kaiserslautern in der Vorankündigung großspurig als Thriller angekündigt, entpuppt sich das Stück zunächst als ein Duell der Worte zwischen einem Schriftsteller, der Literaturnobelpreisträger ist, und einem Redakteur einer kleinen lokalen Zeitung, der dem wortgewandten Schriftsteller Geheimnisse entlocken will. Abel Znorko, der Preisträger, lebt seit vielen Jahren zurückgezogen auf einer Insel. Er gilt als exzentrisch und schießt auch gerne mal auf Menschen, die das Eiland betreten. Das muss der Journalist Erik Larsen am eigenen Leib er- fahren und wird schließlich mit den Worten des großen Zynikers empfangen: „Leiche oder Gast? Nachdem ich Sie nicht erschossen habe, sind Sie jetzt mein Gast.“ Als Gast möchte Larsen Znorko entlocken, welche Wahrheit sich hinter dem   erfolgreich   veröffentlichten   Briefroman „Die uneingestandene Liebe“ verbirgt? In intensiven Wortduellen macht Schmitt das Publikum zu Zeugen von Lebenslügen, Verrat und Masken der Männlichkeit. Wie in einem guten Thriller wird Schicht um Schicht das Rätsel gelöst, das letztlich eher einer menschlichen Tragödie gleicht, in deren Mittelpunkt eine Frau steht. Durch die erzwungenen Bekenntnisse der bei- den Männer entsteht das Bild einer rätselhaften Frau aus der Vergangenheit. Der Titel „Enigma“ bezieht sich wiederum auf Edward Elgars Komposition „Variations énigmatiques“, die er 14 seiner Freunde widmete, bei der nie das Hauptthema gespielt wird und der wichtigste Charakter niemals auftritt. Ein Gleichnis über die Rätselhaftigkeit der Liebe. Schmitt überträgt dies in Worte, während Regisseur Dominik von Gunten diese vielleicht etwas zu werkgetreu auf die Bühne brachte.

Fazit: Ein Stück, das ganz auf die Kraft der Worte reduziert war und somit jede Menge Aufmerksamkeit abverlangte, zumal sich der Regisseur dazu entschied, das zweistündige Duell ohne Pause zu inszenieren. Dennoch ein Stück, das lange nachhallt und sehr viel Wahrhaftigkeit beinhaltet.

Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf