ZEITGESCHICHTE TRIFFT AUF ZEITLOS

Auf der Flucht vor dem nationalsozialistischen Terrorregime träum- ten die meisten der Reisenden davon, im Anschluss an die Landung in Kuba in die USA weiterzureisen. Doch die Träume platzten zunächst, da der kubanische Präsident beschloss, die heiklen Gäste nicht an Land lassen zu wollen. Denn, so formulierte es der schmierige Präsident gegenüber dem Kapitän, was passiert, wenn sich aufgrund der gewährten Zuflucht noch mehr jüdische Menschen auf den Weg nach Kuba machen? Eine Frage, die sich derzeit in der EU, also auch in Deutschland, viele Menschen stellen. Auch die Tatsache, dass die jüdischen Passagiere an Bord der nationalsozialistischen Gesinnung einiger Crew-Mitglieder ausgesetzt waren, ließ die Anspannung wachsen. Die Lage spitzte sich zu, als Amerika und Kanada ebenfalls die Einreise verwehrten. Niemand auf der Welt wollte die jüdischen Flüchtlinge haben. Für die Personen an Bord bedeutete dieses menschliche Poker- spiel, bei dem es natürlich auch um die richtige Ablösesumme ging, eine Reise zurück nach Hamburg in den sicheren Tod, begleitet von Demütigung und Gewalt. Unter der Regie des erfahrenen Theaterprofis Thomas Luft wurde das Drama zu einer spannenden Mischung aus zeitgeschichtlicher Dokumentation und zeitlosem Thriller. Getragen wurde die Aufführung von einem achtköpfigen Ensemble, das in insgesamt 25 Rollen schlüpfte.

Fazit: Es ist sicherlich kein leichtes Schauspiel, das Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) für die Bühne schrieb, aber eins, das den Zuschauer nachdenklich zurücklässt und bei dem man immer wieder den Bezug zur Gegenwart hinterfragt, ohne dass sich der moralische Zeigefinger zu sehr nach oben reckt. Kurz und knapp, ein eindrucksvoller Abend im Wormser Theater.

Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf